Drogen

LSD, Mushrooms, Ayahuasca: Diese Ärztin hilft dir, Horrortrips zu verarbeiten

Andrea Jungaberle erklärt, wie man sicher und aufgeklärt mit psychedelischen Substanzen umgeht und eine möglichst positive Erfahrung macht.
Die Ärztin Andrea Jungaberle, die in ihrer Praxis eine Therapie anbietet, für Menschen, die auf Psychedelischen Substanzen einen Horrortrip erlebt haben
Foto: Tatjana Dachsel

Ein sonniger Nachmittag im Grünen, gute Freunde und eine halbe Pappe für jeden: Das kann das Rezept sein für einen wahnsinnig lustigen Nachmittag, bei dem man gemeinsam Tränen lacht, bis einem der Bauch weh tut. Eine ganze Pappe, runtergespült mit einer Flasche Schnaps, nachts allein auf einem Festival mit trippiger Deko, kann dagegen unter Umständen ziemlich gruselig werden. Wenn das passiert, kann Andrea Jungaberle helfen. 

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Die Anästhesistin und Notärztin arbeitete früher vor allem in der Notfallversorgung. Mittlerweile leitet die 40-jährige Ärztin eine Praxis in Berlin, die seit Februar 2021 auch eine speziell entwickelte psychedelische Integrationstherapie anbietet. Wer eine belastende Erfahrung mit LSD, Magic Mushrooms oder Ayahuasca gemacht hat, kann dort gemeinsam mit einem Therapeuten den Trip aufarbeiten. Wir haben mit Andrea Jungaberle übers Hängen bleiben, realistische Risiken, gefräßige Riesenspinnen und Safer Use gesprochen.  

VICE: Frau Jungaberle, Forschende weltweit beschäftigen sich seit geraumer Zeit wieder mit der Frage, ob Psychedelika wie LSD, Psilocybin oder Ayahuasca bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen helfen können. In dem Zusammenhang heißt es oft, es gebe eigentlich gar keine Horrortrips. Stimmt das? 
Andrea Jungaberle:
Viele Trips, bei denen man etwas Negatives erlebt, sind einfach anspruchsvolle oder herausfordernde Erfahrungen, über die man gerade durch das Erlebte etwas über sich selbst oder die Welt verstehen kann. In der Regel kann man diese Erlebnisse aber schon während oder nach der Erfahrung positiv auswerten. Aber es gibt auch echte Horrortrips. Zum Beispiel, wenn sich jemand über Stunden in einem als bedrohlich empfundenen Zustand befindet, der Todesangst auslöst. Aus solchen Erfahrungen kann man oft erstmal nichts Positives ziehen. Menschen, die das Pech haben, so was zu erleben, brauchen Hilfe. Und die bieten wir mit der Integrationstherapie an.

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Warum eigentlich Integration? 
Integration meint, dass man aus der psychedelischen Erfahrung etwas lernt, damit arbeitet und das Gelernte dann in seinem Leben integriert. Dass also im besten Fall irgendeine Veränderung des eigenen Verhaltens oder Blickwinkels folgt. Diese integrative Haltung würde ich prinzipiell jedem ans Herz legen, der eine psychedelische Erfahrung macht. Das beginnt damit, dass ich mir vorher überlege, was ich da einnehmen will, mit wem und warum. Man läuft eher Gefahr, im Anschluss eine Therapie zu brauchen, wenn man sich vorher keine Gedanken gemacht hat. Je besser die Erfahrung vorbereitet ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man die Integration selbst hinkriegt. Aber das ist natürlich keine Garantie.

Was meinen Sie? 
Es gibt auch Leute, die zwanzig Jahre Erfahrung haben, und denen dann beim hundertsten Trip ein Unfall passiert. Das muss nicht mal eine hohe Dosis sein. Jeder, der eine psychedelische Erfahrung sucht, setzt jedes Mal seine psychische Integrität aufs Spiel. Das muss einem klar sein. Das gilt für Menschen, die psychedelische Substanzen selbst anwenden. Das gilt aber natürlich auch für Menschen wie mich, die Patienten mit Psychedelika behandeln, wie zum Beispiel in der Studie mit Psilocybin an der ich beteiligt bin. Psychedelika sind einfach kein Spielzeug. 

