eine Person liegt auf einer Matratze auf dem Boden, der Arm verdeckt das Gesicht
Foto: Guille Faingold | Stocksy

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Feminisme

Warum schlafen so viele Männer auf einer Matratze auf dem Boden?

Ein Bettgestell muss nicht mehr kosten als eine Nacht im Club. Wir sprechen mit Männern, die trotzdem lieber wohnen wie Studenten.

In letzter Zeit ist mir eine bestimmte Art Mann verstärkt aufgefallen: Er trägt eine wertige Uhr, seine Kleidung kommt nicht vom Wühltisch, er könnte sich definitiv ein Bett leisten – und trotzdem schläft er auf einer Matratze auf dem Boden.

Frauen, die Männer daten, beschweren sich schon länger über dieses Phänomen. In einem Artikel auf CityPages von 2017 schreibt Ali O'Reilly: "Wenn ich für jedes Date, das eine Matratze auf dem Boden hatte, eine Karte lochen würde, könnte ich ein Schattentheater über die Milchstraße machen." Vergangenes Jahr twitterte Nicole Cliffe einen Thread, der viral ging: Ihr Mann habe auf dem Boden geschlafen, als sie ihn kennenlernte. Unzählige Männer und Frauen antworteten und erzählten von ihren eigenen Partnern (meist waren es Männer), die sich weigerten, in einem ordentlichen Bett zu schlafen.

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"Ich habe bisher erst einen Mann gedatet, der ein Bettgestell hatte", twitterte eine Frau. Sie sei 27 und date seit sechs Jahren Männer in New York. "Als wir uns kennengelernt haben, hat sich mein Freund so gegen normale Betten gewehrt, dass er nicht mal eins kaufen wollte – er musste sich selbst eins bauen", postete eine andere. "Es war im Grunde eine traurige Futon-Matratze auf ein paar Brettern."


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Schlafen wirklich mehr Männer als Frauen auf dem Boden? Die anekdotische Beweislage legt es nahe. Ich selbst habe schon häufig Männer gedatet, die tatsächliche Betten hatten, daher will ich mir noch kein finales Urteil erlauben. Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen und mit mehr Typen zu sprechen.

Die zahlreichen Männer, die ich für diese Story konsultiere, haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Einer von ihnen ist Corbin Smith, 30 und Ex-Bodenschläfer. Er sagt, er habe bis vor Kurzem für neun Monate auf dem Boden geschlafen. Weil sein Boxspring-Bett kaputtgegangen war.

"Als ich anfing, auf dem Boden zu schlafen, dachte ich: 'Das wird schon passen, das habe ich als Teenager auch gemacht.'" Letztendlich habe er aber gemerkt, dass die jugendliche Schlaflösung seinem Leben schadete. Seine damalige Langzeitfreundin habe sich zwar nie direkt beschwert, doch Smith meint, sie muss insgeheim ein Problem damit gehabt haben. Die beiden trennten sich schließlich. "Die Matratze auf dem Boden ist wahrscheinlich eine gute Metapher für das Ganze", sagt er.

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Als Smiths Bett kaputtging, hatte er es nicht eilig, ein neues zu kaufen. Teils wegen des Geldes. Er sei Freiberufler, erklärt Smith, sein Einkommen unregelmäßig. "Aber ein Teil von mir dachte vermutlich auch, ich müsste mich nicht um Bequemlichkeit scheren."

Ein weiterer Mann, der anonym bleiben möchte, war Bodenschläfer, bis seine Frau – damals noch Freundin – ihn zwang, ein Bett zu kaufen. Ihm sei der Boden wirklich lieber, beteuert er auch heute noch. "Der Boden hat den Körper besser gestützt als so ein Metallrahmen", sagt er. "Außerdem quietschen viele Bettgestelle, wenn man Sex hat. Ich hasse das."

In einem Reddit-Thread von 2015 fragt ein Mann: "Ist eine Matratze auf dem Boden ein großes Thema? Ich habe eine Doppelbettmatratze ohne Bettgestell." Einige Männer antworten, ganz wie mein anonymer Gesprächspartner, dass der Boden mehr Halt gebe und beim Sex nicht quietschen könne.

Ein User meint sogar, eine Bodenmatratze sei ein guter Weg, um Frauen aus seinem Dating-Pool zu filtern, die sich nur für einen wohlhabenden Mann interessieren würden. "Kleine Details, die auf Armut hindeuten, sind großartig, um oberflächliche Bitches zu durchschauen", schreibt er unter dem Nutzernamen intensely_human.

Der gruseligste Kommentar von allen? "Alter, ich schlaf auf einer Decke auf dem Teppichboden. Mein Bett steht in einem Lagereinrichtung. Ich vermisse es nicht mal."

Zugegeben gibt es in aller Welt Menschen, egal ob Mann oder Frau, die gern auf dem Boden schlafen. Die minimalistischen traditionellen Futons in Japan sind bequem und gut für den Rücken. Einige der Bodenschläfer, mit denen spreche, berufen sich auf genau diese Faktoren. Die meisten fingen aber einfach irgendwann an, auf Bettgestelle zu pfeifen, oder vergaßen, sich ein Bett zu kaufen. Es hatte sich nicht ergeben und das war OK.

