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Schweine können durch ihren Anus atmen – vielleicht bald auch wir

Schon dieses Jahr könnten klinische Versuche an Menschen beginnen, sagen Forscher.
Links: Ein Schwein umgeben von Luftblasen unter Wasser, Rechts: Gruppenfoto von einem Ärzteteam. Forschern haben herausgefunden, dass Säugetiere durch ihren Darm atmen können.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Takanori Takebe

In Japan hat ein Team von Forscherinnen und Forschern herausgefunden, dass Schweine über den Darm Sauerstoff absorbieren können. Sie waren auf der Suche nach Behandlungsmethoden für Menschen mit Atemproblemen.

Inspiriert zu dieser ungewöhnlichen Beatmungsmethode hatten die Forscher Süßwasserfische von der Gattung der Schmerlen. So kann der Schlammpeitzger zum Beispiel in sauerstoffarmen Umgebungen überleben, indem er an der Wasseroberfläche mit dem Mund Luft schluckt und den Sauerstoff dann über den Darm aufnimmt.

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Um herauszufinden, ob auch Säugetiere über ihren Darm atmen können, führte das Team um Takanori Takebe von der Tokioter Universität für Medizin und Zahnmedizin Experimente mit Mäusen durch. Die Ergebnisse, die vergangenes Jahr in der Fachzeitschrift Med veröffentlicht wurden, seien "beeindruckend" gewesen, sagt er.

"Ich bin immer sehr skeptisch wegen der Ergebnisse, aber jedes Mal, wenn wir die Versuche durchführen, erhalten wir reproduzierbare Daten", sagt Takebe, der auch als Mediziner im Cincinnati Children's Hospital Medical Center in den USA arbeitet.

Eine Illustration, in der die Forschungsergebnisse aus der Studie zusammengefasst werden

Die Forscher untersuchten, ob auch Säugetiere durch ihren Hintern atmen können | Illustration mit freundlicher Genehmigung von Takanori Takebe

Wenn Patienten nicht selbst genug Sauerstoff aufnehmen können, schließen Ärzte sie in der Regel an ein Beatmungsgerät an, das über die Luftröhre Luft in die Lunge drückt. Wenn die Lunge jedoch stark geschädigt ist, werden die Patienten über die extrakorporale Membranoxygenierung, besser bekannt als ECMO, mit Sauerstoff versorgt. Bei diesem Verfahren wird Blut aus dem Körper gepumpt, in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert und dann wieder in den Körper zurückgeführt.

Diese durch die Corona-Pandemie bekannt gewordene Methode ist allerdings riskant und kann zu Blutungen und Blutgerinnseln führen. Außerdem konnte man zu Beginn der Pandemie beobachten, dass es von diesen Geräten im Ernstfall zu wenige gibt.

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Takebe dachte sich also: Warum es nicht mal durch die Hintertür probieren?

Für die Versuche an Säugetieren pumpte Takebe zuerst Sauerstoff in das Rektum von Mäusen, denen man die reguläre Atmung unmöglich gemacht hatte. Die Mäuse überlebten mit dieser Behandlung länger als die Kontrollgruppe ohne.

Dann gingen die Forscherinnen und Forscher noch einen Schritt weiter und eliminierten Barrieren, die die Sauerstoffaufnahme des Darms behindern könnten, und entfernten die Darmschleimhaut. Die behandelten Tiere überlebten nicht nur länger, sondern schnappten auch nicht mehr nach Luft.

Da das Entfernen der Darmschleimhaut sehr unangenehm für Patienten sein könnte, testete das Team einen weiteren Ansatz und verabreichte Sauerstoff in flüssiger Form.

Es reicherte eine chemische Verbindung, Perflunafen, mit Sauerstoff an. Die Substanz kommt bereits in seltenen Fällten zur Behandlung von Frühgeborenen und als künstliches Blut zum Einsatz, um die Sauerstoffversorgung von Gewebe zu verbessern. Über das Rektum verabreicht, verbesserte die Flüssigkeit den Sauerstoffgehalt im Blutkreislauf der Tiere noch mehr. Auch bei Ratten und Schweinen war diese Methode erfolgreich.


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Caleb Kelly, ein Gastroenterologe von der Yale University, der nicht an der Studie beteiligt war, beschrieb die neue Methode als "vielversprechend".

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"Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir unsere Möglichkeiten zur Beatmung und Sauerstoffanreicherung bei schweren Krankheiten ausweiten müssen. Diese Nische wird auch fortbestehen, wenn die Pandemie abebbt", schrieb er in einem Begleitkommentar zu der Studie von 2021.

Allerdings gibt Kelly auch zu bedenken, dass die Tiermodelle nicht genau abbilden würden, was schwerkranke Patienten möglicherweise im Zusammenhang mit einem Lungenversagen erleben. Häufig kämen Infektionen, Entzündungen und ein niedriger Blutdruck hinzu. Diese Faktoren könnten die Darmbeatmung von Menschen merklich erschweren.

Takebe plant, diese Frage bald zu klären. Noch dieses Jahr möchte er klinische Versuche mit gesunden Freiwilligen durchführen. Und sollte sich die Methode als sicher herausstellen, will er die medizinische Tauglichkeit an Patienten mit Atemproblemen beweisen.

Er sagt, er könne sich vorstellen, dass in Zukunft an öffentlich Plätzen eine Dosis Sauerstoffflüssigkeit zur Ersten Hilfe für Menschen bei plötzlichen Atemstillstand verfügbar sein wird. Als Vorbild sehe er die sogenannten Laiendefibrillatoren, die bereits heute an vielen Schulen, Bahnhöfen oder Flughäfen verfügbar sind und mit denen man Menschen bei einem plötzlichen Herzstillstand retten kann.

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