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Warum die Aufklärung der Straftaten von der Silvesternacht in Köln so schwierig ist

„Stellen Sie sich vor, alle versuchen Sie zu betatschen und Sie wollen nur Ihren Körper schützen, da können Sie kaum mehr zu den Gesichtern sagen."

Krisentreffen in Köln und die Stadt ist immer noch schockiert von den Vorfällen in der Silvesternacht. Während die meisten einfach feierten, ist eine Vielzahl von Frauen von Männern sexuell bedrängt und beklaut worden. Das alles geschah auf dem Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof, direkt neben dem Dom. Bis Dienstag liegen der Polizei 90 Anzeigen vor, darunter eine wegen Vergewaltigung. „Es gibt bislang keine Tatverdächtigen", sagte der Kölner Polizeipräsident in der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag. Man müsse das umfassende Videomaterial, das bei der Polizei eingegangen sei, nun auswerten. Trotz der Ereignisse hatte die Polizei zunächst in einer Pressemitteilung über die Silvesternacht von einer „entspannten Einsatzlage" gesprochen. Der Polizeipräsident Wolfgang Albers erklärte gestern, dies sei falsch gewesen.

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Screenshot von YouTube aus dem Video „Massenhafte sexuelle Übergriffe an Silvester in Köln" von N24

Die Zustände vor dem Hauptbahnhof in der Silvesternacht waren völlig chaotisch. Etwa vier- bis fünfhundert Personen sammelten sich laut Polizeiangaben schon gegen 21 Uhr auf den Treppen vor dem Dom an, alles junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren, scheinbar aus dem nordafrikanischen Raum. Sie fielen der Polizei auf, weil sie stark alkoholisiert waren und Feuerwerkskörper in die Menge feuerten. Zwei Stunden später waren es schon tausend Personen auf dem Platz. Die Stimmung kippte, wurde immer aggressiver, als „völlig enthemmt" beschreibt der leitende Polizeidirektor Michael Temme die angetrunkenen Männer. Die Polizei räumte daher die Treppe und den Platz, aber die Menge fand sich gegen 0:45 Uhr wieder zusammen.

Noch in der Nacht liefen bei der Polizei und der Bundespolizei die ersten Anzeigen ein: Diebstähle und sexuelle Belästigung. Daraufhin habe der Einsatzleiter alle Kräfte am Bahnhofsplatz zusammengezogen, gezielt Frauen angesprochen und sie durch die Menge bis zur Tür des Hauptbahnhofes begleitet und beschützt, so der Polizeidirektor Temme. Weiterhin hätten Zeugen immer wieder ein ähnliches Vorgehen der Männer geschildert. Aus der großen Menge hätten sich Gruppen von 2 bis zu 20 Männern gebildet, hätten die Frauen eingekreist, teilweise unsittlich berührt und beklaut. „Diebstähle, bei denen Frauen bewusst unsittlich berührt werden, um sie abzulenken, sind bekannt", sagte ein Sprecher der Kölner Polizei gegenüber VICE. „Dass sie dabei aber von Gruppen aus Männern umzingelt werden, das ist ein ganz neues Phänomen."

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Es ist eine Masche, die den Tätern Schutz bietet, wie der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, im Radiosender NDR Info sagte: „Eine Absprache der Täter, die die Masse der Menschen nutzen, die Dunkelheit und den Überraschungseffekt, um nach vollzogener Tat wieder unerkannt zu entkommen." Das ist den Tätern bislang auch gelungen, zwar gab es am 03. Januar Festnahmen von Taschendieben am Hauptbahnhof Köln, die auch Frauen bedrängten, ob diese Männer mit den Tätern vom Silvesterabend im Zusammenhang stehen, ist bislang allerdings unklar.

Krisentreffen in Köln, Foto: Anna Neifer

Die Oberbürgermeisterin Reker empfahl Frauen, eine Armlänge Abstand zu halten und nicht mit Fremden mitzugehen. Der Hashtag #eineArmlänge trendete gestern auf Twitter und zahlreiche User werteten diese Aussage als Verkehrung der Täter-Opfer-Rolle.

Fest steht, dass es den Zeugen schwerfällt, die Täter wiederzuerkennen. „Stellen Sie sich vor, Sie sind umringt von Männern, alle versuchen, Sie zu betatschen, und Sie wollen nur Ihren Körper schützen, da können Sie kaum mehr zu den Gesichtern sagen, als dass sie jung aussahen oder aus dem nordafrikanischen Raum", erklärt eine Sprecherin der Kölner Polizei gegenüber VICE.

Die Oberbürgermeisterin Reker erklärte gestern, dass viele der Frauen keinen Notruf absetzten, aus Angst, sofort ihr Smartphone abgenommen zu bekommen.

Der Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte Aufklärung an, man arbeite mit Hochdruck daran, die Täter ausfindig zu machen. Er sprach auch über die Personen, die dabei standen: „Alle, die dafür gesorgt haben, das Frauen nicht flüchten konnten, bewegen sich im Rahmen der Mittäterschaft."

„Wir rechnen damit, das in den nächsten Tagen noch weitere Anzeigen eintreffen", sagte Wolfgang Albers, der Kölner Polizeipräsident in der Pressekonferenz am Dienstag. „Etwa zwei Drittel der Anzeigen stammen von Personen, die nicht in Köln wohnen. Es dauert, bis diese dann bei uns eingehen."