Menschen

Der letzte Wille dieser Oma war ein Riesenpenis auf ihrem Grab

Wir haben mit der Familie der verstorbenen Mexikanerin gesprochen.
Zwei Fotos nebeneinander, links sieht man eine rosa Penisstatue in einer Werkstatt, rechts eine alte Frau in einem Rollstuhl, die 99-jährige Mexikanerin wünschte sich einen Penis auf ihrem Grab.
Die Statue ist etwa 1,67 Meter hoch und 275 Kilo schwer | Linkes Foto mit freundlicher Genehmigung von Isidro Lavoignet | Rechtes Foto mit freundlicher Genehmigung von Álvaro Mota Limón

Die 99 Jahre alte Mexikanerin Catarina Orduña Pérez hatte einen letzten Wunsch: Auf ihrem Grab sollte eine gigantische Penisstatue stehen.

In einer feierlichen Zeremonie enthüllte ihre Familie am 23. Juli das fertige Monument. Es ist 1,67 Meter hoch, etwa 275 Kilo schwer und besteht aus einem gigantischen Penis und zwei dicken Hoden. Das Prachtstück auf ihrer Gruft sei "eine Würdigung ihrer Liebe und Lebenslust", so die Familie. 

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"Sie wollte mit den mexikanischen Gewohnheiten brechen. Dinge werden hier manchmal versteckt, weil die Menschen nicht offen genug sind", sagt ihr Enkel Álvaro Mota Limón. "Sie war immer sehr avantgardistisch, in ihrem Denken sehr fortschrittlich."


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Doña Cata, wie man sie  in ihrem Heimatort liebevoll nannte, der Kleinstadt Misantla im östlichen Bundesstaat Veracruz, hatte eine besondere Affinität zu Penissen und dem, was sie für sie repräsentierten.

"Sie sagte immer, dass wir Vergas seien", sagt Mota Limón.

Wenige mexikanische Slang-Wörter sind so vielseitig wie Verga. Direkt übersetzt bedeutet das Wort Schwanz oder Penis, aber je nach Verwendung kann es eine brutale Beleidigung oder ein Kompliment sein. Wenn etwas verga ist, kann es wertlos sein oder es ist cool.

Doña Cata verwendete den Ausdruck mit Stolz. Sie habe ihre Angehörigen als Vergas bezeichnet und damit gemeint, dass sie Menschen mit moralischer Stärke seien, "voller Integrität, Mut, Leidenschaft, Liebe und Lebensfreude", sagt Mota Limón.

Eine große Penisstatue auf einer Gruft mit rosa Fliesen

Foto mit freundlicher Genehmigung von Álvaro Mota Limón

Die Urgroßmutter Doña Cata war in Armut aufgewachsen und hatte keine Schule besucht. Durch harte Arbeit und Entschlossenheit wurde sie aber zu einer einflussreichen Bürgerin Misantlas. Für Politiker war es wichtig, Doña Cata zu besuchen und für sich zu gewinnen, weil sie wussten, welchen Stand sie in der Gesellschaft hatte.

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Doña Cata hat ihre Einstellung an ihre Kinder, Enkelkinder und Urenkel weitergegeben: Sie seien Vergas und könnten alles erreichen, was sie wollen. In dem Land, das von patriarchalen Strukturen geprägt ist, habe das vor allem für die Frauen gegolten, sagt Mota Limón. Viele Familienmitglieder legten dann auch beeindruckende Karrieren hin. Mito Limóns Schwester hat einen Doktortitel, er selbst hat zwei Master-Abschlüsse und war eine Zeit lang Bürgermeister von Mislanta. 

Mota Limón erinnert sich an den Optimismus seiner Großmutter. Sie sei der Meinung gewesen, dass man sich von Problemen nicht überfordern lassen sollte. Diese Einstellung vermittelte sie ihrer Familie mit der Metapher eines Penis. Wenn du verga bist, "solltest du nicht aufgeben und Probleme direkt angehen".

Im Laufe der Jahre äußerte Doña Cata gegenüber ihrer Familie und anderen Menschen in Misantla immer wieder den Wunsch, dass ein Penis einmal ihre Gruft schmücken sollte. Mota Limón nahm das anfangs nicht wirklich ernst. So war halt seine Oma: frech, unerschrocken und mit einem eigensinnigen Humor. Aber kurz vor ihrem Tod fragte er sie noch einmal nach ihrem Wunsch.

"Sie sagte mir, dass sie sich wünsche, dass man sie nicht vergisst und dass wir uns leichter an das erinnern, was wir an ihr liebten", sagt er. Nach Doña Catas Tod am 20. Januar 2021 "sprachen wir innerhalb der Familie darüber und entschieden uns, ihren Traum wahr werden zu lassen".

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Mota Limón rief einen Ingenieur im Ort an, der Plastikprodukte wie Wassertanks und Kinderspielzeug herstellt, und fragte ihn, ob er bereit wäre, den Auftrag anzunehmen.

"Zuerst dachte ich, das wäre ein Witz", sagt Ingenieur Isidro Lavoignet, der die Penisstatue entwarf. "Solche Skulpturen und Denkmäler sind nicht gerade üblich, vor allem nicht in Gedenken an Verstorbene."

Nachdem Mota Limón ihm mehrmals versichert hatte, dass er es ernst meint, machte sich Lavoignet an die Arbeit. Es brauchte fast einen Monat und ein zwölfköpfiges Team, um die Statue zu bauen. Besondere Probleme bereiteten die Hoden, die in der ersten Version "entstellt" gewesen seien, so der Ingenieur.

Auch wenn es das ungewöhnlichste Projekt gewesen sei, das er je gebaut hätte, sagt Lavoignet, habe der Wunsch ihn nicht vollkommen überrascht. Er kannte ja Doña Cata. Sie sei eine Frau gewesen, die "Tabus gebrochen hat".

Am 23. Juli wurde die Statue auf dem Grab enthüllt und schnell verbreiteten sich Bilder davon in den sozialen Netzwerken. Die Lokalmedien stürzten sich auf den Riesenpenis, was Lavoignet noch ein paar interessante Anfragen einbrachte. Vor Kurzem wurde er darum gebeten, einen Grabstein in der Form eines Kipplasters zu bauen. Der Verstorbene hatte offenbar jahrelang in der Baubranche gearbeitet.

Aber nicht alle seien glücklich über die Penisstatue auf dem Friedhof in Misantla, sagt Limón.

"Etwa sieben von zehn Menschen sehen die Statue positiv oder respektieren sie zumindest als Doña Catas Wunsch", sagt er. "Die anderen wiederum sind in ihren konservativen Ansichten sehr engstirnig und mögen sie nicht."

Aber wie Doña Catas Enkel erzählt, habe die Familie den Gegenwind bereits erwartet und billigend in Kauf genommen. Schließlich sind sie ein Haufen Vergas.

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