Drogen

Drogendealer erzählen, was sie am meisten bereuen

Von unbekannten Zusatzstoffen im "MDMA" über das Wegrauchen des gesamten Profits bis hin zur Lebensgefahr für die eigene Familie.
Eine Hand mit Einweghandschuh fasst mit einer Pinzette in einem Handschuhfach nach einem Tütchen Kokain; wir haben aktive und ehemalige Kokain-, Marihuana-, MDMA-, Heroin- und Ecstasy-Dealer gefragt, was sie an ihrer Drogenkarriere am meisten bereuen
Symbolfoto: Vyacheslav Dumchev / Alamy Stock Photo

Es gibt kaum ein eindringlicheres Gefühl als Reue, wenn sie einem total unangenehm durch Mark und Bein fährt. Stell dir jetzt mal vor, dass deine gesamte berufliche Karriere genau auf diesem Gefühl basiert. Bei einer Umfrage unter 243 Drogendealern kam heraus, dass 61 Prozent ihre Entscheidung bereuen, sich auf diese Beschäftigung eingelassen zu haben. Der am häufigsten angegebene Grund für diese Reue war dabei Stress.

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Aber was sind die anderen Gründe? Wir haben aktive und ehemalige Drogendealer gefragt, ob und warum sie ihre Berufswahl bereuen.


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Luke, 30, ehemaliger Psychedelika-, MDMA- und Benzo-Dealer

Am meisten bereue ich die Heroin-Überdosis eines Freundes, durch die er starb. Damals dealte ich nur mit Psychedelika und MDMA. Ich versorgte ihn also nicht mit dem Stoff, vermittelte ihn aber an den Heroin-Dealer. Die Polizei führte die Spur bis zu mir zurück, und ich musste wegen fahrlässiger Tötung hinter Gitter. Bei der Gerichtsverhandlung sagte der Richter, dass ich für eine Reihe an Zwischenfällen verantwortlich sei, durch die vier Menschen ins Gefängnis mussten und ein Mensch starb. Das tat weh.

Zum Glück gebe ich mir nicht die Schuld an dem Ganzen. Ich glaube auch nicht, dass mein Freund das gewollt hätte. Ich bereue das alles nur, weil es für mich deswegen jetzt quasi unmöglich ist, einen richtigen Job zu finden. Ich war damals erst 20 und hatte eine dementsprechend naive Vorstellung davon, wie das Justizsystem jemanden behandelt, der nur einen Kontakt vermittelt hat. Jetzt bin ich den Behörden gegenüber sehr misstrauisch. Allein in diesem Monat wurden fünf Jobangebote wieder zurückgezogen, nachdem die Firmen meine Vorgeschichte überprüft hatten – eine Praxis, die hier in den USA gang und gäbe ist. Ich hoffe, dass ich nicht wieder mit dem Dealen anfangen muss, würde es als letzten Ausweg aber schon tun.

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Niko, 32, ehemaliger Kokain-, MDMA- und Marihuana-Dealer

Man hat schon mit Messern auf mich eingestochen, ich wurde über den Tisch gezogen und ausgeraubt. So etwas bereue ich aber nicht, das gehört zum Geschäft einfach dazu. Was ich rückblickend aber bereue: Ich bin nicht immer der ehrlichste Dealer gewesen. Mir war egal, was ich da verkaufte. Zwischen 2008 und 2011 gab es einen großen MDMA-Mangel, aber ich bot weiter "MDMA" an, ohne überhaupt zu wissen, was genau in dem Zeug drin war. Heute würde ich das Leben meiner Kundschaft nicht mehr so leichtfertig aufs Spiel setzen. Später bekam ich ein besseres Gefühl für meine Ware und kam an bessere Kontakte, von da an achtete ich auch auf die Qualität. Am Anfang agierte ich aber mehr nach dem Motto "Ich nehme, was ich kriegen kann, und bin schon froh, wenn das Koks nicht komplett aus Backpulver und Speed besteht". 

