Politik

Das Problem, wenn alle plötzlich für Black Lives Matter sind

Es gibt viele Wege, die neue Schwarze Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Hier ein paar falsche.
Eine Katjes Werbung, auf der der Slogan "Jedes Leben ist Wertvoll" steht, vor einer alten Frau auf pinkem Grund. Ein Beispiel für Wokewashing
Foto: imago images / Friedrich Stark

Ungefähr jedes Unternehmen, von dem etwas stammt, das in deiner Wohnung steht – vom iPhone bis zum Ikea-Kleiderschrank (und auch dein Porsche, falls du einen hast) –, hat Solidarität mit BlackLivesMatter signalisiert. Ob mit einem Schwarzes-Quadrat-Posting auf Instagram zum #BlackoutTuesday oder mit Spendenaufrufen.

Darunter viele Firmen, die vorher nicht eben für politische Statements bekannt waren. Von Nike ist man nach der Kaepernick-Kampagne politische Statements gewohnt, aber auch Patagonia und Adidas, Nintendo und Xbox sprachen sich gegen strukturellen Rassismus aus.

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Einige Promis und Unternehmen haben vielleicht auch einfach erkannt, dass man die richtige politische Position zu Anerkennung oder sogar zu Cash machen kann. In den USA gibt es die Debatte über das sogenannte Woke-Washing schon länger.

Es gibt jedenfalls richtige und falsche Wege, die neue Schwarze Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Hier ein paar ziemlich falsche.

"Black Lives" als Accessoire für Influencer und Influencerinnen

Natürlich ist es großartig, wie viele Menschen sich am Sonntag in vielen Deutschen Städten mit den Black-Lives-Matter-Protesten solidarisiert haben. Etwa 15.000 waren es in Berlin. Es ist auch gut, wenn Influencerinnen und Influencer zeigen, dass sie dort waren oder zumindest die Sache unterstützen.

Nicht OK ist es dagegen, wenn die Demo zum Laufsteg wird und das – respektvollerweise – komplett schwarze Outfit genauso inszeniert wird wie das #Outfitoftheday. Auch auf die Fotos der demonstrierenden Massen einen Schwarz-Weiß-Filter zu legen, wirkt fehl am Platz. People of Color sind nicht ganz so nostalgisch, wenn es um die Zeit geht, in der es Schwarz-Weiß-Fotografie gab (und Rassentrennung). Die Bilder erinnern gespenstisch an die Zeit der Bürgerrechtsbewegung. Gefiltert und gepost haben zum Beispiel @journelles und @dianazurloewen.


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Aber auch viele andere Instagram-Fotos Weißer Menschen hatten eine seltsame Aura von Coachella. In den USA sammelt der Instagram-Account @influencersinthewild Fälle, in denen Weiße Influencerinnen die Proteste – oder geplünderte Geschäfte – als Fotokulisse nutzen.

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Es gibt auch positive Beispiele: Ex-Heidi-Klum-Kandidatin Stefanie Giesinger bekam im vergangenen Jahr einen ziemlichen Shitstorm für ein rassistisches Video. Sie hatte ein humanitäres Projekt in Malawi besucht und sich in ihrer Instagram-Story als Weiße Retterin inszeniert. Nun teilte sie im Vorfeld der deutschen Proteste Materialien zu Antirassismus, Bücher und Links. Ohne Selbstinszenierung und ohne zu gerührt von sich selbst zu sein. Als eine Followerin fragt, ob Giesinger denn demnächst mal wieder Make-up und Mode poste, bittet Giesinger sie: "Bitte entfolg mir".

Katjes: Veganes Wokewashing

Sicher daneben gegriffen haben auch schon viele vegane Marken, wenn es um Rassismus geht. Die vegane US-Influencerin Lauren Rebecca Perez machte ein Video in dem sie sagte "Black lives matter… and animal lives matter". Neu ist der Spruch nicht: Auf Amazon gibt es Hoodies mit dem Aufdruck zu kaufen.