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Die Matratze auf dem Boden ist ein seltsames Phänomen, weil der Großteil ihrer Verfechter sich das tiefergelegte Schlafen nicht auszusuchen scheint. Es passiert, und dann finden sie sich damit ab, arrangieren sich. Halten es aus.

"Ich habe das Gefühl, dass es Männern im Allgemeinen egaler ist, ob es bei ihnen zu Hause gemütlich ist oder nicht. Sie achten vor allem darauf, dass alles praktisch ist."

Ich frage Smith, ob seine Ambivalenz gegenüber Bettgestellen irgendetwas mit seinem Geschlecht zu tun habe. Immerhin sind viele Frauen der Meinung, dass es da einen Zusammenhang gibt. "Also ich habe jetzt keine Ahnung von der Demographie", antwortet er. "Aber ich glaube, dass Frauen von der Gesellschaft dazu angeregt werden, sich mehr um sich selbst zu kümmern. Bei Männern ist das nicht wirklich der Fall."

Das leuchtet mir ein. Ich habe schon viel zu viele Typen gedatet, die seit Jahren ohne Klimaanlage in New York leben – obwohl sie sich ein solches Gerät locker leisten könnten und es ihnen auch ganz gut tun würde. Ihr eigener Komfort ist ihnen anscheinend nicht so wichtig wie … ihre toughe Männlichkeit? Wie Sex, den man wegen zu viel Schweiß unterbrechen muss? Gute Gründe konnten sie mir nie nennen. Sie sagten immer nur sowas wie "Ich habs jetzt schon so lange ausgehalten" und dann war die Sache für sie erledigt.

Dann haben wir da noch die schon lange bestehende Diskussion um die Arbeit im Haushalt – eine Kategorie, unter die ich die Auswahl und den Kauf eines Bettgestells auf jeden Fall einordnen würde. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 kümmern sich in den USA nur 19 Prozent der Männer, die nicht von zu Hause aus arbeiten, um die Aufgaben, die im Haushalt anfallen. Bei Frauen sind es 50 Prozent.

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Eine Frau, die lieber anonym bleiben will, erzählt mir: "Ich habe das Gefühl, dass es Männern im Allgemeinen egaler ist, ob es bei ihnen zu Hause gemütlich ist oder nicht. Sie achten vor allem darauf, dass alles praktisch ist. Als ich meinen Ehemann kennenlernte, hatten er und sein Mitbewohner nicht mal eine Couch im Wohnzimmer stehen, sondern nur zwei Klappstühle und einen Fernseher." Zu diesem Phänomen gibt es inzwischen sogar ein Meme.

So sieht zumindest das Klischee aus. In einem Glamour-Artikel mit dem Thema "Dinge, die Frauen beschäftigen, Männer aber nicht" steht Dekoration sehr weit oben. "Das liegt daran, dass es Männer gerne bequem und gleichbleibend haben", schreibt der Autor darin. "Zwar kann der ganze Deko-Kram schon sehr schön sein, aber ohne würde ich es irgendwie wohl auch gemütlich finden. Viele Frauen müssen sich ihre vier Wände richtig einrichten, um sich darin zu Hause zu fühlen. Die meisten Männer machen hingegen einfach ein Zuhause aus dem, was sie schon haben."

Letztendlich ist es jedoch so, dass etwaige Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern auf der Sozialisierung beruhen und nicht auf tatsächlichen angeborenen Tendenzen. Und man muss schon viel verallgemeinern, um diese Unterschiede zu benennen. Ich würde mich selbst zum Beispiel nicht gerade als ordentliche Frau beschreiben. Während meiner ersten Monate in New York war ich selbst zu faul und zu pleite, um mir ein Bettgestell zu kaufen. Deswegen habe ich erstmal auf einer Matratze auf dem Boden geschlafen und gegessen. Ich weiß, dass man nicht gerade ständig daran denkt, sich ein Bettgestell zu kaufen, wenn das Geld knapp ist und es allgemein nicht gut läuft. Die Teile sind nämlich nicht nur ziemlich teuer, sondern können einem beim Aufbau auch einiges an emotionaler Stärke abverlangen.

Ich habe bisher nur bei wenigen Typen übernachtet, die ihre Matratze direkt auf dem Boden liegen hatten. Und es hat mir nie etwas ausgemacht. Mir ist allerdings auch bewusst, dass nicht alle Frauen so denken. "Mich würde eine Matratze auf dem Boden schon irgendwie verstören", sagt mir eine gute Freundin, die lieber anonym bleiben will. "Das Ganze bedeutet für mich nämlich entweder großes Selbstvertrauen, Faulheit oder Hoffnungslosigkeit. Und ich kann mich da nur mit der Hoffnungslosigkeit identifizieren."

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