Magnum-Fotografen zeigen Bilder, die im perfekten Augenblick entstanden sind

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Magnum-Fotografen zeigen Bilder, die im perfekten Augenblick entstanden sind

Eine Schaumparty auf Ibiza, Models aus den 80ern oder Ringer in Delhi: perfekte Magnum-Momente

Florida. Geburtstagsparty in Olympia, einer bewachten Wohnsiedlung, 2005. © Carolyn Drake/Magnum Photos. "Dieses Bild erinnert mich an einen Abschnitt meines eigenen Lebens; ich fühle mich wieder in die Zeit versetzt, bevor ich in meinen 30ern ins Ausland zog. Ich hatte gerade meine Karriere als Fotografin begonnen. War das die Art, wie ich damals die Staaten sah? Da ich nach fast einem Jahrzehnt im Ausland heimgekehrt bin, um neue Bilder zu schießen, verlangt das Bild von mir, dass ich mich damit auseinandersetze, wie meine Wahrnehmung dieses Landes und meine Bildkreation sich geändert haben. Das ist eines der wenigen frühen Bilder von mir, die mir erhalten geblieben sind."

Magnum Photos, die vielleicht prestigeträchtigste Fotoagentur der Welt, ist bald 70 Jahre alt. Das sind fast sieben Jahrzehnte, in denen die Agentur einige der besten Fotografen und Fotografinnen der Welt vertreten hat, von Veteranen wie Bruce Gilden und Stuart Franklin—der das vielleicht berühmteste Bild des 20. Jahrhunderts geschossen hat—bis hin zu Fotografie-Ikonen der Zukunft wie Jonas Bendiksen und Peter van Agtmael.

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Um das bevorstehende Jubiläum zu feiern, hat Magnum viele Fotografen und Künstler gebeten, eine Arbeit auszuwählen, die ihrer Meinung nach das Konzept des "perfekten Moments" perfekt repräsentiert—ein Konzept, das mit dem Magnum-Mitgründer Henri Cartier-Bresson in Verbindung gebracht wird. Er fasste es wie folgt zusammen: "Es gibt einen kreativen Bruchteil einer Sekunde, wenn man ein Bild schießt […] und du musst intuitiv wissen, wann du den Auslöser betätigst […] Wenn du den Moment verpasst, ist er für immer weg."

Weil sie inzwischen alt und weise und großzügig sind, haben unsere Freunde von Magnum beschlossen, Drucke dieser Auswahl im Rahmen ihres "The (More or Less) Decisive Moments"-Sale für 100 Dollar (88 Euro) das Stück zu verkaufen. Unten findest du einige der Bilder, zusammen mit einer kurzen Erklärung des Fotografen.

Micha Bar Am

Jerusalem, Klagemauer. 1989 © Micha Bar Am/Magnum Photos

"Die Klagemauer ist das einzige Überbleibsel eines Tempels des Herodes, der vor mehr als 2.000 Jahren von den Römern zerstört wurde. Die religiösen Juden behandeln die Mauer wie einen Schrein, und die orthodoxe Tradition zwingt die Frauen, in einem getrennten Bereich zu beten. Als eine Gruppe orthodoxer Frauen ihr Recht für sich beanspruchte, zu beten und Gebetsschals zu tragen wie die Männer, wurden sie von Fanatikern brutal angegriffen. Die Polizei reagierte mit Gaskanistern, um die Lage zu entschärfen. Manche der Angreifer warfen die Gaskanister weiter. Die Situation wurde surreal. Der springende Mann schien zu schweben und erinnerte mich an Henri Cartier-Bressons ikonisches Bild."

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Paolo Pellegrin

El Paso, Texas. 2011. Zwei Männer, die versucht haben, die USA illegal zu betreten, rennen über das trockene Flussbett des Rio Grande wieder nach Ciudad Juárez, Mexiko, nachdem Grenzschutzbeamte der USA sie entdeckt haben. © Paolo Pellegrin/Magnum Photos

"Wenige meiner Bilder passen in Cartier-Bressons Definition des entscheidenden Moments. Ich denke, das liegt hauptsächlich daran, dass ich in Longform arbeite—die Geschichte entfaltet sich erst über eine Reihe von Bildern hinweg. Obwohl man auch behaupten könnte, dass jeder Augenblick, in dem ein Fotograf den Auslöser drückt, ein entscheidender Moment ist, denn in dem Moment trifft er eine Reihe recht mysteriöser Entscheidungen, die alle zu diesem Bild führen.

Dieses Bild war ein entscheidender Moment, weil es einen sehr flüchtigen Augenblick einfängt. Ich war dabei, Bilder von der Brücke zu schießen, die El Paso und Ciudad Juárez miteinander verbindet, als ich etwas aus dem Augenwinkel sah. Zwei junge mexikanische Männer, die versucht hatten, über den Zaun in die USA zu gelangen, rannten so schnell sie konnten zurück auf die mexikanische Seite, nachdem die Grenzbeamten sie entdeckt hatten."

Abbas

Paris, 19. Arrondissement. Yves St. Laurent 1985 Haute Couture. Kollektion fotografiert vor La Géode im Parc de la Villette. © Abbas/Magnum Photos

"Ich überlasse den 'entscheidenden Moment' Henri. 'Entscheidend' erweckt den Eindruck, der Moment sei eingefroren. Seit 50 Jahren ist meine Fotografie schon eine Aneinanderreihung von 'schwebenden Momenten'—die Figuren in meinen Fotos waren nicht eingefroren, sondern machten weiter das, was sie getan hatten, bevor ich sie fotografierte.

