Politik

Aufnahmestopp: Darf Die PARTEI überhaupt Männer ausschließen?

Die PARTEI will ihren Frauenanteil erhöhen und verlangte dafür zwischenzeitlich "penislose Unterschriften" unterm Mitgliedsantrag. Wir klären, ob das legal ist.
Ein Antragsformular von Die PARTEI
Foto: VICE

"Damen, aufgepasst", so beginnt ein aktueller Facebook-Post von Martin Sonneborn. Parteichef Sonneborn und Die PARTEI kündigen offiziell einen temporären Aufnahmestopp für Männer an. Es ist das erste Mal in Deutschland, dass eine Partei zu dieser Maßnahme greift. Der Aufnahmestopp ist seit Sonntag bereits in Kraft.

Anfang März hatte VICE berichtet, dass es innerhalb von Die PARTEI seit Jahren eine Sexismus-Debatte gibt. Mindestens drei junge Menschen erheben zudem Vorwürfe, in mehreren Fällen während ihrer Mitgliedschaft von Parteigenossen belästigt worden zu sein. Im April 2019 wurde deshalb im Auftrag des Bundesvorstands begonnen, parteiweite Antidiskriminierungsstrukturen aufzubauen.

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Der Aufnahmestopp ist nun eine weitere, wenn auch symbolische Maßnahme. Von der Partei selbst wird er öffentlich allerdings nicht direkt mit dem Problem in Verbindung gebracht.

So heißt es auf der Website von Die PARTEI unter der Überschrift "Hopp, hopp, hopp – Männerstopp!", mit einer Quote von knapp über 20 Prozent Frauen unter den Mitgliedern befinde man sich in "etwas unappetitlicher Gesellschaft". Nämlich der von AfD, CSU, FDP und CDU, die einen Frauenanteil zwischen rund 17 (AfD) und 26 Prozent (CDU) haben. Zum Vergleich: Bei den Grünen liegt er über 40 Prozent. Die Zahlen, die die Partei hier verwendet, sind allerdings zwei Jahre alt.

"Wir würden das gerne ändern", schreibt Die PARTEI über das Geschlechterverhältnis. Der Männer-Aufnahmestopp soll 100 Tage dauern, beginnend am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag. Die ersten 100 "Damen", die in die Partei eintreten, sollen eine signierte Begrüßungs-Postkarte aus Brüssel erhalten. Aufnahmeanträge von Männern hingegen sollen "der Einfachheit halber" von den Ortsverbänden geschreddert werden.

Im neuen Antragsformular sollen Beitrittswillige neben Beruf und Anschrift nun einen "nicht männlichen Vornamen" angeben. Zunächst sollte das Ganze auch mit einer "handschriftlichen & penislosen Unterschrift" versehen werden. Das Wort "penislos" wurde am Montag allerdings aus dem Formular entfernt.

Mit dieser Formulierung hätte man ohnehin offenbar nicht nur Männer ausgeschlossen, sondern alle Menschen, die einen Penis haben, also auch manche Transfrauen und nicht binäre Menschen. Unklar ist auch, ob Leute mit Namen wie Kim, Michele oder Robin weiter Mitglieder werden dürfen.

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Wenn du dich mit uns über unsere Die PARTEI-Recherche austauschen möchtest, etwa weil du glaubst, etwas dazu beitragen zu können, dann erreichst du Thomas per E-Mail oder Twitter-DM, über den Link auf seinem Namen. Du kannst Thomas auch verschlüsselt kontaktieren.


Aber ist der Aufnahmestopp für Männer überhaupt legal? Denn was Parteien dürfen, und was nicht, regelt in Deutschland das Parteiengesetz. In Paragraph 10 Abschnitt 1 heißt es dort: "Allgemeine, auch befristete Aufnahmesperren sind nicht zulässig." Darauf hatten nach der Ankündigung durch Sonneborn auch mehrere Twitter-Nutzende hingewiesen.

Der Bundesvorstand der PARTEI selbst soll die Idee eines allgemeinen Aufnahmestopps bereits vor drei Jahren diskutiert und dann auch wegen juristischer Bedenken verworfen haben. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied wollte damit auf das rasante Wachstum der Partei und die sich verändernde Zusammensetzung der Mitgliedschaft reagieren.

VICE hat deshalb die Bundestagsverwaltung gefragt, ob die Bedenken von damals nicht berechtigt waren.

Was Bundestagsverwaltung, Bundeswahlleiter und ein Verfassungsrechtler zum Aufnahmestopp sagen

Die Bundestagsverwaltung kennt Die PARTEI gut. Gerichte haben derzeit zu klären, ob ein Bußgeld rechtmäßig war, das die Verwaltung der Partei aufgebrummt hat. Die PARTEI hatte 2015 Geld verkauft, um auf eine Lücke im Parteispendengesetz aufmerksam zu machen (und um die AfD zu ärgern). Sie gewann in zwei Instanzen. Rechtsgültig ist das Urteil aber bis heute nicht: Die Bundestagsverwaltung hat Revision eingelegt.

