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Wenn Rechte auf Satire reinfallen und die Karlskirche für eine Moschee halten

Mitglieder von rechten Facebook-Gruppen haben irrtümlich einen alten Artikel der Tagespresse für echte Nachrichten gehalten.

Die politische Rechte hat seit längerem ein schwieriges Verhältnis zu Satire. Das gilt sowohl für Politiker als auch ihre Wähler. Nachdem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mehrmals Scherz-Artikel für echte Nachrichten gehalten hat, sind jetzt auch einige fremdenfeindliche Facebook-Gruppen durch kaputte Satire-Detektoren aufgefallen.

Wie DerStandard.at berichtet, gab es in mindestens zwei solcher Gruppen—nämlich „Unsere Werte, unsere Heimat" und „Asylmissbrauch STOP St. Pölten"—aufgeregte Wutbürger-Postings, weil einige Mitglieder eine Meldung der Tagespresseaus dem vergangenen Sommer ein bisschen zu wörtlich genommen haben.

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Die Headline auf der Satireseite: „Strache will Moschee am Wiener Karlsplatz abreißen". Das fanden einige besorgte Bürger und Islamisierungskritiker so bedenklich (und anscheinend auch so glaubwürdig), dass sie gleich die Sprengung forderten. Dass am Karlsplatz gar keine Moschee steht, sondern eine katholische Kirche, die von islamischer Architektur geprägt ist, tut anscheinend nichts zur Sache. Der Running Gag aus dem Jahr 1716 funktioniert also immer noch—nur kommt die Pointe heute aus einer anderen Richtung.

Den geteilten Tagespresse-Artikel dürften die Rechten übrigens nicht gelesen haben. Darin kommen nämlich entwaffnend eindeutige Scherzsätze vor wie: „Mit einer Burka getarnt postierte sich der FP-Chef einen Tag lang vor der Moschee, um sich ein Bild von der Lage zu machen." und: „,Die Nuklearbombe könnte unter Umständen also sogar radioaktiv sein', befürchtet Strache und deutet auf seine Ray-Ban-Sonnenbrille, die er bereits zum Schutz vor atomarer Strahlung trägt."

Bene Falter, der die Idee zum Artikel hatte, steht dem Ganzen mit gemischten Gefühlen gegenüber. „Einerseits ist da natürlich schon eine gewisse Schadenfreude vorhanden, andererseits halt schon auch erschreckend", sagt er. „Wenn man bedenkt, dass die Artikel der Tagespresse doch vermeintlich einfach als Satire erkennbar sind, will ich mir gar nicht vorstellen, was man mit etwas weniger offensichtlichen Falschinformationen noch alles anrichten könnte."

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Bei Fritz Jergitsch, dem Gründer der Tagespresse, dominiert die Schadenfreude. „Ich finde, es sagt etwas über die oberflächliche Internetnutzung aus", sagt er uns gegenüber. „Eine Schlagzeile wird gelesen und ohne Nachdenken geglaubt—vor allem dann, wenn die eigenen Ansichten bestätigt werden. Ich bin da ehrlich gesagt schadenfroh."

Dass man es mit Fakten und Geschichte nicht immer so genau nehmen muss, solange die Nachricht der eigenen Agenda dient, haben die „kritischen Bürger" durchaus auch von den Freiheitlichen vorgelebt bekommen.

Das Problem ist nicht die Lügenpresse, sondern die fehlende Fähigkeit, Wahrheit im Netz noch zu erkennen.

Alleine FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache teilte im Juli 2014 einen Artikel des Postillion, in dem es hieß „USA drohen EU mit Sanktionen, falls EU Sanktionen gegen Russland nicht verschärft"; am 1. April 2015 fiel er auf den Aprilscherz der Presse herein, die behauptete, dass unserer Schnitzelpanier ein EU-Verbot drohe; und im September 2015 postete die Seite HC Strache eine Satiremeldung von AMR-Online mit der rhetorischen Begleitfrage: „Wird der IS doch von den US unterstützt?"

Das Problem ist also vielleicht nicht unbedingt die sogenannte Lügenpresse, die uns die Wahrheit verschweigt; das Problem ist die fehlende Quellenkritik selbsternannter „Asylgegner" und „Zuwanderungskritiker", die sich im sozialen Netz immer schwerer tun, dieWahrheit noch von Satire und Lügen zu unterscheiden.

Markus auf Twitter: @wurstzombie