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Warum die slowakische Flüchtlingspolitik der feuchte Traum der FPÖ ist

Die Slowakei will nur christliche Flüchtlinge aufnehmen, Ungarn baut eine Mauer und der tschechische Präsident vergleicht alle Muslime mit Nazis. Was ist da drüben eigentlich los?
Ungarn bauen einen Anti-Flüchtlings-Grenzzaun. Foto: imago/EST&OST

Ein Sprecher der slowakischen Regierung hat am Mittwoch erklärt, die Slowakei sei gerne bereit, 200 syrische Flüchtlinge aufzunehmen—aber nur, wenn sie Christen sind. Muslime könne man nicht aufnehmen, weil die sich in der Slowakei „nicht zu Hause fühlen würden". In Anbetracht der Tatsache, dass die Slowakei sowieso nur 200 von insgesamt 40.000 Flüchtlingen, die in der EU verteilt werden sollen, aufnehmen möchte, ist das schon ziemlich erstklassiges Trolling.

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Mit Diskriminierung habe das nichts zu tun, erklärte der Sprecher weiter—man wolle nur den Gemeinschaftszusammenhalt im Land stärken. „Wir könnten auch 800 Muslime aufnehmen", fuhr er fort, „aber wir habe keine Moscheen in der Slowakei, also wie sollen wir Muslime integrieren, wenn es ihnen hier sowieso nicht gefallen wird?" Außerdem sei die Slowakei nur ein Transitland, „in dem Leute sowieso nicht bleiben wollen." Woran das wohl liegt?

Bei einer Anti-Asyl-Demo in Bratislava (Motto: „Wir wollen keinen Islam") wird auf eine EU-Flagge am Boden getrampelt. Foto: imago/CTK Photo

Tatsächlich ist das nur die letzte von vielen Äußerungen aus den osteuropäischen Ländern, die sich in dieser einen Sache ziemlich einig sind: Sie wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Während der deutsche Innenminister gerade erklärt hat, dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland dieses Jahr womöglich bis auf 800.000 steigen könnte—der höchste Wert in der Geschichte des Landes—und fast alle EU-Staaten die Notwendigkeit einer sinnvollen Kooperation erkannt haben, sagen die Osteuropäer einfach, dass sie keinen Bock haben zu helfen.

Als die Mitgliedsstaaten sich Ende Juni zusammensetzten, um über die faire Verteilung von mickrigen 40.000 Flüchtlingen zu reden, die in Italien und Griechenland gestrandet waren, waren es die osteuropäischen Länder, die sich mit Zähnen und Klauen gegen eine verbindliche Quotenregelungen wehrten. Man musste sich schließlich auf freiwillige Beteiligung einigen—worauf Ungarn sofort unverfroren verkündete, man werde genau null (in Zahlen: 0) Flüchtlinge aufnehmen, danke sehr. Und jetzt die slowakische Regierung: ganze 200, aber bitte nur Christen.

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Dass man nur Christen wolle, haben die Slowaken übrigens nicht erfunden: Direkt nach den Verhandlungen im Juni verkündeten auch die Polen (die sich bereit erklärt hatten, ganze 2.700 Menschen aufzunehmen), sie würden nur christliche Syrer aufnehmen, schließlich sei Polen ja ein christliches Land.

Dabei hören die Politiker einfach nur auf ihre Landsleute: In vielen der Länder ist Islamophobie so weit verbreitet, dass es selbst Georg Nagel etwas unheimlich wäre. Allein in Polen sind 56 Prozent der Bevölkerung negativ gegenüber dem Islam eingestellt. In Bratislava gingen während der EU-Verhandlungen Tausende auf die Straße, um „Die Slowakei den Slowaken" zu rufen und gegen mehr Flüchtlinge zu demonstrieren—dass die Demo von Rechtsextremen organisiert wurde, hat sie wohl nicht gestört.

Gleichzeitig gibt es in den meisten Ländern so gut wie keine Muslime: In der Slowakei leben weniger als 0,1 Prozent, genau wie in Polen, in Tschechien sind es gerade so 0,1 Prozent.

