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Woran du merkst, dass es Zeit ist, in eine andere Stadt zu ziehen

Eure Lieblingsclubs werden von Selfiestick-Touristen überrannt und ihr habt alles weggedatet, was atmet? Zeit, endlich umzuziehen.

Foto: Fabrizio Morroia | Flickr | CC BY 2.0

Zum Studium nach Wien, den ersten Job dann in Berlin und sobald man bereit für ernsthafte Familienplanung und richtiges Erwachsensein ist, wird eben aufs Land gezogen. Wir sind jung, wir sind flexibel und wer es nicht ist, der muss spätestens nach der zehnten Jobabsage seine Vorstellung davon, niemals die eng gesteckte Heimat zu verlassen, aufgeben. Trotzdem ist es natürlich schön, sich irgendwo sein eigenes, kleines Zuhause zu schaffen, eine persönliche Beziehung zu SEINER Supermarktkassiererin aufzubauen und mit allen Tankstellen-Besitzern im Umkreis von 10 Kilometern per du zu sein.

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Mit dem Baseballschläger gegen Nazis: Aufgewachsen in einer Berliner Türkengang.

Wäre da nicht manchmal dieses seltsame Grummeln im Bauch, dieses dumpfe Gefühl, dass da draußen doch eigentlich noch eine ganze Welt auf einen wartet. Diese Frage, ob das jetzt wirklich alles gewesen ist. Doch hadere nicht länger mit dir und zerbrich dir den Kopf darüber, ob du wirklich bis zu deinem Lebensende in deiner Ein-Zimmer-Wohnung in Graz sitzen möchtest—hier kommen die unmissverständlichen Hinweise dafür, dass es Zeit ist, deiner aktuellen Stadt den Rücken zu kehren und dir eine neue Heimat zu suchen.

Es gibt niemanden mehr, den du daten kannst

Wir sind ja noch alle jung. Wahrscheinlich. Oder fühlen uns im Zweifelsfall so. Und wenn wir diversen Medienunternehmen (unter anderem uns selbst) glauben, fällt es unserer Generation nicht ganz so leicht, den Partner fürs Leben—oder überhaupt für irgendetwas—zu finden. Gerade dann, wenn du in einer Kleinstadt lebst und nach 25 Jahren Lebenszeit plötzlich niemand mehr übrig ist, der sich unvorbelastet daten lässt. Selbst in Großstädten gibt es irgendwann den Punkt, ab dem Tinder keine neuen Matches mehr in deiner Umgebung ausspuckt, und wenn die Wiederbelebung deines Dating- und Sexlebens kein Grund für dich ist, die Koffer zu packen und zu neuen Ufern aufzubrechen, dann hast du es wahrscheinlich auch nicht anders verdient. Oder schaust du Game of Thrones auch nur wegen den Inzest-Szenen.

Du befindest dich in einer Lebenskrise

Foto: Grey Hutton

„Der Sinn des Lebens ist es, deinem Leben einen Sinn zu geben", rappte Kool Savas einmal und was man mit 14 vielleicht unendlich deep fand, lässt einen mittlerweile mit einem genervten „Danke, Captain Obvious" zum nächsten Track skippen. Tatsächlich können sich aber wahrscheinlich die wenigsten von uns von diesem inneren Antrieb losmachen, der einen dazu bringt, in regelmäßigen Abständen absolut jede Entscheidung in Frage zu stellen, die man jemals getroffen hat. Wer bin ich? Wo will ich hin? Wann werde ich endlich damit aufhören, unterschiedliche Socken zu tragen? Manche schmeißen dann ihren Job und fangen noch mal ein komplett neues Studium an, andere trennen sich von ihrem Lebensabschnittspartner und wieder andere kaufen sich ein Haustier—oder eine Spielekonsole. In Rollenspielen kann man sich schließlich relativ unkompliziert eine komplett neue Existenz aufbauen.

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Wird die Situation aber allzu verfahren und die Frustration nimmt Überhand, gibt es eine relativ unkomplizierte Möglichkeit, den Großteil seines alten Lebensballasts loszuwerden und noch mal ganz neu anzufangen. Mit anderen Menschen, einem anderen Job, in einer anderen Stadt. Vielleicht sogar im Ausland. Ein Umzug kann einem komplett neue Perspektiven eröffnen (oder man kann es sich zumindest einreden) und genau das ist es ja, was einem bei solchen Krisen ungleich weiterhilft.

Deine Stadt wird plötzlich zur Partymetropole/Kulturhauptstadt Europas/Internationalen Crystal-Meth-Hotspot gekürt

Foto: Tim | Flickr | CC BY-SA 2.0

Ach, diese ständigen Moserer von VICE. Irgendwas ist ja immer! Wer bitte ärgert sich darüber, in einer Stadt zu leben, die international zu den spannendsten Reisezielen zählt oder in der Tourismusbranche als der nächste große Insider-Tipp angepriesen wird? Ja, lieber Leser, dein Einwand mag berechtigt erscheinen, aber halte ein. Wenn nämlich erst mal nach New York, Paris oder in den Libanon durchgesickert ist, was an deiner Stadt so superspannend ist, bedeutet das, dass die Sache für die Einheimischen schon längst gelaufen ist. Wenn sie dann kommen, die ganzen euphorischen Weltbürger, das touristische Äquivalent zu Leuten, die gerade erst Money Boy entdeckt haben und jetzt ständig wahnsinnig ironisch „Swag!" sagen, dann ist es Zeit für dich, den Rücktritt anzutreten.

