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​Was hinter Bordell-Freikarten für Flüchtlinge steckt

Und was rassistische Hetze mit dem Karneval zu tun hat.

Soziale Medien sind großartig. Noch nie waren wir so verbunden, und noch nie war es so einfach, Ideen und Informationen so schnell an so viele Menschen zu bringen. Das Problem: Auch dumme Ideen und falsche Informationen verbreiten sich rasant schnell—meistens sogar schneller als die Wahrheit.

Zum Beispiel diese Bilder von „Freikarten für den Bordellbesuch", die sich einige wutschnaubende „Asylkritiker" gerade emsig hin- und herschicken—mit dem Hinweis, die würden gerade an Flüchtlinge verteilt. So sieht das ganze dann aus:

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Screenshot via mimikama.at

„Schaut mal!", schreiben die Poster hochempört. „Für die armen Asylbewerber, die ihre Triebe nicht im Griff haben!" Spätestens jetzt muss man sich fragen, ob diese ganzen Facebook-Hetzkampagnen nicht doch ein riesiges Satireprojekt sind.

Aber gut, es gibt Leute, die glauben, Flüchtlinge würden Kinder essen. Sind Freikarten fürs Bordell da nicht einigermaßen glaubhaft? Immerhin hat ein Pfarrer in Bayern genau das letzten März tatsächlich mal vorgeschlagen—was von rechten Blogs wie dem des Kopp-Verlags mit wonnigem Wutgeheul aufgenommen und weiterverbreitet wurde. Zu reizend die Vorstellung, dass der jämmerliche Gutmenschen-Sozialstaat den Flüchtlingen nun auch noch den Sex spendiert (auf Kosten der Steuerzahler, natürlich!), nur um sie davon abzuhalten, über unsere Frauen herzufallen!

Trotzdem sind diese Karten ziemlich leicht als Fakes zu entlarven. Wie die Webseite mimikama schon bemerkt hat, gibt es nämlich überhaupt kein „Sozialamt des Freistaates Bayern"—Sozialämter gibt es immer nur in den einzelnen Städten. Und wenn es eines gäbe, würde es bestimmt keine Rechtschreibfehler („Abbiß" statt „Abriss") auf seinen Karten machen. Und zuletzt: Im katholischen Bayern würde man wahrscheinlich auch keine Hinweise auf evangelische Feiertage geben.

Aber macht ja nichts, es gibt dieselben Karten nämlich angeblich auch in anderen Städten:

Im Fall der vermeintlichen Karte aus Graz gibt es bereits seit Längerem ein offizielles Dementi der Stadt. Aber wo kommen diese Fakes her? Wurden sie mit Photoshop erstellt, um Asylkritiker auf die Barrikaden zu treiben?

In diesem Fall ausnahmsweise nicht. Tatsächlich haben die „Bordell-Freikarten" einen denkbar harmlosen Hintergrund: Es handelt es sich um ganz banale (und ziemlich alte) Scherzartikel. Auf der Webseite lachschon.de gab es die zum Beispiel schon 2011 zu sehen. Wie mimikama herausfand, gibt es diese Karten schon seit mindestens 1989. Die Hetzer benutzen jetzt also schon Faschings-Artikel, um dumme Menschen wütend zu machen.

Wer aus Flensburg kommt, kann sich übrigens hier seinen eigenen Bordellschein ausdrucken und es einfach mal ausprobieren. Wenn es nicht klappt, kann man ja immer noch den Flüchtlingen die Schuld geben.