Gibt es Personen, die besonders gefährdet sind? 
Auf jeden Fall. Psychisch gesunden Menschen gelingt es oft besser, intensive psychedelische Erfahrungen zu integrieren. Aber durch die Forschung zu der möglichen Wirkung von Psychedelika bei psychischen Erkrankungen und die Berichterstattung darüber, gibt es immer mehr Menschen, die beispielsweise depressiv sind oder an einer Angsterkrankung leiden oder die eine traumatische Erfahrung gemacht haben, und die versuchen, sich selbst zu therapieren. Auch deshalb, weil es eine legale Behandlung mit Psychedelika derzeit einfach noch nicht gibt. Und wenn der Trip dann eine überwältigende Erfahrung ist, ist eine Integration ohne therapeutische Begleitung nicht immer möglich. 

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"In der psychedelischen Erfahrung geht es sehr oft um Akzeptanz. Menschen, die es schaffen, darauf zu vertrauen, dass sie unbeschadet rauskommen, kommen tatsächlich besser durch die Erfahrung als Menschen, die sich mit Händen und Füßen wehren."

Gibt es Erlebnisse, die besonders schwer zu integrieren sind? 
Es sind oft angstbesetze Dinge, oder schambesetzte Erlebnisse, die schwierig zu integrieren sind. Zum Beispiel, dass man das Gefühl hat, die eigene Psyche sei zerbrochen oder man habe die Welt kaputt gemacht. Oder man begegnet dem ultimativ Bösen. Oder man erlebt einen Sterbeprozess. Das kann alles Mögliche sein. Vielleicht hat man das Gefühl zu verbrennen, oder man wird von einer Riesenspinne aufgefressen. Das sind Erfahrungen, die stark an unsere Urängste anknüpfen. Es geht um Hilflosigkeit, Überwältigung und Ohnmacht. Oft ist das Problem auch, dass es die Person dann in der Erfahrung nicht schafft, sich diesem negativen Erleben hinzugeben. 

Warum ist das ein Problem? 
In der psychedelischen Erfahrung geht es sehr oft um Akzeptanz. Menschen, die es schaffen, darauf zu vertrauen, dass sie unbeschadet rauskommen, kommen tatsächlich besser durch die Erfahrung als Menschen, die sich mit Händen und Füßen wehren. Dann wird es meistens immer schlimmer. Dann kommt man unter Umständen aus der Erfahrung und kann nicht verkraften, was man erlebt hat. Das kann auch über den Trip hinaus Auswirkungen haben. Schlafstörungen zum Beispiel, oder Appetitlosigkeit, Stress und Angstreaktionen. Das ist dann eine Situation, in der man eine Integrationstherapie gut brauchen kann. 

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Man braucht also vor allem bei negativen Erlebnissen Therapie? 
Nicht zwingend. Es kommen auch Menschen zu uns, die eine wichtige Erkenntnis gewonnen haben und dann nicht genau wissen, was sie damit im Alltag machen sollen. Das können praktische Dinge sein, wie zum Beispiel, dass jemand während des Trips verstanden hat, warum er raucht, und dass er nun damit aufhören will, aber nicht weiß, wie. Oder auch biografische Zusammenhänge. Dass zum Beispiel jemand begreift, warum früher zu Hause immer so dicke Luft war, und die beteiligten Personen jetzt in einem anderen Licht sieht und das gut integrieren will. Oder mir fällt eine Frau ein, die Jahre später erst während einer psychedelischen Erfahrung verstanden hat, dass ihre allererste Paarbeziehung missbräuchlich war. Früher konnte sie das nicht einordnen, weil ihr die Bewertungskriterien gefehlt haben. Während der psychedelischen Erfahrung hat sie dann die vergangene Situationen noch mal durchlebt und besser verstanden. Da kann man dann in der Therapie drauf gucken, wie sich das zum Beispiel auf spätere Beziehungen ausgewirkt hat. 

