Männer im Smoking und Frauen in violetten Pailettenkleidern mit Federn auf dem Kopf, wir waren auf der Amsterdamer Masters  Expo
Alle Fotos: Roos Pierson
Menschen

Haben reiche Menschen wirklich mehr Spaß als wir?

Ich habe Europas glamouröseste Luxusmesse besucht, um das herauszufinden.
Tim Fraanje
Amsterdam, NL
RP
Fotos von Roos Pierson

Inflation, Teil-Lockdowns, erschreckende Infektionszahlen und gewalttätige Ausschreitungen bei Corona-Protesten: Im Amsterdamer Messezentrum scheint man von solch grauen Realitäten an diesen Novembertagen nichts wissen zu wollen. Im Amsterdam RAI findet nämlich ein glamouröses Luxus-Lifestyle-Event statt: die Masters Expo – ehemals auch bekannt als Masters of LXRY und noch ehemaliger als Millionaire Fair. Nichts wie hin.

Anzeige
Vier Frauen in Abendkleidern in einer Messehalle neben einem ausgestellten Auto, im Hintergrund ein Motorboot

Besucherinnen beim Boots-Shoppen

Zwei junge Männer in Anzügen und eine junge Frau in einem roten Kleid schauen sich Mountainbikes an

Die Geschniegelten und Gestriegelten begutachten ein paar teure Fahrräder

Ein junger Mann mit blonden langen Haaren und Anzug neben einem großen leuchtenden Teddybär

Der Autor liebäugelt mit neuer Weihnachtsdeko

Vor dem Gebäude hält sich die Begeisterung in Grenzen. "Das sieht überhaupt nicht beeindruckend aus", sagt eine junge Frau mit hohen Absätzen zu ihrer Begleitung. "Es ist halt eine Messe", antwortet die Begleitung.

Hier draußen weist nichts auf die Opulenz hin, die hinter den Türen auf uns warten muss. Die Plakate für die Veranstaltung, die dieses Jahr ein Roaring-20s-Motto hat, sehen mehr nach Werbung für Peaky Blinders oder eine schlechte Netflix-Produktion über die Prohibition aus als nach grenzenlosem Luxus. Offenbar lebt hier die Vorstellung weiter, dass auf Corona eine Zeit voller Ausschweifungen und Verschwendung wie in den 1920ern folgt. Die meisten von uns haben davon allerdings bislang noch nicht viel gemerkt

'I DON'T WA$TE MY TIME' steht geschrieben auf einer weißen Tonne, welche mit Absperrkordel gesicherrt ist

Ein Lebensmotto, welches auch ein Werk des niederländischen Künstlers Selwyn Senatori ist. Für nur 53.000 Euro kannst du es haben

Drinnen gibt es dann aber Autos, Diamanten und Jachten – allesamt in den glamourösen Schein heller Deckenleuchten getaucht. Es ist Luxus in seiner offensichtlichsten Form. Wenn man sich in der Messehalle umschaut, scheint es, als wäre die Marketingkampagne nicht das einzige, was bei dieser Veranstaltung eher verhalten ist. Selbst die beworbenen Luxusapartments stehen in einem verschlafenen Vorort von Amsterdam. In den Niederlanden können es sich anscheinend nicht mal mehr die Topverdienerinnen und Topverdiener leisten, in den Innenstädten zu leben.

Anzeige
Ein DJ im Smoking spielt am Tresen einer Strandbar-Attrappe. Zwei Frauen in schwarzen Kleidern sitzen unter einem Sonnenhut

Hier verkauft die Reiseagentur Corendon "Premium"-Reisen. Der Veranstalter TUI, eher bekannt für erschwingliche Pauschalreisen, ist auch hier. Die Niederländische Karibik sei momentan besonders beliebt. "Du kannst nur ein Auto kaufen, aber 20-mal im Jahr Urlaub machen."

In den 1920ern dürfte der Untergang der Titanic den Menschen noch gut in Erinnerung gewesen sein. Hundert Jahre später bleiben Kreuzfahrten trotz einer grassierenden Pandemie ein wichtiger Teil des Luxussegments. Für nur 33.000 Euro kannst du an Bord des Fünf-Sterne-Schiffs Le Commandant Charcot gehen und einen zweiwöchigen Abstecher zum Nordpol machen. Ich spreche mit Stephen, einem vielgereisten US-Amerikaner, der für den Veranstalter arbeitet, der diese Reisen anbietet. Er hat sogar schon selbst zu Recherchezwecken den Nordpol besucht und dabei acht Eisbären gesehen. "Ich dachte, ich würde mich da langweilen", sagt Stephen. "Aber das war nicht so. Als wir dann den 90. Meridian im Westen kreuzten, knallten die Champagnerkorken, und die Party ging los."

Für Stephen ist es kein gedankenloser Eskapismus, an Bord eines schwimmenden Palastes zu klettern, um sich Eisbären anzugucken. Nein, für Stephen ist das Klimaaktivismus. "Wir bringen Nachhaltigkeit auf ein neues Level", sagt er und verweist darauf, dass es sich bei dem Schiff um eine klimafreundliche Reiseoption handele. Außerdem dürften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kostenlos mitfahren, und die Urlauberinnen hätten die Möglichkeit, sich regelmäßig Vorträge über die Erderwärmung anzuhören. Wenn man Stephen glauben soll, dann kann eine Reise zum Nordpol sogar die Klimakrise bekämpfen. "Sobald die Passagiere sehen, wie schön und fragil die Landschaft dort ist, werden sie sie beschützen wollen", sagt er.

