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Islam-Debatte: Schluss mit Rassismus und bitte Schaum vom Mund abwischen!

Der Islam-Artikel von Manfred Klimek hat für viel Aufregung gesorgt. Aber außer Polemik war darin nicht sehr viel zu finden, was einer kritischen Analyse standhält, meint dieser Gegenartikel.
mikecogh | photopin | cc

Vor kurzem hat Manfred Klimek eine Abhandlung über den Islam geschrieben, in der er das Cover der Zeitschrift Profil nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo verteidigt. Darauf aufbauend beschimpft er wüst all jene, die nicht seiner Meinung sind und erklärt, warum die FPÖ im Recht sei und der Islam eine faschistische Religion. Sehen wir uns also an, was an den Thesen von Klimek dran ist und wie sie zu bewerten sind.

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Klimek hat einen, sagen wir einmal, gewöhnungsbedürftigen Stil. Im Artikel strotzt es vor Beschimpfungen, insbesondere die politische Linke hat es ihm—natürlich neben dem Islam—offenbar als Feindbild angetan. Da ist von linksliberalen Spießern die Rede, von linksgrünen Tatsachenleugnern, von linksliberalen Bedenkenträger-Journalisten, von Idioten, von Narren, von feiger Masse. Ich werde mich auf diese Ebene der Auseinandersetzung nicht einlassen und Klimek alleine im Schmollwinkel lassen. Ein Journalismus, der inhaltlichen Diskurs durch plumpe Beschimpfungen ersetzt, diskreditiert sich eigentlich bereits von selbst. Das mag in manchen (rechten) Kreisen als lustig durchgehen, trägt aber zur Klärung nichts bei. Ich halte es daher auch für falsch, dass dieser Artikel veröffentlicht wurde. Nicht alles, was plump, polemisch und aggressiv daherkommt, ist deshalb schon gut. Doch sehen wir uns die inhaltlichen Argumente von Klimek an, soweit sie zwischen den anti-linken Hassparolen zu finden sind.

Die gleiche Schiene fährt in Deutschland Thilo Sarrazin, der sich selbst als einsamer Mahner generiert, tatsächlich aber nichts anderes ist als ein Ideologe des Establishments.

Zu Beginn erläutert Klimek die Eigentümer-Verhältnisse des Profils und erklärt, dass Profil-Herausgeber Christian Rainer es schaffen würde, den Einfluss des Raiffeisen-Konzerns, dem das Blatt gehört, zurückzudrängen. Ob das so tatsächlich stimmt und was das mit dem aktuellen Cover der Zeitschrift zu tun hat, bleibt weitgehend unklar. Dieser erste Teil klingt eher wie ein Jobinserat. Was Klimek übrigens nicht sagt, allerdings in diesem Zusammenhang durchaus interessant wäre, ist, dass Raiffeisen ein Großkonzern mit besten Verbindungen zur ÖVP und zum Katholizismus ist.

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Klimek lobt das Profil für einen angeblichen „Tabubruch" und attestiert den KritikerInnen, dass sie für Denk- und Diskursverbote eintreten würden. Wörtlich schreibt er: „Die Kritiker des Profil stehen in der guten österreichischen Tradition des Verdrängens. Sie suchen keine Diskussion, sie begehren das Redeverbot". Es ist ein alter Trick, der übrigens insbesondere in der sogenannten „Neuen Rechten" verbreitet ist, selbst zu diskriminieren und sich dann als Opfer von Diskriminierung darzustellen und das Recht auf freie Rede einzufordern („das wird man ja wohl noch sagen dürfen"). Die gleiche Schiene fährt in Deutschland Thilo Sarrazin, der sich selbst als einsamer Mahner generiert, tatsächlich aber nichts anderes ist als ein Ideologe des Establishments.

Im Konkreten ist die These von Klimek von einem Tabubruch auch schlicht nicht haltbar. Profil bricht keine Tabus, sondern bewegt sich mit seinem Cover im absoluten Mainstream eines rassistisch aufgeladenen Meinungs-Diskurses—offenbar, weil sich damit gut Auflage machen lässt. Das ist ähnlich wie Pegida, wo auch behauptet wird, gegen das Establishment auf die Straße zu gehen, während es gleichzeitig wohl kaum etwas gibt, was derzeit herrschaftskonformer ist, als der Marsch für die Festung Europa.