Wie kommt es, dass man unter dem Einfluss von Psychedelika überhaupt solche Erkenntnisse hat? 
Dazu gibt es verschiedene Theorien, aber noch keine eindeutige Antwort. Die Theorie, die mir auf neurobiologischer Ebene am sinnvollsten erscheint, besagt, dass durch die Substanzen plötzlich Hirnareale miteinander sprechen, die sonst nicht miteinander kommunizieren. Man muss sich das so vorstellen: Bestimmte Areale in unserem Gehirn haben Arbeitsgruppen gebildet und sind es gewohnt zu kooperieren. Durch Psychedelika kommen plötzlich neue Mitarbeitende dazu. Dadurch werden andere Stimmen und Bilder zugänglich. Dinge werden anders erinnert oder es entstehen gedankliche Zusammenhänge, die vorher nicht möglich waren. Das kann man auch im MRT sehen, wenn man die Stoffwechselaktivierung und den Blutfluss während eines Trips misst. Was viele Menschen berichten, passt dazu. Sie können plötzlich in einem Konflikt die Position des Gegenübers einnehmen und die Motive der anderen Person verstehen. Oder eigene Erinnerungen aus anderer Warte betrachten. Man spricht von disruptiven Erfahrungen. Das bedeutet durcheinanderbringen, oder aufwirbeln. Darin liegt oft das Heilsame. Aber wenn man zu viel durcheinanderwirbelt, kann man auch was kaputt machen. Es gibt intensiv und zu intensiv. Und was zu intensiv ist, ist nicht bei allen Menschen gleich. 

Warum nicht? 
Wir haben alle unterschiedliche Hardware und Software, wenn ich hier mal die Analogie zum Computer verwenden darf. Die Hardware ist unser Gehirn. Wir alle haben im Laufe unseres Lebens verschiedene neuronale Verbindungen gebildet. Bei einer Person, die seit 20 Jahren depressiv ist, laufen die Gehirnbahnen anders als bei einer gesunden Person. Es gibt zum Beispiel weniger Verästelungen. Die Software sind unsere Glaubenssätze, die wir uns im Laufe des Lebens angeeignet haben, unsere Sicht auf die Welt. Jemand, der an Engel glaubt, wird auf einem Trip eher Engel sehen, als jemand der noch nie über Engel nachgedacht hat. Zur Software gehört aber auch das Mindset, mit dem man an einen Trip herangeht. Schamanistisch geprägt, lernorientiert, oder freizeitorientiert? Psychedelika sind wie eine Art Programm, das man temporär einspielt, das dann sowohl auf die Hardware also auch auf die Software wirkt. Eine Art Update. Nur muss ich eben gucken, ob das System danach noch reibungslos läuft.

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Wie unterscheidet sich die Integrationstherapie von anderen Therapien?Sie ist normalerweise keine Langzeittherapie. Oft reichen wenige Stunden, wenn man es schafft, sich wirklich fokussiert mit der Thematik zu beschäftigen. Auch ist die Integrationspsychotherapie speziell, weil sie sich meistens auf ganz konkrete Erfahrungen bezieht. Es gibt auch Menschen, die sowieso Therapie machen und mit einem Therapeuten, der damit einverstanden ist, über ihre Triperfahrung sprechen können. Das geht auch. Aber solche Therapeuten sind nicht so leicht zu finden. 

