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LOL, Having Fun @ The Rape Con!

Bei der Spiele-Konferenz E3 in L.A. hat ein Entwickler spitze Bemerkungen über das lustige Themenfeld Vergewaltigung gemacht. Wie weit ist die Rape Culture bei uns wirklich fortgeschritten?

Den Konsolen-Leuten hat es wohl nicht gereicht, dass sie eine Konsole gebaut haben, die uns alten, unflexiblen, änderungsfeindlichen Spielern jetzt schon die digitalen Runzeln in die Stirn meißelt. Neben Spielen, die man nicht her- oder ausborgen kann, einer Kamera, die dir ununterbrochen beim Masturbieren zuschaut (nach dieser ganzen NSA-Geschichte traue ich niemandem mehr, außer dem Typen, der mir meine Aluhüte verkauft) und dem Zwang andauernd online sein zu müssen, um sogar im Einzelspieler-Modus zu spielen, wollten sie uns noch einen Grund mehr geben, die nächste Generation von Konsolen nicht zu kaufen.

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Nachdem ein Spiele-Entwickler bei seiner Keynote-Speech auf der weltweit größten Games-Messe E3 vom Publikum mit Gelächter belohnt wurde und daraufhin einen Witz gerissen hat, dessen Pointe mit dem lustigen Themenfeld der Vergewaltigung zu tun hatte, tritt einmal mehr die Frage auf: "Wie arg ist das mit der Rape Culture eigentlich wirklich?"

Die Idee hinter der Vergewaltigungskultur-These ist die, dass wir in einer Gesellschaft leben, die auf unterschiedliche Weise einen ziemlich schlechten EInfluss auf uns alle hat. Dinge wie das sogenannte Slut-Shaming, bei dem man Vergewaltigten einredet, dass sie selber Schuld waren/sind/sein werden, weil sowas eben passiert, wenn man das Falsche an hat, am falschen Ort ist oder man was-den-Leuten-sonst-noch-so-an-Falschem-einfällt verbrochen hat.

Obwohl an einer Vergewaltigung immer die vergewaltigende Person Schuld hat, ist eine Gesellschaft mit schlechtem Einfluss natürlich nicht besonders hilfreich. Das Bild des durchtriebenen männlichen Vergewaltigers, der mit Skimaske nachts im Park lauert, ist dabei ebenfalls problematisch, weil es bekanntich meistens nämlich kein klischeehafter Bösewicht ist, der solche Taten begeht, sondern eine Person, die dem Opfer nahesteht oder ähnlich lustige Witze macht, wie gewisse Spiele-Entwickler bei ihrer E3 Keynote-Speech.

"Just let it happen", "It’ll be over soon" und "You like [it]" sind Sätze, die man bis vor kurzem jedenfalls in noch keiner Rede eines Game-Developers vermutet hätte und ich würde wetten, dass bis noch vor wenigen Tagen auf die Frage "Stammt dieses Statement von einer Games-Konferenz oder einem Vergewaltiger?" die Antwort einstimmig ausgefallen wäre (und zwar für "Vergewaltiger", falls man es euch wirklich ausbuchstabieren muss).

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Natürlich wurde das alles aber nicht bei der E3 geboren und auch nicht erst durch die E3 medial zum Problemhema. Wenn man auf Google zum Beispiel "Rape scenes in Movies" eingibt, findet man eine verstörend hohe Anzahl von unkommentierten Videolisten. Statt Diskurs bestehen die Suchergebnisse eigentlich nur aus Sammlungen von Vergewaltigungsszenen aus Hollywood Filmen. "Best Movies RAPE Scenes | Free Download of movie or film" war bei mir das vierte Suchergebnis. Ob das nun unbedingt befürwortend gemeint sein muss, ist schwer zu sagen. Aber: Es ist zumindest eindeutig NICHT hilfreich, wenn man so etwas wie Aufarbeitung im Sinn hätte.

Ab wann wird da die Pop- zur Rape-Kultur? Ein über Date-Rape rappender Rick Ross oder Dean Martin und Doris Days auch sehr date-rapeiges "Baby It's Cold Outside" zeigen, dass in der Popmusik nicht erst seit heute recht fragwürdig mit dem Thema umgegangen wird. Bei der Nummer "We Saw Your Boobs" letztes Jahr bei den Oscars hat der bis ins Mark unlustige Seth MacFarlane (jeder noch so gute Roger-Gag kann solche Unfälle wie Ted und jede neue Family Guy-Folge leider auch nicht vergessen machen) die nackten Brüste der Hollywoodstars in diversen Filmen besungen.

Dabei stammen vier der besungenen Szenen aus Situationen, in denen die Figur vergewaltigt wurde und allein deshalb gerade nackt zu sehen ist. Das ist zwar eigentlich kein Wunder, wenn man MacFarlanes recht unbedarften Umgang mit Rape Culture in Family Guy und American Dad bedenkt, aber zumindest ein bisschen ins Staunen versetzt so etwas auf der Bühne der OScar-Verleihung dann trotzdem.