Was ich ebenfalls bereue, ist die Auswirkung meiner Haftstrafe auf meine Familie und meine persönlichen Beziehungen. Meine Verurteilung war für meine Verwandten ein totaler Schock, weil sie keine Ahnung hatten, was ich eigentlich machte. Wenn du hinter Gittern sitzt, ist es so, als seist du für die Außenwelt tot. Das Leben draußen geht weiter, während du drinnen festsitzt und jeder Tag gleich abläuft. Als ich nach gut einem Jahr wieder rauskam, waren alle ganz woanders und hatten etwas Neues angefangen. Es gab da zum Beispiel diese Frau, auf die ich total stand. Kurz bevor ich meine Haft antrat, machte sie mit ihrem Freund Schluss. Darüber musste ich hinter Gittern die ganze Zeit nachdenken. Als ich wieder draußen war, bildete ich mir tatsächlich ein, dass ich jetzt mit ihr zusammenkommen würde. Ihr könnt euch sicher denken, dass daraus nichts wurde.

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Thomas, 23, ehemaliger Kokain-, Ecstasy- und Ketamin-Dealer

Ich habe mit dem Dealen aufgehört und bereue jetzt, dass ich trotzdem nur schwer aus dieser Blase rauskomme. Für die Frauen, mit denen ich mich treffe, bin ich weiterhin nur "der Lieferant". Ich bin eigentlich in guten Verhältnissen aufgewachsen, geriet dann aber irgendwie auf die schiefe Bahn und kam nicht mehr davon los. Ich wollte eigentlich nie dealen, sondern nur mit vielen Leuten befreundet sein.

Ash, 21, Marihuana-Dealer

Gras ist meine Leidenschaft. Meine Vorliebe für qualitativ hochwertige Ware führte dazu, dass ich jetzt im Weiterverkauf tätig bin. Ich besorgte mir Apotheken-Gras aus den USA, bei dem ein Achtel einer Unze, also 3,5 Gramm, umgerechnet zwischen 105 und 120 Euro kostet. Je teurer das Ganze war, desto leichter wurde es für mich, mehr zu kaufen und mit Gewinn an meine Freunde weiterzugeben. Was ich jetzt am meisten bereue, ist das, wofür ich das dabei verdiente Geld ausgab: Meistens ging mein gesamter Profit für das Gras drauf, das ich selber rauchte. Innerhalb von neun Monaten verprasste ich so fast 60.000 Euro. Seitdem kaufe ich nur noch günstigere Ware und habe knapp 12.000 Euro ausgegeben. Für das ganze Geld hätte ich mir ein richtig gutes Heimstudio einrichten können.

Brad, 32, ehemaliger MDMA-, Meth- und Heroin-Dealer

Am Anfang hätte ich wohl am meisten bereut, dass ich nicht noch mehr Profit für mich selbst behalten habe: Ich zahlte so viel an die Zwischenhändler, die eigentlich gar nichts gemacht haben, während ich das ganze Risiko trug. Dafür, dass mir im schlimmsten Fall zehn Jahre Knast drohten, habe ich schon relativ wenig verdient, während die Bandidos – ein Motorradclub – 90 Prozent des Profits einstrichen. OK, immerhin beschützten sie mich und konnten mir im Notfall Geld leihen. 

Als ich mich in der Lieferkette nach oben arbeitete, dachte ich oft darüber nach, auf wie viele Menschenleben ich eine negative Auswirkung habe. Ich rechtfertigte mich dann immer vor mir selbst: Wenn die Straßendealer das Zeug nicht von mir bekommen, holen sie es sich woanders und so weiter. Ich glaube, damit wollte ich aber nur mein schlechtes Gewissen beruhigen.

Was ich am meisten bereue, sind die Folgen des Dealens für meine Familie. Wegen mir musste sie zwei Polizeirazzien über sich ergehen lassen und sich ständig Sorgen um meine und die eigene Sicherheit machen. Dieses Reuegefühl wird mich wohl auf ewig begleiten, obwohl ich inzwischen mit dem Dealen aufgehört habe.

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