Klimek behauptet, dass aufgrund der Deutungshoheit der FPÖ „seit einer gefühlten Ewigkeit" keine Debatten in seiner Meinung nach linken und linksliberalen Zirkeln (und Medien) über reaktionäre Positionen des Islams stattfinden (wobei für ihn offensichtlich linksliberal all jene sind, die nicht seine Meinung teilen). Ich frage mich, hat Klimek in den letzten Jahren eine Zeitung in Österreich aufgeschlagen? Die FPÖ dominiert tatsächlich den Islam-Diskurs in Österreich. Das tut sie aber unter anderem deshalb, weil immer mehr Medien in dieser Frage auf die Linie der FPÖ übergehen. Damit treffen sich diese Medien übrigens wiederum perfekt mit Klimek, der in abstruser Weise zuerst die FPÖ zum Problem erklärt, danach aber die gleiche FPÖ gegen ihre KritikerInnen in Schutz nimmt. Er billigt der rechtsextremen Partei sogar zu, sich angeblich als einzige an den wahren Kern einer Islam-Analyse heran zutrauen, gibt ihr also (gewürzt mit einer Prise Distanzierung) in dieser derzeit politisch zentralen Frage auf ideologischer Ebene Rückendeckung.

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Aber kommen wir zu den Islam-Thesen von Klimek. Offensichtlich ist, dass die Grundlage seiner Kritik am Islam eine allgemeine Religionskritik ist. Das wäre sogar eine Ebene, auf der ich mich mit Klimek finden könnte. Denn ich bekenne, mir sind Religionen prinzipiell nicht sympathisch. Ich halte es da ganz mit Karl Marx, der meinte, dass Religionen das Opium des Volkes seien, also eine Ablenkung von den tatsächlichen Problemen der Menschen. Doch gleichzeitig bin ich nicht blind, und sehe, dass die Islam-Debatte tatsächlich eine Rassismus-Debatte ist. Das wird mich nicht dazu bringen, „den Islam" zu verteidigen, genauso wenig wie ich das Christentum, das Judentum, den Hinduismus oder den Buddhismus verteidigen würde. Gleichzeitig werde ich aber Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis gegen Rassismus und Islamophobie verteidigen, genauso wie ich JüdInnen gegen Antisemitismus verteidigen würde.

Und ich werde versuchen, eine seriöse Analyse einzelner Religionen abzuliefern. Und hier versagt Klimek. Er geht davon aus, dass „der Islam" so etwas wie eine pauschal zu fassende Einheit sei, doch das ist schlicht eine unzulässige Verkürzung. Religionen sind Ausdruck einer bestimmten historischen Epoche, bestimmter Interessen und bestimmter ideologischer Ideen. Sie sind von Menschen gemacht und nach deren Interessen geformt. Damit werden sie immer anders und unterschiedlich ausgelegt, je nachdem, wie es gerade dienlich erscheint. „Den Islam" gibt es genauso wenig wie „das Christentum". Oder wird jemand ernsthaft behaupten, dass die Hexenverbrennungen des Mittelalters und die marxistisch inspirierte Befreiungstheologie des 20. Jahrhunderts die gleichen Grundlagen haben? Würde jemand sagen, dass Menschen, die einfach gern das katholische Weihnachtsfest feiern, automatisch das gleiche Weltbild haben wie Ugandas katholische Terroristen von der Lords Resistance Army, der Massenmörder Anders Breivik oder die christlich motivierten TerroristInnen in den USA? Nein? Dann hat sollte aber auch der Islam ebenso differenziert betrachtet und kritisiert werden.

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Klimek schreibt:

„Und freilich leben auch in Europa viele Millionen Muslime nach dem Koran, der freilich nichts weiter als niedergeschriebene Leitfäden und Sittenbilder eines religiösen Diktators ist und kein interpretierbares Geschwafel, wie die Bibel, die von einem Haufen Jünger in jeweilig individueller Geistesverfassung geschrieben wurde."

Das ist, mit Verlaub, religionshistorisch schlichtweg falsch. Die einzelnen Teile der Bibel wurden zwar tatsächlich von verschiedenen Personen geschrieben. Doch mit der Einbindung des Christentums in die Hierarchie des römischen Reiches wurde an der Bibel kräftig herumgedoktert und es wurden nur jene Teile der Bibel als „kanonisch" anerkannt, die ideologisch auch passend erschienen, es wurde also genormte und vereinheitlicht. Ein guter Beleg dafür sind auch die sogenannten Apokryphen, also jene Glaubens-Texte, die von der Kirchenhierarchie einfach nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden. Hier also eine Gegenüberstellung eines linearen Koran und einer pluralen Bibel aufzumachen, ist historisch nicht haltbar.