Immer wieder taucht der – eigentlich von Rechten erfundene – Slogan #AllLivesMatter in Variationen unter Tierschützern auf: #AnimalLivesMatter, #EveryLifeMatters oder auch mal #CowLifesMatter. Nicht immer ist das böse gemeint, aber immer mindestens ignorant. Anfang Juni twittere der offizielle Account von PETA den Satz "All Lives Matter", ein Teil der Erklärung klang so: "Jeder hat eine moralische Verantwortung, sich gegen Hass und eindeutige Gewalt zu stellen, egal wer die Opfer sind." Also: Egal ob Kühe oder Menschen. Nun ja.

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Eine deutsche Marke mit ähnlichem Pietäts-Defizit ist die Süßigkeitenmarke Katjes. Die wirbt Anfang Juni mit Plakaten, auf denen eine ältere Frau zu sehen ist. Der Hintergrund ist pink, darauf prangt der Schriftzug "Jedes Leben ist wertvoll". Den Slogan verwendete Katjes schon vor den aktuellen Protesten, um für seine vegane Schokolade zu werben. Die Anlehnung an den Slogan "All Lives Matter" war allerdings auch damals schon daneben.

Das Human-Blood-Desaster

Was passiert, wenn Wokewashing so richtig schiefgeht, zeigt der Onlineshop Human Blood. Der bot Anfang Juni T-Shirts mit den Aufschriften "Black Lives Matter" und "I Can’t Breathe" an. Die Einnahmen, hieß es, gingen an Black Lives Matter.

Auf Instagram wurden die Posts zu den T-Shirts kritisch kommentiert. Eine Schwarze Person beschwert sich per Mail – das zeigt zumindest ein Screenshot auf Twitter. Darin stand: "Wie könnt ihr es wagen, den Tod und das Leid von Schwarzen Menschen zu Geld zu machen?" In der Mail wird kritisiert, dass die Models lächeln, "als ob sie gerade einen verdammten Jackpot gewonnen haben". Sie endet mit "FUCK YOU!".

Als Antwort auf die legitime Kritik schreibt die Kundenbetreuerin Anna Z. laut Screenshot lediglich: "FUCK YOURSELF, Liebe Grüße Anna." Als die Nachricht auf Twitter auftaucht, schiebt Human-Blood-Gründer Benjamin Hartmann ein Facebook-Statement hinterher:

Nach den Rassismusvorwürfen und der Veröffentlichung ihres Bildes habe die Kundenbetreuerin Suizid begangen. "Anna hat sich heute Nacht das Leben genommen." Die Twitter-Aktivistin Ash (@migrantifa) recherchierte daraufhin, dass das im Kundenkontakt verwendete Bild von Anna ein Stockfoto aus einer US-amerikanischen Datenbank ist. Ob es Anna tatsächlich gibt oder alles ein geschmackloser Witz war, ist unklar. Alle Posts hat Human Blood mittlerweile gelöscht. Zumindest die Erlöse aus den T-Shirts will das Unternehmen zu 100 Prozent gespendet haben.

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Embryo Lifes Matter

Ein anderer Gipfel der seltsamen Kaperversuche ist die Anti-Abtreibungslobby. Schon länger kursieren auch in Pro-Life-Kampagnen die Slogans "Every Life Matters" oder "Unborn Lives Matter". Auch in aktuellen Kampagnen taucht der Slogan häufiger wieder auf. Ein deutschsprachiges katholisches Portal argumentiert: "Ihr tötet 100.000 junge George Floyds pro Jahr, verdient damit Geld."

Eigentlich ist es ganz einfach: Halte dich zurück. Versuch nicht, an Black Lives Matter Geld zu verdienen. Und wechsle nicht das Thema. Denn das ist einfach unethisch, wenn Schwarze Menschen um ihr Leben protestieren.

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