Woran liegt das? 
Zum einen daran, dass das ein rechtlicher Graubereich ist. Man darf Trips streng genommen nicht therapeutisch vorbereiten. Der Handel mit und der Besitz von psychedelischen Substanzen ist verboten. Der Konsum ist zwar nicht verboten, aber das wird natürlich schwierig, wenn Sie die Substanz zuvor nicht besitzen dürfen. Wir bieten die Therapie auch nur im Anschluss an, obwohl wir immer wieder Anfragen für eine therapeutische Vorbereitung bekommen. Dabei wäre eine solche Vorbereitung, in der man zum Beispiel eine bestimmte Intention erarbeitet, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminimierung eigentlich sinnvoll. Hinzu kommt auch, dass viele Therapeuten der alten Schule noch eingeimpft bekommen haben, dass man Patienten nur therapieren darf, wenn sie absolut abstinent sind. 

"Man muss aber auch sagen, dass Psychosen ausgelöst allein durch den Konsum von klassischen Psychedelika sehr selten sind. Menschen, die psychotisch werden, sind meistens vorbelastet, zum Beispiel familiär."

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Das sehen sie nicht so? 
Es schafft auf jeden Fall schwierige Situationen. Zum Beispiel, wenn jemand kokainabhängig ist und zum Therapeuten geht. Die Person braucht akut Hilfe und der Therapeut sagt: Dann werden Sie mal clean, dann kann ich Sie behandeln. Damit wird der schwierigste Part an den Patienten zurückgespielt. Das Problem ist auch, dass die Berührungsängste bei Psychedelika gerade in Deutschland sehr groß sind, weil es im deutschsprachigen Raum eine Vorgeschichte mit Todesfällen und Missbrauch in Untergrundtherapien gibt. Davor haben Therapeuten Angst. 

Was ist passiert? 
Der bekannteste Fall war 2009. Bei einer Untergrundtherapie in Berlin sind damals zwei Menschen gestorben und weitere mussten ins Krankenhaus, weil der Arzt MDMA und Ephedrin zehnfach überdosiert hat, wie er später selbst zugegeben hat. Er hatte offenbar eine Waage verwendet, die er vorher noch nicht getestet hatte und war dann auch beim Abwiegen selbst unter dem Einfluss einer psychedelischen Substanz. Das ist keine besonders gute Idee. Vor allem dann nicht, wenn man für das Leben anderer Menschen verantwortlich ist. 

Welche Fälle gab es noch? 
2015 wurden bei einem Heilpraktikerseminar in Handeloh in Niedersachsen 29 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert. Da ist niemand gestorben. Aber den Leuten ging es offenbar trotzdem nicht besonders gut, nachdem sie 2 C-E, ein Amphetamin, in Kombination mit irgendeinem Verschnitt genommen hatten. Auch mit Ibogain und 5-MeO-DMT gab es schon Todesfälle in Europa. 

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Was sind das für Substanzen? 
Ibogain wird derzeit erforscht, weil man vermutet, dass die Substanz bei Opiatabhängigkeit helfen kann. Allerdings muss man da wahnsinnig aufpassen, weil sie auch eine Veränderung der Herzaktivität bewirkt. Das kann bei Menschen, die eine Vorerkrankung haben, zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen. 5-MeO-DMT wiederum ist ein stark halluzinogenes Krötengift, auch als Bufo alvarius bekannt. Es kann dazu führen, dass Menschen die körpereigenen Schutzreflexe verlieren und zum Beispiel ersticken, wenn sie sich erbrechen und das Erbrochene in die Luftröhre läuft. Alle diese Fälle zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur über die möglichen, zum Teil noch nicht wissenschaftlich ausreichend erforschten Vorteile zu sprechen, sondern auch über die realen Risiken der Substanzen. Bei den klassischen Psychedelika sind die Risiken eher psychischer Natur. 

Gibt es auch Menschen, denen sie mit der Integrationstherapie nicht helfen können? 
Natürlich gibt es Patienten, die mehr brauchen als nur eine integrative therapeutische Begleitung. Wenn jemand zum Beispiel eine psychotische Phase erlebt hat, die auch nach dem Abklingen der Substanzwirkung anhält.

Umgangssprachlich "hängen bleiben" genannt? 
Genau. Was es auch gibt, ist HPPD, Hallucinogenic Persistent Perception Disorder. Das sind Wahrnehmungsverschiebungen, die auch nach dem Trip anhalten können, also zum Beispiel farbige Muster im Raum. Das ist aber sehr, sehr selten. Bei Psilocybin wird das eigentlich gar nicht beschrieben. Eher bei LSD. 