Tatsächlich gibt es „den Islam" wahrscheinlich sogar weniger als „das Christentum". Ein Äquivalent zum Papst fehlt hier, es gibt verschiedene Auffassungen und kulturelle Unterschiede.

Klimek behauptet, dass der Koran ein genauer Leitfaden sei, der vor allem der Unterwerfung dienen würde. Auf einer prinzipiell religionskritischen Ebene ist das durchaus richtig. Doch falsch ist, diese Kritik vor allem am Koran festzumachen und nicht breiter zu diskutieren. Denn letztlich ist Unterwerfung in (fast) allen Religionen ein wesentliches Moment. Gleichzeitig ist der Koran wie die meisten religiösen Quelltexte ziemlich beliebig und kann sehr unterschiedlich interpretiert werden (was in allen großen Religionen ein wesentliches Moment ist). Es gibt etwa genauso sehr kriegerische Passagen wie sehr friedvolle. Im Kern sind viele Passagen auch nur historisch zu begreifen und haben viel mit der jeweiligen Situation im Leben des Religionsgründers Mohammed zu tun.

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Tatsächlich gibt es „den Islam" wahrscheinlich sogar weniger als „das Christentum". Die dominante katholische Variante des Christentums hat mit dem Papst ein einheitliches Oberhaupt, das seit dem ersten vatikanischen Konzil von 1870 in Glaubensfragen sogar ganz offiziell unfehlbar ist. Ein Äquivalent im Islam dazu fehlt, es gibt verschiedene Schulen und verschiedene Auffassungen. Dazu kommen natürlich auch kulturelle Unterschiede. Der Islam ist die dominante Religion in einem Gebiet, das von Nord- und Zentralafrika über den Balkan, den Kaukasus, den Nahen Osten, die arabische Halbinsel, Zentralasien bis nach Südostasien reicht. In vielen Ländern sind die jeweils vorherrschenden Religionen oftmals mit älteren religiösen Vorstellungen verknüpft, die in der jeweiligen Region bereits existierten (so wie auch das Christentum sehr vieles von vor-christlichen Religionen übernommen und integriert hat). Dazu kommen natürlich ganz unterschiedliche materielle Wirklichkeiten und politische Entwicklungen. Der in seinem Mainstream aufgeklärte Islam in Bosnien etwa hat eine völlig andere Geschichte, Ausrichtung und ideologische Grundlage als die vollkommen reaktionären Wahabiten in Saudi Arabien.

Der reaktionäre politische Islam ist eine politische Strömung innerhalb des Islam, und politisch sollte sie kritisiert werden. Manche machen es sich tatsächlich zu leicht, indem sie sagen, dass der aktuelle Terror gar nicht mit dem Islam zu tun hätte. Selbstverständlich hat auf einer bestimmten Ebene „der Islam" etwas mit „dem Terror" tun, indem die FundamentalistInnen sich auf ein bestimmtes Glaubensfundament beziehen (können) und es in ihrem Sinne auslegen. Doch es wäre absurd, daraus den Schluss abzuleiten, dass der Islam als Religion an sich problematischer oder weniger problematisch wäre als die anderen großen Weltreligionen.

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Klimek trifft sich mit den FundamentalistInnen, denn diese legen den Koran genauso selektiv in ihrem Sinne aus, wie er das tut.

Ein Blick in das Alte Testament zeigt eine Geschichte voller Brutalität und einen rächenden christlichen Gott, der alles tötet, was ihm nicht in den Kram passt. Mit der Sintflut etwa hat die christliche Gottheit laut Bibel mal kurz alle Menschen ausgerottet außer der Familie von Noah. In diesem Sinne wäre der faschistische Massenmörder Anders Breivik der einzig konsequente Vertreter des Christentums der letzten Jahre. Das ist natürlich Unsinn, aber das ist die Folge, wenn einzelne Elemente aus religiösen Texten herausgenommen und dann isoliert betrachtet werden. Hier trifft sich Klimek übrigens amüsanter Weise mit den FundamentalistInnen, denn diese legen den Koran genauso selektiv in ihrem Sinne aus, wie er das tut. Stattdessen sollten Religionen in ihrer Breite erfasst und diskutiert werden. Zuspitzung mag bei einem Bleistift sinnvoll sein, aber nicht in der politischen Analyse.

