FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

'Geißel des Fleisches' ist feinste 60er-Jahre-Sexploitation mit Herbert Fux als Triebtäter

Dieses trashige Sittenbild mit Proleteninspektoren beweist wie moralisierende Busenfilmchen in Österreich schon sehr früh die Runde machten.

Herbert Fux war DER österreichische Nebendarsteller—wie anderswo Luis Guzman, Abraham Benrubi oder einst Steve Buscemi—, den zwar jeder sofort erkennt, aber bei dem man trotzdem nicht genau weiß, woher oder warum. Fux war immer der obligate Pfarrer, Bösewicht, Polizist, Wirt, Sandler oder Taxifahrer, der wusste, wie er eigenartigen Filmen seinen Grant-Charakter einhauchen konnte.

1965 hatte er seinen großen Durchbruch mit der Hauptrolle als Triebtäter in diesem unserem heutigen Lieblings-Alpenrepu-Flick  Geißel des Fleisches, bei dem man sich leicht in den Dunstkreis von oberflächlich moralisierenden Erotikfilmen wie  Schulmädchenreport oder die bayrische „Lederhosen"-Reihe versetzt fühlt. Aber wir waren schon vor den Deutschen scharf auf Busenfilme vor einem pseudo-pädagogischen Hintergrund. Also, Film ab!

Anzeige

Ein Klavierspieler, der auch gerne feinschraffierte Zeichnungen von nackten Damen mit Messer im Rücken anfertigt, wird verhaftet und des mehrfachen Frauenmords beschuldigt.

In einer Erzähltechnik, die in ihren Grundzügen so etwas wie die Wiener Version von Rashomon sein könnte, wohnen wir der Gerichtsverhandlung bei, die mit Flashbacks durch eine Handlung aus verschwitzten Kellerbars, lustvoll gierenden Blicken und lynchesken Mädchenauktionen mit Schaukelpferd führt.

Inspektoren, die in ihrem speckigen Erscheinungsbild Helmut Qualtinger oder Werner Gruber Konkurrenz machen könnten, versuchen die Figur von Fux mit verschiedensten Mitteln zu überführen. Denn sie wissen, dass so ein hässlicher Irrer—wie er vor Gericht und von allen Protagonisten gnadenlos klassifiziert wird—Frauen nur im Zuge einer sexuellen Gewalttat näher kommen kann.

Die Polizei mit Pornobart verleiht den Ermittlungen und somit diesem ganzen „Titten-Tatort" eine Spannung, als ob jemand im Rausch noch einmal die Wirtshausrechnung Schritt für Schritt überprüfen würde.

Ich finde, der junge Fux ist eigentlich ziemlich smooth und hat was von John Cassavetes. Auch wenn er im lässigen Oldtimer stumm Zigarette rauchend Frauen nachstellt, ist seine Figur wahrscheinlich das Ansprechendste in dieser doch sehr plumpen Ansammlung von Trash.

Fux schafft es tatsächlich, ein wenig Mysterium und Stil zwischen die teils nackten Laienschauspielerinnen zu zaubern.

Anzeige

Schlussendlich geht der Klavier spielende Lustmolch in die Falle einer hübschen Polizeibeamtin, schrecklich nasal gespielt von Edith Leyrer. Sie wirft sich als Wurm am Haken übertrieben promiskuitiv dem notgeilen Triebtäter an den Hals.

Der Showdown zeigt ihre Strapse, aber auch Gerechtigkeit in letzter Instanz. Die Figur von Fux wird schuldig gesprochen—nach einem typisch österreichischen, emotionalisierten und schwer parteiischen Verfahren, wie wir das heute leider eher gegen die Opfer gerichtet kennen.

In Bezug auf offensichtliche Schleichwerbung steht Geißel des Fleisches modernen Blockbustern um nichts nach. Ob Gösser damals wirklich Geld gezahlt hat, um in einem schleißigen Krimi mit Nacktszenen aufzutauchen? Ich bin mir ziemlich sicher.

Die allmächtige Kaufkraft passt auch in dieses Sittenbild, das ein Wien ohne Liebe und nur aus Prostitution bestehend zeichnen will—ein Remake könnte man heute noch am Gürtel drehen.

Im Gesamtresümee fällt auf, dass Geißel des Fleisches von Regisseur Eddy Saller etwas von einem Russ Meyer-Film hat, wenn man den liebäugelnden Zugang zur weiblichen Oberweite oder die selbstironische mahnende Predigt von Sittlichkeit bedenkt—obwohl es schwer zu sagen bleibt, ob es sich hier tatsächlich um ein gewolltes, satirisches Element handelt wie bei Meyer.

Falls der erhobene Zeigefinger keine Intention sein sollte, dann wäre die seriöse rechtliche Verpackung von Geißel des Fleisches als strenge Milieustudie fernab der aufrechten Bürger, aber mit langen Duschszenen, mehr als heuchlerisch. So eine Message würde sich wie ein verdrehtes Des Kaisers neue Kleider der österreichischen Sixties anfühlen.

Anzeige

Obwohl Herbert Fux mit allen Größen von Klaus Kinski, über Franz Antel bis Ingmar Bergmann gearbeitet hat, sind es seine Sexploitation-Filme und Softsexler, die aus der großteils nebendarstellerischen Schaffensliste stechen: Egon Schiele—Exzesse, Zärtlich, aber frech wie Oskar, Hexen bis aufs Blut gequält, Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne oder auch Lady Frankenstein.

Aber hey, viele der großen Schauspieler haben mit billigen Erotikfilmen angefangen. Und wenn wir uns ehrlich sind, gibt es auch nichts dagegen einzuwenden, sein thespisches Lebenswerk mit diesem schmuddeligen Genre zu beenden. Sehr unfair erscheint es mir jedoch, dass Herbert Fux' ambitionierte Politkarriere bei seiner 1982 mitgegründeten Partei VGÖ durch eine Schmierenkampagne im Bezug auf sein privates Sexualleben zunichte gemacht wurde. 2007 starb Fux in der Schweiz im Rahmen des dort legalen Euthanasieprogramms.

Ihr könnt den Fernseher kaum einschalten ohne den Salzburger vorbeihuschen zu sehen, ob das nun SOKO Kitzbühel, Silentium oderder Kaisermühlen Blues ist. Herbert Fux ist eine spannende und irgendwie tragische Figur des österreichischen Films. Für mich hat er in Geißel des Fleisches seine Paraderolle gefunden, cool wie James Bond nur eben als Sexualstraftäter—was 007 ja auch irgendwie war. Chapeau Fux.

Und bald geht es weiter mit unserer heimischen versauten Filmlandschaft, denn die Tür der österreichischen Exploitation ist erst ein Stück weit aufgestoßen.

Auf Twitter könnt ihr dann Josef nachstellen: @theZeffo

Edith Leyrer. Das gesamte Bildmaterial sind Screenshots aus dem Film Geißel des Fleisches (Donau-Film).