Warum Liebe auch körperlich wehtut
Illustration by Vivian Shih

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Beziehung

Warum Liebe auch körperlich wehtut

Es ist kein Zufall, dass sich Liebeskummer manchmal wie Sterben anfühlt – und macht sogar evolutionär Sinn.

Ist euch jemals aufgefallen, wie brutal unsere Sprache sein kann, wenn wir Beziehungen beschreiben? Ihr seid in jemanden verknallt. Bei ihm werdet ihr schwach. Ihr liebt sie zu Tode. Und wenn die Beziehung endet, macht eure bessere Hälfte Schluss und ihr bleibt mit gebrochenem Herzen und jeder Menge Liebeskummer zurück, erschüttert von dem Verlust.

Liebe klingt so unangenehm, weil sie es ist. Sie kann buchstäblich wehtun – vor allem, wenn ihr sie verliert.

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Wenn die Wissenschaft sich mit Liebe und Schmerz auseinandersetzt, versuchen Forscher in erster Linie zu verstehen, wie Menschen auf Zurückweisung reagieren. 2003 zum Beispiel entdeckten Psychologen, dass die gleichen Hirnareale soziale Schmerzen verarbeiten, die auch für physische Schmerzen zuständig sind. Deswegen kann es auch so "wehtun", wenn eine Beziehung mit einem geliebten Menschen zerbricht.

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Das Team der UCLA beobachtete die Gehirnaktivitäten von 13 Studierenden, die am Computer ein Ballwerfspiel gegen zwei virtuelle Spieler spielten. Nach etwa einem Drittel Spielzeit hörten die Computerspieler auf, der Versuchsperson den Ball zuzuwerfen. Die Probanden berichteten später, sich ausgeschlossen gefühlt zu haben. Gleichzeitig zeigten MRT-Scans Aktivitäten im Anteriores Cingulum ­– einer Hirnregion, die auch dafür bekannt ist, bei körperlichen Schmerzen eine Rolle zu spielen.

"Ich glaube nicht, dass irgendjemand Trennungsschmerz mit einem gestoßenen Zeh verwechselt", sagte Naomi Eisenberger, ein Co-Autorin der Studie, gegenüber The Atlantic. "Aber emotionale Schmerzen haben eigentlich immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Körperliche Schmerzen nehmen wir ein ganzes Stück weit ernster. Die Ergebnisse unserer Arbeit suggerieren, dass wir uns auch Gedanken über die Auswirkungen emotionaler Schmerzen machen sollten."

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"Es brauchte irgendeinen Mechanismus, der sich einschaltet und sagt: 'Ich füge dir jetzt Schmerzen zu. Du musst etwas ändern.'"

Aber ist es möglich, jemanden so zu lieben, dass es buchstäblich wehtut? Geoff MacDonald, Dozent für Psychologie an der University of Toronto, ist jedenfalls davon überzeugt. Gegenüber Broadly definiert er jedoch zuerst, dass Schmerz in der Regel ein Anzeichen dafür sei, dass etwas fehlt. "Wenn du alles bekommst, was du willst, dann empfindest du in dem Moment nur Freude. Der Schmerz kommt, wenn du jemanden zu einem gewissen Grad liebst, aber nicht alles aus dieser Beziehung bekommst, was du dir vorgestellt hast. Und dann lässt sich beobachten, wie der Schmerzmechanismus aktiv wird."


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Evolutionär gesehen ergibt es laut dem Experten durchaus Sinn, dass Beziehungen Reaktionen in den gleichen Arealen verursachen, die für physischen Schmerz zuständig sind. "Wenn ein Tier vor einer neuen Überlebensaufgabe steht, dann bedient es sich dazu am besten an einem psychologischen System, das sich bereits in diesem Tier befindet." Irgendwann sei es für Menschen wichtig geworden, Verbindungen einzugehen. Deswegen seien vorhandenen Schmerzsysteme dazu vereinnahmt worden, auszuschlagen, wenn etwas sozial nicht besonders rund läuft.

"Stell dir vor, du versuchst, alleine in der afrikanischen Savanne zu überleben", sagt MacDonald. "Das ist wortwörtlich eine Situation, in der es um Leben und Tod geht." Deswegen sei die soziale Inklusion auch so wichtig geworden, argumentiert er. "Es brauchte irgendeinen Mechanismus, der sich einschaltet und sagt: 'Ich füge dir jetzt Schmerzen zu. Du musst etwas ändern.'"

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"Emotionen sind nicht irgendein geheimnisvolles, körperloses Wesen. Emotionen sind ein körperliches Phänomen."

MaDonald sagt, dass Schmerz sehr wahrscheinlich eine gesunde Reaktion sei – insbesondere am Anfang einer Beziehung, wenn Menschen drohen, von ihren Partnern geradezu besessen zu werden. Körperliche Empfindungen wie Schmerzen im Brustkorb oder eine allgemein gesteigerte Sensibilität könnten einer Person schließlich helfen, ihre Erwartungen an die Beziehung anzupassen, sie dazu motivieren, mit ihrem Partner über ihre Bedürfnisse zu sprechen oder noch einmal den Stellenwert der Beziehung zu hinterfragen.

Wie besorgt sollten wir also sein, wenn wir körperliches Unwohlsein erfahren, das wir mit Liebe in Verbindung bringen? "In besonders schweren Fällen ist es definitiv etwas, das man nicht ignorieren sollte", sagt MacDonald – insbesondere, wenn man "merkt, dass der Körper auf eine Bedrohung der Beziehung reagiert, als wäre es eine Bedrohung des eigenen Lebens”.

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"Emotionen sind nicht irgendein geheimnisvolles, körperloses Wesen. Emotionen sind ein körperliches Phänomen", erklärt er. "Sie sind nichts anderes als dein Körper, der Informationen über die Vorgänge seiner Umwelt sammelt und dich darauf vorbereitet, angemessen darauf zu reagieren."

Eine der großen Lehren aus dieser Erkenntnis, fährt MacDonald fort, sei, dass liebesinduzierte Schmerzen funktional sind. "Wir tun uns selbst keinen Gefallen, wenn wir versuchen sie zu ignorieren oder sie zu unterdrücken, anstatt einen Moment innezuhalten und auf sie zu hören. Diese negativen Gefühle sind Teil einer Anpassungsreaktion und eines Heilungsprozesses", sagt er. "Wenn du jemanden so sehr liebst dass es wehtut, dann nimm dir Zeit, um dich damit auseinanderzusetzen. Versuch zu verstehen, warum der Drang in dir so groß ist. Das, was in dir vorgeht, ist größer als diese eine Beziehung."

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