Trotzdem wird die antimuslimische Rhetorik immer schriller. In Tschechien sammelte eine Gruppe 145.000 Unterschriften für den Aufruf „Kein Islam in Tschechien". Im Januar forderte ein rechtspopulistischer Politiker die Tschechen dazu auf, Schweine zu züchten und sie vor Moscheen spazieren zu führen. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hat einmal gesagt, ein gemäßigter Muslim sei „so widersprüchlich wie ein gemäßigter Nazi".

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Miloš Zeman erklärt einem Moslem (Mahmoud Barzani) mutmaßlich, warum er ihn für einen Nazi hält. Foto: imago/CTK Photo

In Ungarn gibt es weniger Islamophobie, weil ungarische Nationalisten traditionell ein gutes Verhältnis zu den dort schon seit Jahrhunderten lebenden Muslimen haben. Dafür ist die Rhetorik des ungarischen Premiers Viktor Orban gegen Flüchtlinge umso härter: Was Europa angesichts der „Flüchtlingsströme" brauche, sei keine Solidarität, sondern Strafverfolgung. Um „Ungarn und die ungarischen Menschen" zukünftig effizienter vor Flüchtlingen zu „schützen", baut Orbans Regierung jetzt eine 175 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Serbien.

Allein die Ankündigung hat dazu geführt, dass jetzt täglich Hunderte Flüchtlinge alles versuchen, um diese Grenze zu überqueren, bevor sie zumacht. Als Reaktion hat man in Budapest beschlossen, Tausende Polizisten zusätzlich an die Grenze zu verlegen. Gleichzeitig versucht man alles, damit Flüchtlinge sich möglichst unwohl in Ungarn fühlen—indem man zum Beispiel riesige Plakate aufhängt, auf denen Flüchtlinge ermahnt werden, Ungarn nicht die Jobs wegzunehmen. Bezeichnend, dass ein Flüchtling, der es nach Österreich geschafft hatte und wieder zurück in Orbans Traumstaat sollte, rundheraus erklärte: „Wenn ich wieder nach Ungarn muss, dann bringe ich mich um."

Ungarn bauen einen Anti-Flüchtlings-Zaun. Foto: imago/EST&OST

In Bulgarien wiederum erledigen das gleich andere für die Flüchtlinge: Die NGO Pro Asyl hat einen Bericht vorgelegt, in dem sie von systematischer Misshandlung, Folter und Vergewaltigung von Flüchtlingen durch bulgarische Beamte spricht.

Die Liste ließe sich fast beliebig lange fortsetzen, aber klar ist: Die meisten osteuropäischen Regierungen und die Mehrheit der Bevölkerungen haben null Interesse an Solidarität mit Flüchtlingen, und sie begründen das durch die Bank mit den „kulturellen Unterschieden", die es einem Moslem unmöglich machen würden, in Budapest oder Prag oder Bratislava ein normales Leben zu führen. Ein Schelm, für wen sich das mehr nach Drohung als nach Erklärung anhört. In Österreich ist ihnen dafür der Applaus aller Daswirdmanjawohlnochsagendürfer sicher.

Die osteuropäischen Länder haben in den letzen Jahren fast 200 Milliarden Euro an Unterstützung bekommen (sind aber offenbar immer mal wieder überfordert damit, das Geld auch tatsächlich abzuheben).

Wenn es jetzt aber darum geht, auch ein paar Pflichten eines EU-Mitglieds anzunehmen und vor allem einfach Menschen zu helfen, die wirklich in Not sind, weigern sie sich kategorisch. Man kann es dem italienischen Premier Matteo Renzi nicht verdenken, dass ihm bei den Verhandlungen über die 40.000 Flüchtlinge irgendwann der Kragen platzte und er den Blockierern „Wenn dies eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr sie behalten" entgegenrief. „Zeigt entweder Solidarität, oder verschwendet nicht unsere Zeit."