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Woran erkennt man eine psychotische Erfahrung? 
Starke, innere Bilder zu erleben oder Stimmen zu hören und andere Erlebnisse, die außerhalb des normalen Rahmens liegen, sind unter dem Einfluss von Psychedelika normal. Was aber normalerweise noch da ist, ist so etwas wie ein Ich-Rest, der das Erleben beobachten kann. Selbst wenn jemand erlebt, dass sich das Ich auflöst, gibt es einen Ich-Rest, der beobachten kann, wie das passiert und sagen kann: Mein Ich hat sich aufgelöst. Wenn das verloren geht, wenn man also keinen Anker mehr zur Realität und zum eigenen Ich hat, wenn Menschen komplett driften in inneren Bildern und Welten, dann geht das in Richtung Psychose. Wenn jemand zum Beispiel die fixe, festgezurrte Idee hat, hinter der Steckdose sitze Donald Trump mit dem Stethoskop und höre einen ab. Oder wenn sich jemand einbildet, alles Essen schmecke komisch, und glaubt, dass man ihn vergiften will. Das sind klassische Symptome einer Psychose. Man muss aber auch sagen, dass Psychosen ausgelöst allein durch den Konsum von klassischen Psychedelika sehr selten sind. Menschen, die psychotisch werden, sind meistens vorbelastet, zum Beispiel familiär. 

Wenn man vorbelastet ist, sollte man von Psychedelika also die Finger lassen? 
Man sollte auf jeden Fall sehr vorsichtig sein, weil es sein kann, dass es ohne den Trip vielleicht nie zum Erleben einer psychotischen Episode oder zu Schizophrenie gekommen wäre. Genau weiß man das nicht, weil diese Erkrankungen auch anders ausgelöst werden können. Das Problem ist, dass das viele nicht wissen. Auf einer Party hat mir eine Frau erzählt, dass sie gerade als bipolar, also als manisch-depressiv diagnostiziert wurde und dass sie jetzt Medikamente nimmt. Ihre beste Freundin habe ihr aber geraten, die Medikamente abzusetzen und stattdessen Ayahuasca zu trinken. Das ist ein richtig gefährlicher Ratschlag. Wenn jemand schon eine manifeste psychische Erkrankung hat, sollte diese Person keinesfalls wild drauf los experimentieren. Ob wir jemals an den Punkt kommen werden, dass wir es wagen, Menschen mit diesen psychischen Erkrankungen mit Psychedelika zu therapieren, sei dahingestellt. Das Problem ist einfach: Wenn man die psychedelische Substanz im Blut hat, dann ist sie drin. Das ist nicht steuerbar. Dann muss man durch und warten, bis es vorbei ist. 

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"Die klassischen Psychedelika sind auf keinen Fall Partydrogen."

Was tun sie, wenn jemand eine anhaltende Psychose hat? 
Wir haben hier die Möglichkeit, Menschen psychiatrisch zu begleiten, also auch Medikamente zu geben. Aber nachdem wir als Privatpraxis keine Kassenzulassung haben, ist das nicht für alle bezahlbar. Ich würde die Person also vermutlich ans Sankt Hedwig Krankenhaus in Berlin verweisen. Dort gibt es eine Sprechstunde für Folgestörungen nach der Einnahme psychoaktiver Substanzen.

Was kostet die Therapie in ihrer Praxis? 
Das, was jede privat bezahlte Psychotherapiestunde kostet. Im Moment sind das bei uns pro Stunde circa 95 Euro. 

Muss man für die Therapie nach Berlin? 
Nein. Wir haben eine Psychotherapieversicherung abgeschlossen, so dass wir auch über ein gesichertes Onlineprogramm europaweit Integrationstherapie anbieten können. Wir bekommen sehr viel Anfragen aus dem europäischen Ausland. 