Im Fall des Männerstopps sei die Bundestagsverwaltung aber nicht zuständig, erklärt die Pressestelle. Man solle sich an den Bundeswahlleiter oder einen Experten richten.

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Kersten Buchholz ist im Amt des Bundeswahlleiters für allgemeine wahlrechtliche Fragen und die Zulassung der Parteien zu Bundestags- und Europawahlen zuständig. Er sagt, der Aufnahmestopp ist illegal: "Das Parteiengesetz ist da eindeutig." Seine Behörde sei aber nicht dafür zuständig, das Gesetz durchzusetzen.

Prof. Dr. Martin Morlok lehrte bis vor Kurzem an der Uni Düsseldorf und war dort Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung.

"Das ist doch Satire", sagt Morlok. Aber selbst wenn der Aufnahmestopp tatsächlich durchgesetzt wird, gibt es nach seiner Einschätzung kein Problem. "Parteien dürfen einseitig sein, wenn es durch ihre programmatische Ausrichtung begründet ist", sagt der Professor. "Auch eine reine Frauenpartei wäre zulässig."

Parteien, die in Deutschland nur Menschen eines Geschlechts aufnehmen, gibt es nicht. Die selbsternannte Männerpartei hat sich 2012 aufgelöst. Die Feministische Partei – Die Frauen erlaubt laut ihrer Satzung auch Männer als Mitglieder.

Einig sind sich Professor Morlok und Kersten Buchholz aus dem Amt des Bundeswahlleiters aber in einem Punkt. Wer die Rechtmäßigkeit des Aufnahmestopps anzweifle, müsste schon eine Zivilklage anstrengen, um Die PARTEI vor Gericht zu zwingen. "Es gibt keine Stelle, die die Parteien in Deutschland kontrolliert", sagt Morlok, "sie sind frei". Der Bundestagspräsident verteilt lediglich die Mittel der Parteienfinanzierung, der Bundeswahlleiter entscheidet über die Zulassung zu Bundestags- und Europawahlen.

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Einer Gruppe wird der Aufnahmestopp für Männer in keinem Fall helfen: jene Die PARTEI-Mitglieder und Ehemaligen, die sagen, sie haben innerhalb der Partei Sexismus und sexuelle Belästigung erfahren müssen.

Update vom 10. März um 9:30 Uhr: Die PARTEI hat das Antragsformular für Neumitglieder überarbeitet. Wir haben den Artikel entsprechend aktualisiert.

Update vom 13. März, 17:55 Uhr: Der Bundesvorstand der PARTEI hat am Freitag in Reaktion auf unsere Recherche und die folgende Debatte ein "Statement zu Sexismus, Übergriffigkeit und Diskriminierung" veröffentlicht. Darin entschuldigt sich das Gremium teilweise für die bisherige Handhabung mutmaßlicher Grenzverletzungen.

Die Parteiführung schreibt, man habe sich in der Vergangenheit "sicherlich zu sehr um den Umgang mit den (Anm. d. Red.: mutmaßlichen) Tätern gekümmert", während eine Solidarisierung mit Betroffenen "zu kurz gekommen" sei. "Dafür", heißt es weiter, "entschuldigen wir uns an dieser Stelle sehr!"

Auch dürften "keine Zweifel daran aufkommen, dass Betroffene von Diskriminierung und Übergriffen" die Solidarität des Bundesvorstands hätten. Ebenso seien hämische oder verharmlosende Kommentare nicht tolerierbar.

Im Schreiben wird auf die Maßnahmen verwiesen, die der Bundesvorstand bislang ergriffen hat. Erstens: die Einrichtung der Antidiskriminierungskommission im April 2019. Die Gelder für eine von der Kommission gewünschte Schulung sollen mittlerweile freigegeben worden sein.

Zweitens: die Einführung eines Aufnahmestopps für Männer, die seit dem 8. März dieses Jahres und insgesamt 100 Tage lang nicht mehr in die Partei eintreten dürfen. Dieser Beschluss sei bereits Anfang Januar 2020 gefasst worden, schreibt der Bundesvorstand, also bevor VICE und in der Folge auch andere Medien über die Auseinandersetzung mit Sexismus berichtet haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte VICE bereits mit mehreren Vorstandsmitgliedern im Rahmen eben dieser Recherche gesprochen. Die Folgeberichterstattung zu unserer Recherche hatte Martin Sonneborn erst am Anfang dieser Woche noch als "substanzlosen Quatsch" bezeichnet.

Anders als die bislang bekannte Äußerung des Bundesvorstandes zu den Vorwürfen innerhalb der Partei enthält das neue Statement keinerlei Ironie oder Witz. Stattdessen dankt man ausdrücklich den Mitgliedern der Antidiskriminierungskommission: Deren Engagement sei "keine Selbstverständlichkeit".

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