Die weiteren Erfolge des reaktionären politischen Islam gehen einher mit den wirtschaftlichen Interessen und den Kriegen des Westens. Auf der arabischen Halbinsel sind die Öl-Tankstellen Saudi-Arabien oder Qatar die besten Freunde von USA und EU, die jeweiligen Herrscherhäuser werden vom Westen gestützt und mit Waffen beliefert. Gleichzeitig finanzieren diese Länder (manchmal in Zusammenarbeit mit den USA wie im Fall Afghanistan, manchmal gegen die Interessen der Westens wie aktuell beim islamischen Staat) weltweit fundamentalistische Kräfte.

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Wenn es um Unterdrückung und ihre religiöse Rechtfertigung geht, wäre es eventuell auch angebracht, die im eigenen Kulturkreis vorherrschende Religion, also das Christentum, zumindest zu erwähnen. Kreuzzüge und Hexenverbrennungen mögen bereits weiter zurückliegen, doch die Heilige katholische Inquisition schlägt den „Islamischen Staat" im Blutzoll, den sie gefordert hat, derzeit noch um Längen. Übrigens gibt es die Inquisition auch heute noch, der vorige Papst Benedikt war Leiter dieser Organisation, die 1908 in Sanctum Officium umbenannt wurde. In Interviews hat Benedikt die Inquisition auch ganz offen verteidigt.

Auch im 20. Jahrhundert hat der politische Katholizismus eine Blutspur durch Europa gezogen. In Österreich, Spanien, Portugal oder Kroatien waren ab den 1930ern katholisch inspirierte faschistische Diktaturen an der Macht, die hunderttausende Menschen ermordet haben. Die Kirche hat lange zum Holocaust geschwiegen und nach dem Zweiten Weltkrieg mit der sogenannten Rattenlinie NS-Kriegsverbrechern die Flucht ermöglicht. Die Aufklärung in Europa war auch niemals eine Aufklärung des Christentums, sondern eine Aufklärung gegen das Christentum. Es bedurfte der Kämpfe der Bauernkriege und der Reformation, der französischen Revolution sowie der sozialen Kämpfe der ArbeiterInnenbewegung, um den politischen Katholizismus zurückzudrängen.

Dudu Kücükgöl sagt „Ich verurteile, aber distanziere mich nicht", aber sie sagt auch: „Distanzierung würde heißen, dass es irgendeine Gemeinsamkeit gibt."

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Kommen wir schließlich zum letzten Teil des Artikels von Klimek, nämlich seiner massiven Kritik an Dudu Kücükgöl von der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Im Wesentlichen unterstellt er ihr, dass sie mit den FundamentalistInnen unter einer Decke stecken würde, weil sich nicht von ihnen distanzieren würde. Dazu bringt er ein Zitat von ihr, nämlich „Ich verurteile, aber distanziere mich nicht." Doch es hätte gelohnt, sich mit den Positionen von Kücükgöl auch auseinanderzusetzen, anstatt ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat zu verwenden. Ich habe das getan und mit Kücükgöl gesprochen. Sie sagt: „Distanzierung würde heißen, dass es irgendeine Gemeinsamkeit gibt. Daher kann ich mich nicht distanzieren, denn damit würde ich sagen, das es irgendetwas Gemeinsames zwischen mir und dem schrecklichen Terror in Paris gibt."

Was Kücükgöl mir erzählt, ist absolut glaubwürdig, hat sie doch auch in einem Kommentar für Das Biber äußerst klare Worte zum Anschlag in Paris gefunden. Sie spricht dort von „Kreaturen, die sich Muslime nennen", bezeichnet den Anschlag in Paris als „bizarre Grausamkeit" und „abscheuliche Tat" und spricht den Opfern ihr aufrichtiges Beileid aus. Die MJÖ ließ den Worten übrigens auch Taten folgen, mit einem Bus fuhren 60 AktivistInnen der Organisation zur zentralen Kundgebung in Paris, auf der Facebook-Seite der MJÖ wurde auch zur Kundgebung in Wien aufgerufen. Ich selbst teile die religiösen und politischen Positionen der MJÖ nicht, doch die Organisation sollte für ihre Positionen kritisiert werden und nicht für angebliche Positionen, die ihr in unseriöserweise Weise untergeschoben werden. Auch hier: ein paar Minuten Recherche wären eventuell wichtiger gewesen als ein weiterer Seitenhieb auf angebliche linke Spießer.