Wie kann man am besten verhindern, dass man nach einem Trip zu ihnen muss? 
Set und Setting. 

Was bedeutet das konkret? 
Man sollte sich eine sichere Umgebung suchen und Zeit mitbringen. Es sollte eine Begleitperson geben, die nüchtern bleibt und der man vertraut. Wenn es die nicht gibt, dann sollte man zumindest jemanden anrufen können, der diese Kriterien erfüllt. Wichtig ist auch die Substanz, die man wählt. Je wilder der Cocktail, je höher die Dosis, je unbekannter die Substanz, desto höher ist das Risiko, dass was Schwieriges passiert. Die klassischen Psychedelika sind auf keinen Fall Partydrogen. Man kann sie im Partykontext einsetzten, wenn man weiß, was man tut. Am besten in geringer Dosis. Aber da muss man echt aufpassen. Wenn man die innere Achtung verliert vor diesen Erfahrungen, dann ist es am wahrscheinlichsten, dass was daneben geht. 

Und Set? 
Man sollte sich überlegen, in welchem Mindset man sich selbst befindet. Ist gerade meine Oma gestorben? Habe ich Stress auf der Arbeit. Befinde ich mich in einer Umbruchsituation in meinem Leben? Hat sich gerade mein Partner, meine Partnerin von mir getrennt? Natürlich kann man auch eine Trennung mit einem Trip verarbeiten. Aber das ist nichts für Anfänger. Man sollte also auch seine eigene Vorgeschichte kennen. Wenn ich Traumapatientin bin, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass möglicherweise mein Trauma reaktiviert wird. Und dann sollte ich das nur tun, wenn ich ausreichend abgepuffert bin – durch Menschen, die mich auffangen können. Und ich sollte mir gut überlegen, ob ich das wirklich allein wagen will. 

Was wenn doch etwas schief geht und es einer Person schlecht geht, oder sie sogar psychotisch wird? 
Es sollte auf jeden Fall immer eine Person dazu kommen, die nüchtern ist. Also im Zweifelsfall einen Freund oder eine Freundin anrufen, die nichts genommen hat. Man kann so eine Situation nicht gut einschätzen, wenn man selbst unter Substanzwirkung ist. Dann kann man zunächst die klassischen Methoden anwenden, um die Person zu beruhigen. Also das Gespräch suchen, die Person in eine sichere Umgebung bringen, wenn sie da nicht ist, die Atmosphäre möglichst freundlich gestalten, etwas zu trinken anbieten, durchlüften. So kann man versuchen, die Welle auszureiten und gucken, ob sich das Problem erledigt. 

Was, wenn nicht? 
Wenn die Person aggressiv ist und für sich selbst oder andere gefährlich wird, oder zum Beispiel droht wegzulaufen, dann muss man darüber nachdenken, den Rettungsdienst zu rufen. Das bedeutet, dass man unter Umständen die Behörden einschaltet. Aber es muss klar sein, dass die Verantwortung, die betroffene Person zu schützen, höher wiegen muss, als die eigene Angst vor Strafe, oder dass auffällt, was man da macht. Immer wenn man sich mit anderen in einen solchen Raum begibt, muss der Pakt zwischen allen Anwesenden lauten: Wenn nötig, werden wir den Notarzt rufen. Wenn das wirklich gar nicht geht, dann haben erfahrene Tripsitter Benzodiazepin vor Ort. Aber damit wäre ich immer vorsichtig. Man muss sich bewusst sein, dass man als Nicht-Mediziner ein Medikament verabreicht. Und auf eine schwierig wirkende Substanz noch eine andere Substanz drauf zu werfen, wenn man nicht hundertprozentig weiß, was man tut, das ist ein echt gefährliches Spiel.

Update, 18. Oktober 2021, 16:21 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, ein MRT messe im beschriebenen Anwendungsfall die Hirnströme – anstatt die Stoffwechselaktivierung und den Blutfluss. Wir haben das korrigiert.

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