Anzeige

Interessanterweise scheint eher das Gegenteil passiert zu sein, dabei gibt es Nordpolkreuzfahrten schon seit Jahrzehnten. "Natürlich, historisch betrachtet nimmt die Menge des Eises ab, aber es entsteht auch jedes Jahr neues Eis. Bei der Kreuzfahrt sind wir tagelang durchs Eis gebrochen. Das Eis war überall!", sagt Stephen. Aber während in der Antarktis das Meereis tatsächlich zunimmt, schmelzen Gletscher und Schelfeis rapide und produzieren große Mengen Süßwasser. Laut der Umweltschutzorganisation World Wild Life haben wir in den vergangenen 30 Jahren sogar 95 Prozent des ältesten und dicksten arktischen Eises verloren.

Ein edel aussehender BBQ-Grill mit Gemüseattrappen auf dem Rost

Die Frau am BBQ-Stand ist optimistisch: "Wir haben einen großen Anstieg beim Verkauf von Outdoor-Küchen und BBQs gesehen. Die Menschen genießen immer mehr, draußen zu sein – auch dank des Klimawandels."

Laut Rosanna, einer glamourösen Business-Strategin, mit der ich an der Bar einen Schaumwein trinke, ist die Klimakrise die 2021er Version der Prohibition. "Wir müssen darüber nachdenken, was wir anders machen, wie wir neue Geschäftsmodelle erfinden. Wir befinden uns in einem Zeitalter des Umbruchs", sagt sie. 

In ihrer Freizeit hilft sie mit ihrer langjährigen Berufserfahrung jungen Unternehmerinnen, die beruflich vor einer Wand stehen. "Mein Mann und ich haben ein Bed and Breakfast in Modena, nahe Bologna. Eine wunderschöne Anlage, ein echtes Paradies mit Blick auf die Berge. Aber als wir öffnen wollten, kam Corona, und wir hatten keine Buchungen. Also haben wir selbst dort gewohnt." Wie es scheint, hat es gerade wirklich niemand leicht.

Anzeige
Eine Frau im funkelnden Kleid vor einem grünen Sportwagen

Rosanna und ein sehr teures Auto

Etwas fröhlicher geht es an der Bar zu, die vom Krypto-Start-up Icoinic gesponsert wird. Bei einem Drink quatsche ich mit CEO Egbert Krop. Unsere Unterhaltung kommt bald auf die Hyperinflation der Weimarer Republik Ende der 1920er zu sprechen. Damals mussten die Menschen Lebensmittel mit Schubkarren voller Geldscheine kaufen. Krop erinnert mich daran, dass es in der Kryptowelt keine Inflation gebe. Die Preise der verschiedenen Währungen auf dem Markt mögen zwar hoch und runter gehen, aber dieser "einfache Niederländer", wie er sich nennt, hat Vertrauen in die langfristigen Möglichkeiten der Kryptowährungen. Und das sollte er auch: Sein Business boomt.

Er sei allerdings "nicht besonders materialistisch" und nur auf der Messe, um ein paar Flaschen Wein zu kaufen. So ähnlich sehen das auch einige andere Gäste, mit denen ich spreche. Diejenigen, die ihr Vermögen digital gemacht haben, scheinen nicht so heiß auf materielle Besitztümer zu sein wie die klassische Oberschicht.

Bei der Messe wird auch ein Lamborghini ausgestellt, der vom Künstler Pablo Lücker dekoriert wurde. Das eine halbe Million Euro teure Auto gibt es als Gratisgeschenk zum Kauf eines NFTs desselben Künstlers dazu. Pablo sei hier, um ein bisschen Leben in die Bude zu bringen, sagt er. "Viele der Leute hier sind doch einen Ticken blasiert."

Anzeige
Drei Männer im Smoking sitzen Champagner-trinkend an Tischen und sehen etwas angespannt aus

Drei Messebesucher hauen auf den Putz

Die Person auf dieser Messe, die vielleicht die größte Abneigung gegenüber der materiellen Welt hegt, ist der YouTuber Kwebbelkop. Er überlegt, sich die NFT-Lamborghini-Kombo zuzulegen. "Nicht für den Lamborghini, sondern für das NFT." Das Auto würde er einfach verkaufen.

Ein Mann mit blauem Mantel und weißer Hose steht neben einem schwarzen Sportwagen mit weißer Bemalung

Pablo Lücker und der Lamborghini, den er angemalt hat

Um 18 Uhr ist die Party vorbei, denn auch eine Masters Expo muss sich an die niederländische Pandemieverordnung halten. Bislang scheinen die Unternehmen und Menschen, die in der Krise fette Profite einfahren, viel mehr interessiert an Bescheidenheit und Effizienz zu sein als an grenzenlosem Hedonismus. Die Rückkehr der Roaring 20s bleibt weiterhin viel mehr Wunsch als Realität.

Ein junger Mann mit Anzug und aufgeknöpftem Hemd neben einer jungen blonden Frau in schwarzer Hose und knappen Top posieren vor einem Sportwagen

YouTuber Kwebbelkop, seine Begleitung und der Lamborghini

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.