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Tatsächlich erscheint es auch seltsam, warum aktuell von allen Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis eine Distanzierung von Anschlägen gefordert wird. Niemand wäre etwa wird auf die Idee gekommen, nach dem Massenmord des norwegischen Faschisten Anders Breivik im Jahr 2011 an 77 vorwiegend sozialistischen AktivistInnen eine Distanzierung durch alle KatholikInnen einzufordern. Und niemand forderte von allen JüdInnen eine Distanzierung, als der Faschist Baruch Goldstein 1994 in der Moschee von Al-Chalīl/Hebron ein Massaker anrichtete, bei dem 29 Menschen starben. Es geht also auch darum, keine doppelten Standards zu entwickeln.

Es ist auch aufschlussreich, wie wenig Aufmerksamkeit die Ermordung von Khaled I. in Dresden in dieser Woche erhielt. In Dresden mobilisiert Woche für Woche die Pegida-Bewegung und treibt ein rassistisches Klima voran und nun wird in dieser Stadt ein Mann ermordet aufgefunden, an dessen Tür zuvor Hakenkreuze gemalt worden waren. Selbstverständlich, zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht eindeutig, dass es sich um einen faschistischen Mord handelt, es gibt jedoch offensichtlich starke Indizien. Ich hoffe, dass jene, die jetzt Charlie sind, dann auch Khaled sein werden.

Wie kann man die FPÖ in die Defensive drängen, wenn man gleichzeitig ihre Argumente übernimmt?

Die Schwerpunktsetzung dieses Artikels wäre zweifellos anders, wenn ich ihn im muslimischen Kulturraum geschrieben hätte. Denn selbstverständlich ist der islamische Fundamentalismus ein geschworener Todfeind jeder fortschrittlichen gesellschaftlichen Entwicklung, es reicht dazu etwa ein Blick ins kurdische Kobane, nach Saudi-Arabien, wo der Blogger Raif Muhammad Badawi gerade wöchentlich halb totgeprügelt wird oder nach Pakistan, wo fundamentalistische Kräfte regelmäßig Anschläge auf linke AktivistInnen durchführen. Doch kann eine Analyse, die seriös sein will, sich eben nicht unabhängig vom gesellschaftlichen Rahmen bewegen, in dem sie sich befindet. Wer völlig zu Recht die Anschläge in Paris verabscheut, kann nicht zu den militärischen Interventionen des französischen Imperialismus in Westafrika und im Nahen Osten schweigen. Wer den Zulauf zu den FundamentalistInnen thematisiert, kann seine Augen nicht vor der rassistischen Diskriminierung verschließen. Wer die Rückständigkeit des Islam kritisiert, sollte auch die reaktionäre Politik der katholischen Kirche nicht vergessen.

Der gesamte Artikel von Klimek läuft auf ein Argument hinaus: es sollten endlich endlich mehr Menschen den Islam völlig pauschal kritisieren, damit es nicht mehr nur die FPÖ tut. Warum es allerdings die FPÖ argumentativ in die Defensive drängen sollte, wenn ihre Argumente übernommen werden, muss das Geheimnis von Klimek bleiben.

Tatsächlich aber lädt Klimek doppelte Schuld auf sich. Denn genau diese pauschale Islam-Kritik ist Wasser auf die Mühlen nicht nur der RassistInnen, sondern auch der FundamentalistInnen. Wer als Journalist mit Schaum vor dem Mund, doch ohne viel Substanz, pauschal eine gesamte Religion an ihrer reaktionärsten Auslegung festmacht und dabei perfekt den herrschenden Rassismus bedient, ist gleichzeitig der beste Unterstützer der FundamentalistInnen in ihren Rekrutierungsbestrebungen.

Es gibt aber auch Alternativen: Eine seriöse und differenzierte Auseinandersetzung mit Religionen, die nicht vor einer substantiellen Religions-Kritik zurückschreckt, dabei aber nicht in Islamophobie abgleitet. Das Verständnis, dass Rassismus nicht nur prinzipiell indiskutabel ist, sondern auch den FundamentalistInnen nützt und somit das Einnehmen eines konsequent antirassistischen Standpunkts. Und schließlich ein gemeinsames Auftreten für leistbare Wohnungen, sichere Jobs und ein angenehmes Leben. Denn das ist, was für uns alle zählt.

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Titelbild von mikecogh |photopin|cc