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Immer mehr Asylwerber kehren Österreich den Rücken zu

Massenquartiere, Zeltlager, langes Warten und Diskriminierung sind nur einige Gründe, warum immer mehr Flüchtlinge Österreich wieder verlassen.
Foto: imago | Christian Mang

Immer mehr Geflüchtete scheinen genug von Europa zu haben. So berichtete etwa zuletzt die Welt von Warteschlange vor dem Schalter der Iraqi Airways am Flughafen Berlin-Tegel. Aber auch aus Österreich kehren immer mehr Refugees in ihre Heimatländer zurück. Viele von ihnen sind enttäuscht. „In Österreich sieht man uns an, als wären wir Terroristen, dabei wollten wir Frieden. Hunde werden in Österreich besser behandelt als Flüchtlinge", sagte etwa ein frustrierter Iraker gegenüber dem Kurier. Dieselbe Aussage hörten auch wir von Flüchtlingen aus dem Maghreb, die in Innsbruck in der Illegalität leben.

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Von Anfang Jänner bis Ende November 2015 stellten insgesamt 81.127 Menschen einen Antrag auf Asyl in Österreich. Die größte Gruppe kam dabei aus Syrien, gefolgt von Afghanen und Irakern. Knapp 97 Prozent waren sogenannte Erstantragssteller—also Asylsuchende, die zum ersten Mal Schutz in Österreich suchten. Etwa 10 Prozent der Antragsteller waren unbegleitete Minderjährige, 575 waren sogar unter 14 Jahre alt und alleine unterwegs. 73 Prozent der Antragsteller waren männlich.

Während 2015 vor allem Kosovaren, aber auch Serben und Staatsangehörige der Russischen Föderation sowie der Volksrepublik China nach einem negativen Asylbescheid „freiwillig"—also ohne eine zwangsweise vollzogene Abschiebung—in das Herkunftsland zurückkehrten, waren es in den ersten sechs Wochen des Jahres 2016 vor allem männliche Iraker.

Insgesamt verließen 2015 genau 5087 Asylsuchende Österreich freiwillig, 3278 weitere wurden nach einem negativen Asylverfahren zwangsweise abgeschoben. 2016 kehrten bereits 512 Menschen mit Unterstützung des „Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ)" zurück. Anders als im Vorjahr sind es aber vor allem Iraker, Iraner und Afghanen, die Österreich den Rücken kehren—obwohl gerade der Irak und Afghanistan nicht als sichere Herkunftsländer geführt werden.

Ein großer Unterschied zum Vorjahr ist auch, dass ein großer Teil der Rückkehrer noch vor dem Ende des Asylverfahrens Österreich wieder verlässt. „Viele kehren selbst dann wieder zurück, wenn sie selbst durchaus Aussicht auf Anerkennung als Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte hätten", bestätigt auch Günter Ecker, Geschäftsführer des VMÖ.

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„Besorgte Bürger" bei einer Demo gegen Refugees in Spielfeld. Foto: Christopher Glanzl

Dabei dürfte vor allem die Ernüchterung über die Qualität der Unterbringung von Geflüchteten in Österreich eine Rolle spielen. Massenquartiere, Zeltlager und teils Phasen ohne jegliche Unterkunft sind die harte Realität, mit der Refugees in Österreich konfrontiert sind. „Nach einigen Tagen oder Wochen wird den Asylwerbern klar, dass sie falschen Informationen aufgesessen sind und sich falsche Vorstellungen über das Leben als Asylwerber in Österreich gemacht haben", erläutert Ecker.

Österreich hat sich außerdem in den letzten Jahren den Ruf erarbeitet, ein Land zu sein, in dem Familienzusammenführungen im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten rasch möglich seien. Im vergangenen Jahr sind die Wartezeiten auf eine solche Zusammenführung jedoch deutlich gestiegen. Ein Umstand, der vor allem für Geflüchtete, die ihre Familien in prekären Situationen zurückgelassen haben, um sie nach ihrer eigenen Flucht auf sicherem Wege nachholen zu können, oft unerträglich ist.

Der „Verein Menschenrechte Österreich" unterstützt—wie etwa auch die Caritas oder der Verein „Menschen leben"—Flüchtlinge bei der Organisation der freiwilligen Rückkehr. Anders als die beiden anderen Organisationen steht der VMÖ aber oftmals in der Kritik. Denn anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um eine unabhängige NGO.

So kritisiert etwa die asylkoordination, dass der VMÖ als „williger Handlanger" des Innenministeriums fungieren und Asylwerber zur freiwilligen Rückkehr drängen würde. „Immer wieder haben wir gehört, dass die Mitarbeiter von Ecker den Flüchtlingen erklären, sie hätten eh keine Chance und sollten besser gleich freiwillig zurückkehren und auf ein Rechtsmittel verzichten", kritisiert Anny Knapp von der asylkoordination. Auch Amnesty-International-Generalsekretär Heinz Patzelt bescheinigt dem VMÖ eigenwillige Praktiken.

Dass aber immer mehr Geflüchtete aus Kriegsgebieten und unsicheren Herkunftsländern noch vor Abschluss ihres Asylverfahrens Europa freiwillig wieder verlassen, weil sie sich im Stich gelassen und diskriminiert fühlen, ist nicht die Schuld des VMÖ. Vielmehr sollte es uns als Gesellschaft zu denken geben. Schließlich handelt es sich dabei um Menschen, die mit dieser Rückkehr ihr Leben riskieren.

Paul auf Twitter: @gewitterland