Eine Tour durch Wiens schlimmste Restaurants.

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Du hast deine Stadt an Selfiesticks und Mietpreis-Hochtreiber verloren, die nicht verstehen, dass es in der Partyhochburg auch Menschen gibt, die einem ganz normalen Arbeitsalltag nachzugehen haben. Die Preise in euren Lieblingsbars und Clubs werden steigen, die Bahnen überfüllt sein und im Allgemeinen wird sukzessive alles kaputt gemacht werden, was dich so lange in dieser Stadt gehalten hat. Das klingt ein bisschen hart? Glaub mir: Du willst definitiv weg sein, bevor die ersten Zugezogenen und Dauer-Touristen ironische Lifestyle- und Insider-Blogs über deine Stadt auf Tumblr starten. Was uns dann auch direkt zum nächsten Punkt bringt:

Du hasst alles, was du früher mal liebenswert fandest

Foto: Tom Sartain | Flickr | CC BY-SA 2.0

Ich möchte mit diesem Text nicht all zu fixiert werden, aber: Wer zum Beispiel in die deutsche Hauptstadt zieht, ist zu Beginn meistens von der allgemeinen „Scheißegal"-Attitüde begeistert. Zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch unter der Woche, wird auf öffentlichen Plätzen (obwohl es zum Teil verboten ist) und in den öffentlichen Verkehrsmitteln (obwohl es definitiv verboten ist) Bier getrunken und/oder Drogen konsumiert, dass es eine wahre Freude ist. Und niemand interessiert sich dafür! Wer sich aber jahrelang mit Müll an jeder Straßenecke und bekifften Touris mit Glitzer im Gesicht herumschlagen muss, möchte einfach nur noch raus. Weg. Irgendwohin, wo es schön ist.

Noisey: Welcher Song ist deine U-Bahn-Linie?

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Alles, was man irgendwann mal aufregend oder charmant fand, ist plötzlich nur eine weitere Sache, die einen im Alltag nervt. Das mag für das Münchner Oktoberfest ebenso gelten wie für die herzlich-offene Art der Kölner oder das kiez-zentrische Abendleben in Hamburg. Das gilt für Großstadtbewohner ebenso wie Großstadtflüchtlinge, die sich auf dem ehemals so entspannten Land plötzlich zu Tode langweilen. Ein bisschen so, wie Frischverliebte die Eigenarten des Anderen am Anfang total liebenswert finden, nach fünf Jahren Zusammenwohnen aber bereit sind, bei einer weiteren Diskussion über die Wahl des Waschmittels einen Mord zu begehen. Apropos Beziehung …

Du findest deine Fernbeziehung nicht mehr irgendwie „OK"

Foto: Emily Flores | Flickr | CC BY-ND 2.0

Ich bin mir sicher, dass es da draußen dutzende Paare gibt, die einem auch ganz ohne angestrengtes Lächeln glaubhaft versichern können, dass es für sie total verkraftbar ist, ihren Lebensabschnittspartner nur am Wochenende zu sehen. Oder alle zwei Wochen, denn je nach Distanz wird die Pendelei zum größeren Kraftakt und irgendwann muss man ja auch noch Zeit für die Sozialkontakte finden, mit denen man nicht schläft. Und ja, vielleicht hält es Beziehungen auch länger spannend, wenn man eben nicht permanent aufeinander hockt und sich nach Tagen der Abstinenz ehrlich auf sich freuen kann.

Offene Beziehung, Fuckbuddys oder Polyamorie—welche ist die beste Beziehungsform?

Trotzdem: Zweisamkeit in Mini-Portionen ist nicht gerade ein Idealzustand für Leute, die sich wirklich und ehrlich lieben. Und irgendwann kommt in jeder ernsthaften Beziehung der Punkt, an dem man sich Gedanken über den nächsten großen Schritt—Kinder, Eigentumswohnung, ein gemeinsamer Hund—macht. All das lässt sich natürlich nur verwirklichen, wenn man in derselben Stadt lebt und solltet ihr vor die Wahl gestellt werden, ob ihr oder euer Lebenspartner dieses Opfer bringt—warum nicht die Chance auf einen Tapetenwechsel ergreifen und für das gemeinsame Leben einen wirklichen Neustart wagen? Außerdem habt ihr mit „Ich habe für dich meine Heimat aufgegeben!" in zukünftigen Streits immer das absolute Totschlagargument zur Hand. Keine Ursache. (Mehr zu diesem Thema womöglich demnächst auf VICE: „Wie ihr mit Psychospielchen und der richtigen Prise Sadismus in Beziehungen immer die Oberhand behaltet")