Seit mehr als 30 Jahren glättet die Assistentin inzwischen den Mantel; ein Model steht kurz davor, auf die Brüstung zu hüpfen, während ein anderes gerade herunter will; zwei schöne Frauen liegen elegant auf dem Stein, während der Wind durch ihre Kleider weht. Seit mehr als 30 Jahren befindet sich meine Kamera ganz vorne und wartet schon ungeduldig auf ihren Einsatz. Das war mein erster Fashion-Shoot mit den Topmodels der damaligen Zeit."

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David Alan Harvey

Ibiza. 1991. Schaumparty. © David Alan Harvey/Magnum Photos

"Es kann wirklich lange dauern, bis der entscheidende Moment kommt. Dieser hier kostete mich zum Beispiel zwei Wochen meiner Zeit. Die Schaumparty im Club Amnesia in Ibiza findet nur einmal die Woche statt. Ich musste das in der ersten Woche erst einmal mit eigenen Augen sehen, um überhaupt zu wissen, was ich tun soll. Zuerst dachte ich, dass ich mich ins Chaos begeben würde, was ich auch tat. Ich bekam einige gute Bilder hin, aber ich hatte den Eindruck, von oben würde ich den Massenhedonismus besser abbilden können, wie Dantes Inferno.

Ich musste erst die Erlaubnis bekommen, mich unter der Decke auf dem Lichtgerüst zu positionieren. Am Ende habe ich ganz genau ein Bild auf meinem Kodachrome-Film gehabt, das so aussah. Die Clublichter haben immer wahllos in verschiedenen Farben aufgeleuchtet, und es gab nur dieses, das die Atmosphäre vermittelte, die mir vorgeschwebt hatte. Zwei Wochen für eine Gelegenheit, die buchstäblich zwei Sekunden lang war. Das war es natürlich wert."

Raghu Rai

Delhi. Ringer durch ein bemaltes Tor, Pabarganj, 1998. © Raghu Rai

"Dieses Bild habe ich 1988 geschossen, als ich an meinem zweiten Buch über Delhi arbeitete. Als ich vorbeifuhr, sah ich den Haupteingang dieser Ringer-Anlage, Akhara, die bunt mit zwei Männern in Ringerpose bemalt war. Ich hielt an, und als ich das Tor aufschob, sah ich innen das hier. Ich blieb an genau der Stelle stehen und schoss ein paar Fotos, bei denen die echten und gemalten menschlichen Körper in bestimmte Beziehungen zu einander traten, dankte ihnen, schloss die Tür, und ging wieder.

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Es gibt bestimmte Situationen, die physisch sehr dramatisch und eindrucksvoll sind, aber du musst einfach auf den Moment warten, in dem gewisse Elemente—in diesem Fall menschliche Formen und körperliches Handeln—einen gewissen Rhythmus annehmen und die Stärke und Struktur des Bildes verbessern. Dadurch entsteht eine gewisse Dynamik. Natürlich waren hier die Farben dramatisch und die Formen haben ihr Übriges getan, und so scheint der entscheidende Moment auch wieder zu verschwinden."

Steve McCurry

Pakistan, 1983. © Steve McCurry/Magnum Photos

"Tee ist so ein wichtiger Teil der pakistanischen Kultur, dass die Teepflanze sogar auf dem Wappen des Landes abgebildet ist. Tee wird zu jeder Mahlzeit serviert, zu Teepausen während des Arbeitstags und bei jedem gesellschaftlichen Anlass. Der flüchtige Augenblick in diesem Bild zeigt, welch ein integraler Bestandteil das Elixier der Nation im Alltag spielt, selbst für die Reisenden in diesem Zug."

Lorenzo Moloni

Tripolis, Libanon. November 2013. Innenansicht einer Wohnung an der Syrienstraße, wo die Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten am gewaltsamsten waren. © Lorenzo Moloni

"Ich habe mehr als ein Jahr lang im Viertel Bab el-Tabbaneh in Tripolis daran gearbeitet, einen politisch angetriebenen religiösen Konflikt zu dokumentieren. Ich besuchte viele Wohnhäuser an der Front, aber die Leute wollten sich nur selten fotografieren lassen, weil sie Angst hatten, also kehrte ich oft nach Hause zurück, ohne meine Kamera überhaupt einzuschalten.

"An dem Tag, als ich dieses Foto schoss, stieg ich die Treppe zum obersten Stockwerk eines Gebäudes hoch, das von Schüssen durchsiebt war. Als ich eine Wohnung verließ, drehte ich mich um und sah die Kinder dort auf den Sesseln vor der zerstörten Wand; ihr Anblick schien für mich perfekt zusammenzufassen, wie Familien inmitten des Konflikts lebten. Mit einem Fuß in der Tür hob ich die Kamera und drückte den Auslöser."

Signierte Drucke oder Drucke mit Nachlassstempel von mehr als 60 Magnum-Fotografen und –Künstlern (Preis: 100 Dollar/88 Euro) sind noch bis Freitag, den 10. Juni 2016 um 23 Uhr (voraussichtlich also bis zum Morgen des 11. Juni europäischer Zeit) auf shop.magnumphotos.com erhältlich.