Politik

Deutsche Journalistin im irakischen Gefängnis: So soll sie wieder freikommen

Eine Gruppe von Unterstützerinnen setzt sich für die Freilassung von Marlene Förster und ihrem slowenischen Kollegen Matej Kavčič ein.
Marlene Förster, die im Irak im Gefängnis sitzt, schaut nach links. Sie sitzt vor beigem Hintergrund draußen.
Alle Fotos: Lydia Förster

Seit 23 Tagen sitzen sie in irakischen Zellen. Am 20. April nahmen irakische Soldaten die deutsche Journalistin Marlene Förster und den slowenischen Journalisten Matej Kavčič in der Region Shingal, auch Sindschar genannt, fest. Laut lokalen Medien werden ihnen Terrorunterstützung und illegale Einreise vorgeworfen. Eine offizielle Anklage gibt es jedoch noch nicht.

Förster und Kavčič waren im Dezember in den nordirakischen Distrikt Shingal gereist, um von da zu berichten. Das Gebiet ist umkämpft. Die Jesiden und Kurden, die traditionell in der Region leben, erheben Autonomieansprüche, der Irak und die Türkei wollen das verhindern.

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Bereits in den Wochen vor ihrer Reise hatte sich die Sicherheitslage in der Region erheblich verschlechtert. Die türkische Armee hatte kurdische und jesidische Ziele angegriffen. Am 18. April, kurz vor der Festnahme der beiden Journalisten und zeitgleich mit einer türkischen Offensive, lieferte sich auch die irakische Armee im Shingal Gefechte mit einer jesidischen Miliz, um einen Kontrollpunkt zurückzuerobern.


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Aus der ganzen Region gebe es kaum journalistische Berichterstattung, sagt Leonie Tafel, eine Freundin der verhafteten Marlene Förster: "Gerade nutzen die irakischen Behörden alle Mittel, um die Lage der Ezid:innen zu vertuschen." Tafel kümmert sich um die Pressearbeit des Unterstützerinnenkreises, der versucht, Förster und deren Kollegen zu befreien. Die beiden Journalisten hätten auf die Situation im Shingal aufmerksam machen wollen, sagt Tafel, besonders auf die Überlebenden des Völkermords, den der sogenannte Islamische Staat 2014 an den aus seiner Sicht ungläubigen Jesiden, auch Eziden, verübt hatte.

Der Journalist Matej Kavčič steht vor beiger Landschaft mit Sonnenbrille und einem beigen Schal um den Hals.

Matej Kavčič, der am 20. April im Shingal festgenommen wurde

Am 3. August 2014 drang der IS in den Nordirak vor und tötete in der Folge 5.000 Menschen. 7.000 weitere wurden verschleppt, vergewaltigt, versklavt. Eine halbe Million Menschen flüchtete aus der Region. Um sich besser gegen den IS verteidigen zu können, gründeten Jesiden schließlich die Widerstandseinheiten Shingal, kurz YBŞ. Bis heute hat diese Miliz eine Basis im Shingal. Die jüngsten türkischen Luftangriffe richteten sich gegen die YBŞ wegen ihrer ideologischen Nähe zur Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK. 

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Drei Wochen nach ihrer Festnahme sitzen die beiden Journalisten noch immer in Haft. Laut Försters Mutter, die mit ihrer Tochter am Mittwoch telefonieren konnte, gehe es dieser den Umständen entsprechend gut.  Auch Leonie Tafel sagt über Förster, dass sie eine starke Person sei. "Trotz der schlimmen Umstände im irakischen Geheimgefängnis bewahrt sie Haltung und einen klaren Kopf. Sie konnte die Forderungen, juristisch vertreten zu werden und konsularische Betreuung zu bekommen, klar äußern." 

Der Kreis von Unterstützerinnen versuche nun, die Medien auf den Fall aufmerksam zu machen. Försters Mutter habe einen offenen Brief an Annalena Baerbock verfasst, unterzeichnet von 450 Menschen, darunter Journalisten, Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen. Außerdem haben sie eine Petition an die Bundesregierung gestartet, die die Freilassung der beiden fordert, und ein Spendenkonto eingerichtet, um die Anwaltskosten im Irak und in Deutschland tragen zu können. Die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut von der Partei Die Linke stellte zudem eine Anfrage an die Bundesregierung, in der sie sich erkundigt, inwiefern sich diese für die Freilassung einsetzt.

Auch der Verband Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, DJU, rief auf Twitter zur Solidarität mit beiden Inhaftierten auf: "Das Auswärtige Amt muss alles daran setzen, dass die beiden unverzüglich freigelassen werden!" Christian Mihr, Geschäftsführer der NGO Reporter ohne Grenzen, fordert Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in einer Pressemitteilung auf, zu handeln: "Mit der Festnahme dieser beiden engagierten jungen Medienschaffenden zeigen die irakischen Behörden, dass weder über die Situation der jesidischen Minderheit im Sindschar noch über die Aktionen der türkischen Streitkräfte in dieser Region etwas nach außen dringen soll."

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Auch gegenüber VICE betont Mihr, wie wichtig es sei, auf diesen Fall hinzuweisen: "Durch Öffentlichkeit können wir gegenüber den irakischen Behörden deutlich machen, dass etwas getan werden muss." Öffentlichkeit bedeute auch Solidarität. "Ich kenne viele Leute, die im Gefängnis waren und nach ihrer Freilassung berichteten, dass diese Solidarität ihnen half, ihre Kraft zu behalten und nicht mutlos zu werden."

Während das Auswärtige Amt bislang nicht auf den offenen Brief von Försters Mutter reagiert hat, gab es eine knappe Antwort auf die Anfrage der Linkspartei. Diese habe die Forderungen des Unterstützerinnenkreises jedoch nicht erfüllt, sagt dessen Vertreterin Leonie Tafel. Es sei aber zugesichert worden, dass der Fall Priorität habe und man sich darum kümmere. "Wir sind verwundert, dass Marlene und Matej immer noch nicht frei sind. Wir erwarten, dass das Auswärtige Amt mehr Druck auf die irakische Regierung ausübt, um eine möglichst schnelle Freilassung zu ermöglichen", sagt Tafel.

Obwohl es um das wichtige Thema Pressefreiheit geht, sei es schwierig, viel Aufmerksamkeit für den Fall zu schaffen, sagt auch Mihr. "Der Krieg in der Ukraine ist natürlich ein Megathema, dass derzeit alle politischen Diskussionen dominiert." Doch er bleibe zuversichtlich. "Ich habe aber trotzdem den Eindruck, dass es durchaus großes Bemühen gibt vom Auswärtigen Amt. Das sah in der Vergangenheit nicht immer so aus."

Update vom 20.5.2022, 16:25 Uhr: Marlene Förster wird noch heute wieder in Deutschland ankommen. Sie und ihr Kollege Matej Kavčič wurden nach vier Wochen im Gefängnis von den irakischen Behörden abgeschoben. Die konkreten Vorwürfe wurden noch immer nicht bekannt gegeben.

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