Im Jahr 1992 heirateten die texanischen Kunstsammler Hugh Nini und Neal Treadwell - inoffiziell. Erst 14 Jahre später durfte das Paar auch offiziell Ringe austauschen. Allerdings in Massachusetts, dem einzigen Ort in den USA, in dem man legal heiraten durfte. Statt einfach nur ins Flugzeug zu steigen, mussten sie außerdem nach Boston umziehen, neue Adresse, neuer Stromanbieter, neuer Festnetzanschluss und neues Bankkonto inklusive.
Der damalige Gouverneur Mitt Romney hatte ein lang vergessenes, drakonisches Gesetz von 1913 wieder eingeführt, damit Massachusetts bloß nicht das "Las Vegas homosexueller Ehen" werden würde.
VICE-Video: Der Alltag der Social-Media-Berühmtheiten Rick Twombley und Griff King
Irgendwann zwischen diesen zwei Hochzeiten stöberten die beiden Kunstsammler durch ein Antiquitätengeschäft in Texas. Dort fanden sie ein beeindruckendes Foto: Vor einem kleinen Haus im Stil der 1920er Jahre standen zwei junge Männer, die sich umarmten und eindeutig verliebt in die Augen starrten. Zu der damaligen Zeit waren homosexuelle Beziehungen fast weltweit illegal.
Die Bundesrepublik legalisierte sexuelle Beziehungen zwischen Männern 1969. Ausgeschlossen waren Jugendliche unter 21. Diese Grenze wurde als Schutzalter bezeichnet. Die DDR war etwas früher dran und dekriminalisierte Homosexualität 1957, unter der Prämisse, dass diese dem sozialistischen Staat nicht schadete. Im Osten wurde das Schutzalter 1968 und im Westen 1973 von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Gesetz dann 1994 vereinheitlicht.
Und wie die meisten von uns wissen, dauerte es noch viel länger, bis die homosexuelle Ehe auch in Deutschland genehmigt wurde. Das passierte erst vor drei Jahren: am 1. Oktober 2017. Angela Merkel entschied sich in dieser historischen Frage sogar gegen die gleichgeschlechtliche Ehe. Und auch heute noch erleben schwule Männer viele andere Formen von Diskrimierung. Das beste Beispiel hierfür ist das Blutspendeverbot.
Die beiden Kuratoren hielten das Foto für ein absolutes Unikat. Aber bald darauf stießen sie bei einer Online-Auktion auf ein Weiteres. Auf diesem, wohl aus dem Jahr 1940, konnte man zwei Soldaten sehen. Sie posierten verliebt und auf dem Glasrahmen eingraviert prangte das Versprechen "Für immer Dein".
Mittlerweile hat das Paar eine beeindruckende Sammlung zusammenstellen können: über 2800 Fotografien, die Aufnahmen aus Australien, Bulgarien, Kanada, Kroatien, Frankreich, Deutschland, Japan, Lettland, Großbritannien und den USA enthalten.
Diese ungewöhnliche Art der Zusammenstellung wird von Hugh und Neal in ihrem Essay namens "Eine zufällige Kollektion" am Anfang des Bildbandes Loving: A Photographic History of Men in Love 1850s-1950s beschrieben.
Über die Jahre hinweg analysierte das Paar die Bilder. Dabei fanden sie einige wiederkehrende Symbole.
Zum Beispiel den Regenschirm. Wer gemeinsam unter einem Regenschirm posierte, drückte damit wahrscheinlich aus, in einer Beziehung zu sein. Zumindest, wenn das Foto zwischen 1880 und 1920 aufgenommen wurde. Schmuck so wie Hochzeitsringe und Armbändern erlebten während des zweiten Weltkrieges große Beliebtheit – als sie größtenteils von Matrosen und Soldaten getragen wurden. Und Fotoautomaten, die in den USA ab 1924 aufgestellt wurden, waren überaus wichtig, weil man dort keinen Fotografen benötigte. So konnten Paare Porträts aufnehmen, ohne ertappt zu werden.
Wenn man sich den Bildband ansieht, fragt man sich trotzdem, wer die intimen Porträts der Paare wohl aufgenommen hat. Im Jahr 1902 gelang es Robert Faries ein simples Gerät zum Aufnehmen von Selbstporträts zu bauen, aber das scheint nicht für viele diese Bilder genutzt worden zu sein. Weshalb? Die Antwort liegt auf der Hand, sagen die Kuratoren: Die Paare erhielten fotografische Hilfe von ihrer Familie und ihren Freunden. Der Bildband beweist dies. Es gibt Bilder, auf denen einige Paare mitsamt Verbündeten zu sehen sind.
Homosexualität ist heute weltweit in mehr als 70 Ländern illegal. Viele LGBTQI*-Identifizierende sehen sich immer noch gezwungen, diskret mit ihren Gefühlen umzugehen oder ihre Vorlieben komplett zu verstecken.
Diese alten Fotografien können uns daran erinnern, was für brutale Gesetze noch heute existieren. Und sie geben uns einen intimen Einblick in die verbotene Liebe der Vergangenheit.