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JuicyFields: Der womöglich größte Cannabis-Scam aller Zeiten

Hunderttausende sollen bei dem Unternehmen in Cannabis investiert haben – und haben jetzt keinen Zugriff mehr. Wo ihr Geld hin ist? Unklar.
Eine Cannabis-Plantage in einem Treibhaus
Symbolfoto: IMAGO / Cavan Images

Die beiden Lamborghinis waren nicht zu übersehen. Bedruckt mit dem Firmenlogo hatte sie das Unternehmen JuicyFields vor einem Hotel in Barcelona geparkt, als dort im März die internationale Cannabis-Branche für eine Konferenz zusammenkam. Die Nachricht war klar: Hier wird richtig Geld verdient. 

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JuicyFields warb damit, Anleger durch Investitionen in legale Cannabis-Plantagen reich zu machen. Doch inzwischen gibt es Hinweise, dass davon wenig stimmte. Seit Mitte Juli können sich Investoren nicht mehr in ihre Kundenkonten einloggen. Bis zu 500.000 Anleger, so viele waren es laut JuicyFields zuletzt, könnten betroffen sein. Der mögliche Schaden könnte irgendwo zwischen einem zweistelligen Millionenbetrag und mehreren Milliarden Euro liegen. So schätzt eine spanische Anwaltskanzlei, die dort nach eigenen Angaben mehr als 500 Betroffene vertritt, dass über die Crypto-Wallets von JuicyFields mehr als fünf Milliarden Euro liefen. Die Datengrundlage dafür stamme vom Krypto-Analyseservice Etherscan. Alleine in Spanien seien demnach 28.000 Menschen betroffen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, hätte JuicyFields den größten Scam in der Geschichte der Cannabis-Industrie durchgezogen.


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Anfang 2020 ging das damals in Berlin ansässige Unternehmen mit seiner "Cannabis Crowdgrowing Plattform" online. Über Telegram, kleine Nachrichtenseiten und auf Kryptowährungen spezialisierte Foren verbreitete das Marketingteam seine frohe Botschaft: Anleger, sogenannte E-Grower, sollten über JuicyFields in Cannabis-Farmen investieren können, mit Beträgen zwischen 50 und 180.000 Euro. Dazu mussten sie ein Benutzerkonto anlegen, über das alle Transaktionen liefen. Drei Monate später – nach Anbau, Ernte und Verkauf des medizinischen Cannabis – winkten angeblich Renditen von bis zu 66 Prozent. 

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Auf einer Onlineplattform konnten die User aus Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika nicht nur ihren Pflanzen beim Wachsen zusehen, sondern auch ihrem Vermögen. In mehreren Telegram-Gruppe berichtete die JuicyFields-Community von Gewinnen, die ihnen das Unternehmen ausgezahlt habe – ganz einfach als Banküberweisung oder in der Form von Kryptowährung. 

Das lief so bis zum 11. Juli, als sich die Telegram-Gruppen mit besorgten Nachrichten von Anlegern füllten, die plötzlich nicht mehr auf ihre JuicyFields-Konten zugreifen konnten. Fast gleichzeitig hatten JuicyFields-Angestellte verkündet, wegen nicht gezahlter Gehälter zu streiken. Während der Lärm um JuicyFields immer mehr anschwoll, wurde das Unternehmen selbst immer stiller. Für die Veranstalter der Berliner Cannabis-Messe Mary Jane, die in derselben Woche Mitte Juli stattfand, war der Sponsor JuicyFields plötzlich nicht mehr zu erreichen. Die Facebook-, Twitter- und Instagram-Kanäle des Unternehmens sind inzwischen nicht mehr erreichbar, bei YouTube verschwanden nach und nach sämtliche Inhalte. Und mutmaßlich auch das Geld der Investoren. 

Wie mehrere Medien berichten, könnte JuicyFields Investorengelder dafür genutzt haben, andere Investoren auszuzahlen, um so für euphorisches Kundenfeedback zu sorgen. Das hatte dem Unternehmen dabei geholfen, ein Gewinner-Image aufzubauen, das es mit Nachdruck verbreitete. Nicht nur über folierte Sportwagenkarossen, sondern auch über Social Media, über Influencer, Onlinewerbung und Messen. Der Lärm übertönte alle Stimmen, die JuicyFields' fantastische Gewinnankündigungen hinterfragten. Dabei hätte es genug Warnzeichen gegeben.

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Die spanische Finanzaufsichtsbehörde CNMV hatte JuicyFields im Mai auf eine Liste mit Unternehmen gesetzt, die nicht für Anlagegeschäfte zugelassen sind. Und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte im März eine offizielle Warnung zu JuicyFields veröffentlicht. Im Juni untersagte sie dem Unternehmen sein Deutschlandgeschäft. Es hatte keinen Prospekt für seine Angebote veröffentlicht und verstieß damit gegen das Gesetz. Seinen Unternehmenssitz hatte JuicyFields zu diesem Zeitpunkt schon von Berlin nach Amsterdam verlegt. 

Trotz alledem liefen die Geschäfte offenbar weiter. Wie Journalisten der Deutschen Welle berichten, konnten sie auch nach dem Verbot in Deutschland weiterhin virtuell in Hanfpflanzen investieren.

Man würde die aktuell Verantwortlichen gerne fragen, ob die Pflanzen der sogenannten E-Grower jemals existiert haben. Doch die sind schwer zu ermitteln. Der US-Amerikaner Alan Glanse war schon Anfang des Jahres als CEO zurückgetreten. Später führte das Impressum den Südafrikaner Willem van der Merwe als CEO. Doch auch er soll Mitte Juli sein Amt niedergelegt haben. Laut Recherchen von Finanztest führen die Spuren der Hintermänner zu einer Schweizer Holding und Mitgliedern einer deutschen Adelsfamilie. Das spanische Finanzmedium El País Financiero ging wiederum Hinweisen nach, hinter JuicyFields stehe eine Gruppe aus drei Männern mit russischen Pässen. Das soll auch der ehemalige CEO Alan Glanse gegenüber der Onlinezeitung gesagt haben. 

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Die Vorwürfe gegen JuicyFields erinnern an den Scam um die angebliche Kryptowährung OneCoin. Die Deutsch-Bulgarin Ruja Ignatova soll dabei mit Komplizen Anleger um 4 Milliarden Dollar erleichtert haben und steht auf der Liste der meistgesuchten Personen des FBI.

Inzwischen ermittelt die Berliner Generalstaatsanwaltschaft gegen die Juicy Grow GmbH und deren Geschäftsführer. Die BaFin hat laut Finanztest ein Zwangsgeld von einer Million Euro gegen die Juicy Holdings B.V. festgelegt. 

Wenn es sich bei den Vorwürfen doch um ein großes Missverständnis handeln sollte, wäre es an den Verantwortlichen das klarzustellen. Doch danach sieht es momentan nicht aus. Stattdessen wurde auf juicyfields.io ein kryptisches Statement veröffentlicht. Um sich für Rückzahlungen zu registrieren, heißt es darin, sollen Nutzer ein Selfievideo mit dem Personalausweis einsenden. Das klingt jedoch nach keiner guten Idee. Denn diese persönlichen Daten könnten Betrüger leicht missbrauchen.

Du hast selbst Geld über JuicyFields investiert oder verfügst über Information zu diesem Fall? Dann melde dich unter tim.geyer@vice.com.

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