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Drogen

Studie: Alkohol macht anfälliger für Kokain-Sucht

Wenn du bei dem Wort "Einstiegsdroge" normalerweise die Augen verdrehst, solltest du das hier lesen.
Fotos: VICE

In der Suchtprävention und Drogenaufklärung ist häufig von "Einstiegsdrogen" die Rede. Meist kann man nur müde lächeln, wenn wohlmeinende, aber eher realitätsferne Menschen behaupten, ein Zug am Joint führe zu einer Zukunft als Heroin-Abhängiger. Aber vielleicht sollten wir das Lächeln abstellen und noch einmal gut aufpassen, denn eine neue Studie legt nahe, dass Alkohol tatsächlich eine solche Einstiegsdroge sein könnte.

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Forscher vom Columbia University Medical Center in New York um den Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel haben festgestellt, dass Ratten nach nur zehn Tagen Alkoholkonsum anfälliger für Kokainsucht sind – selbst wenn sie erst nach einem Stromstoß an das weiße Pulver kommen. Die Studie zeigt, dass Alkohol in einer Hirnregion (Nucleus accumbens im Vorderhirn) Proteine abbaut, die für das Belohnungslernen wichtig sind, und das Belohnungsgefühl ist wiederum eng mit der Entstehung von Abhängigkeit verknüpft. Damit könnte Alkohol auch einer Sucht nach anderen Drogen Vorschub leisten.

Um die Auswirkungen von Alkoholkonsum auf Kokainsucht zu untersuchen, gaben die Wissenschaftler einer Gruppe Ratten täglich Alkohol, während eine Kontrollgruppe nur Wasser bekam. Zehn Tage später bekamen die Ratten alle "freiwilligen Zugang zu Kokain", das heißt, sie konnten sich die Droge selbst über einen Hebel holen. Nach fünf aufeinanderfolgenden Drückern auf den Hebel erhielten die fleißigen Nager eine Koks-Belohnung – aber erst nach einem schwachen Stromstoß nach dem vierten Drücker. Der Elektroschock zeigt, dass die Tiere auch Schmerzen in Kauf nehmen, um an die Droge zu kommen, und ist damit ein ziemlich guter Sucht-Indikator.


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Das Experiment zeigte: Ratten, die zuvor mit Alkohol versorgt wurden, waren gieriger auf Kokain als die Tiere in der nüchternen Kontrollgruppe. Als die Forscher die Kokainzufuhr abschnitten, drückten die Alkohol-Ratten im Durchschnitt 58 mal (vermutlich zunehmend verzweifelt) auf den Koks-Hebel, während die Wasser-Ratten ihn im Schnitt nur 18 mal betätigten.

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"Die meisten Menschen, die eine illegale Droge nehmen, entwickeln keine Abhängigkeit nach dieser Substanz", sagt Edmund Griffin, einer der Studienautoren. Aber diese Studie kann helfen zu verstehen, was bei den Leuten passiert, wenn sie doch abhängig werden. Laut Griffin könnten die Forschungsergebnisse dabei helfen zu ergründen, "wie ein früher Kontakt mit einer Substanz wie Alkohol die Waagschale kippen und Menschen suchtanfälliger machen kann".

Wir können noch so sehr die Augen verdrehen, wenn von Einstiegsdrogen die Rede ist, aber es gibt eben doch Hinweise darauf, dass da was dran sein könnte. Die meisten, die Drogen konsumieren, fangen schließlich mit etwas Legalem wie Alkohol oder Nikotin an. Bisher ist nur nicht gesichert, ob solche Drogenerfahrungen auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass man zu illegalen oder härteren Substanzen greift.

Auch Nikotin greift das Hirn an

Frühere Forschungsergebnisse legen übrigens nahe, dass es sich mit Nikotin ebenfalls so verhält wie mit Alkohol. Diese Substanzen bauen die molekularen "Bremsscheiben" in unserem Belohnungssystem ab – das wären dann die Enzyme HDAC4 und HDAC5 (HDAC steht für Histon-Deacetylase, wenn du es genau wissen willst).

Die Forscher von der Columbia University hoffen, dass ihre Arbeit zu weiteren Studien zum Zusammenhang zwischen verschiedenen Drogen führt. Auch effektivere Suchttherapien könnten diese Erkenntnisse ermöglichen. Sie "geben uns einen Ansatz für Interventionen, insbesondere auch für neue molekulare Interventionsmöglichkeiten", so Griffin.

Ein Disclaimer zum Schluss: Tierstudien sind nicht unbedingt repräsentativ für das, was im menschlichen Körper passiert. In vielen Fällen haben sie bereits nützliche Erkenntnisse geliefert, aber inwiefern auf solche Studien Verlass ist, wird auch unter Forschern heiß diskutiert.

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