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Dabei ist freilich auch nicht jede Vergewaltigung im Film ein Bekenntnis ZU Vergewaltigungskultur: Oft werden Vergewaltigungen als billiges stilistisches Mittel verwendet, um eine Figur zu "brechen" (auch wenn das nicht die einzige Form ist, in der sexualisierte Gewalt im Hollywood-Film vorkommt). Die Vergewaltigung wird dabei als Nonplusultra der schlimmen Dinge, die einer Frau zustoßen können, inszeniert und rechtfertigt nicht selten, warum weibliche Figuren bis zum Ende der Handlung bewegungsunfähig in der Opferrolle verharren.

Interessant ist im Vergleich, dass männliche Charaktere im Film natürlich auch schwerwiegende (nicht selten auch sexualisierte) Rückschläge erleiden mit dem Unterschied, dass die Knastduschszene rasch vergessen und das Opfer schnell wieder handlungsfähig wird, um sich zum Rückschlag aufzumachen. Dasselbe existiert zwar auch für Frauen, wenn man zum Beispiel an Kill Bill denkt; aber abgesehen vom Zitate-Fetischist Tarantino hat das weibliche Revenge-Movie sein Standbein immer noch im asiatischen Raum. Der westliche Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Frauen bleibt von Rückblicken, Paralyse und Traumatisierung geprägt. Eine andere Form von Plot- und Charakterentwicklung wird weiblichen Figuren angesichts schweren Missbrauchs selten zugestanden.

Das lässt sich weder mit Wahrheitstreue und Realismus, noch mit Plot-Notwendigkeit und Handlungsrelevanz erklären: Erfundene Geschichten kann man schließlich auch abseits gängiger Muster erzählen und wenn es um Realismus ginge, müsste man das Trauma und den Niederschlag auf das Unterbewusstsein bei sexuell missbrauchten Männern und Frauen in gleichem Maß zeigen.

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Aber sehen wir mal über das alteingesessene Hollywood-System hinweg und blicken auf eine andere Sparte: Nämlich die der Comedians, die genau wie der Xbox-Entwickler vor großem Publikum übers Vergewaltigen oder Vergewaltigt werden witzeln? Darf ich lachen, weil es verdammt lustig ist, wenn Louis C.K. meint "You should never rape anyone. Unless you have a reason, like you want to fuck someone and they won't let you."? Wo enden die Grenzen des guten Geschmacks und wo beginnen die Maschendrahtzäune des politisch Präkeren, Unkorrekten oder sogar Verbotenen?

Irgendwo im Internet (ich weiß, alle guten Sätze beginnen so) habe ich im Kommentar-Thread unter einem Artikel zum Thema Rape-Jokes die Behauptuzng gelesen, dass 9 von 10 Freunde doch ohnehin immer wüssten, wann etwas als Witz gemeint war und deshalb nicht ernstgenommen werden müsste. Diese Argumentation macht irgendwie Sinn, zeigt aber auch das Problem auf, weil sogar hier davon ausgegangen wird, dass im eigenen Freundeskreis durchschnittlich 1 von 10 vielleicht doch nicht so gefestigt sein und Vergewaltigungswitze falsch verstehen könnte.

Zugegeben, das Ganze steht argumentativ und in Sachen Troll-Fame nur kurz vorm obligatorischen "You're worse than Hitler"-Kommentar, aber: Es kommt immer auf den Kontext an. Was ich meinen drei besten Freunden erzähle und wie unkorrekt diese drei vielleicht aufgrund irgendeines Inside Jokes über eigentlich ernste Themen lachen ist die eine Sache. Aber sobald man an der Schwelle zur Öffentlichkeit steht (und die verschiebt sich mit sozialen Medien ständig), ist eine völlig andere. Und wenn so ein Witz dann auch noch auf einer Bühne fällt, die eigentlich nicht Teil einer Standup-Show, sondern einer Games-Konferenz ist, haben wir es sowieso mit einem völlig eigenen, komplett verrückten Bedeutungsraum zu tun.

"Needless to say, rape, the most heinous crime imaginable. Seems it’s a comic’s dream, though. Because it seems that when you do rape jokes that like the material is so dangerous and edgy. But the truth is it’s like the safest area to talk about in comedy. Cause who’s going to complain about a rape joke? Rape victims? They don’t even report rape. I mean, they’re traditionally not complainers. Like, the worst maybe thing that could happen, and I would feel terrible, is like after a show maybe somebody comes up to you and is like, 'Look I’m a victim of rape, and as a victim of rape I just want to say I thought that joke was inappropriate and insensitive and totally my fault and I am so sorry.' That’s right, let’s take them down a notch! They’ve had it too good for too long, am I right? Let’s take back the night back!"

Sarah Silverman

Alle Fotos via project unbreakable