Popkultur

So unangenehm ist der neue Werbeclip für den TV-Kanal von BILD

Man wünscht sich, Springer hätte seine Redakteure durch Schauspieler oder wenigstens süße Hunde ersetzt.
Julian Reichelt im Konferenzraum der Bild-Zeitung. Der Werbeclip zum neuen Bild-TV-Sender ist unlustig und gruselig.
Screenshot: Bild

Der deutsche Humor ist tot und Bild ist sein Mörder. Vor neun Jahren erschien die letzte Folge von Stromberg. Heute erschien die hoffentlich letzte Persiflage auf die Serie, die eigentlich etwas viel Boshafteres ist als das. 


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Die Bild-Zeitung startet einen eigenen TV-Sender. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche Programm. Dafür hat sie einen Werbespot produziert und eigentlich dürfte man darüber gar nicht berichten, weil es genau das ist, was sie will. Dann wiederum ist dieser Spot auf so vielen Ebenen daneben, dass es auch keine Lösung sein kann, die Füße still zu halten und darauf zu hoffen, dass die der anständigen Zuschauer den Sender so bald wie möglich in Grund und Boden trampeln.

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Der Werbe-Clip will also Stromberg persiflieren. In der Serie geht es um einen narzisstischen Chef, der in erster Linie seine Mitarbeiter terrorisiert und für den eigenen Status kämpft. Das ganze spielt in einer Versicherung, also im Prinzip dem Wirtschaftszweig, der dem deutschen Wesen am nächsten kommt mit seinem Versprechen auf Sicherheit in einer komplexen, unvorhersehbaren Welt. 

Die ersten Sekunden des Bild-Werbeclips zitieren das Intro Strombergs bis in kleinste Details. Eine dudelige Fahrstuhlmusik und Szenen von Menschen, die morgens ihren Arbeitsplatz betreten. Bei Stromberg strömen sie in den Fahrstuhl, im Werbevideo in den Paternoster des Axel-Springer Hochhauses. Wir sehen anonyme Füße über Bürogänge schlurfen und schließlich den Chef, der nicht zu den ersten gehört, die zur Arbeit erscheinen. Stromberg quetscht sich in seinem Intro als letzter in den Fahrstuhl, bei der Bild kommt Chefredakteur Julian Reichelt als letzter in die Morgenkonferenz.

Das klingt nach Selbstironie. Es klingt nach zeitgenössischer Leichtigkeit, mit der Reichelt anderen die Möglichkeit bietet, über ihn zu lachen und sie dabei vergessen lässt, dass mit diesem Typ nun wirklich nicht zu spaßen ist. Der Stromberg der Serie ist ein sexistischer, rassistischer Karrierist, ein speichelleckender Emporkömmling ohne Prinzipien und Ehrgefühl. Und Reichelt… nun ja. 

Dabei weckt die Stromberg-Nostalgie ja zuerst ein positives Gefühl. Stromberg war eine Serie, die in winzigen, teilweise gemein-subtilen Details das deutsche Wesen offengelegt hat. Diese Bräsigkeit des Büroalltags, der graue Alltag, der nicht nur als verbrauchte Metapher funktioniert, sondern durch die entsättigten Farben der Serie und die immer gleichen Rituale bloßgestellt wurde, vom Gießen der Monstera-Zimmerpflanzen durch die Putzfrau mit Kopftuch am Morgen bis hin zum Röcheln der Filterkaffeemaschine – mindestens einzelne Aspekte des Stromberg-Lifes kennt jeder, der einmal in einem deutschen Büro saß. Deshalb war die Serie so gut. 

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Stromberg war so etwas wie Loriot für Menschen, die nach 1980 geboren wurden. Statt Holzvertäfelung, Hausfrauen und Kaffeekränzchen gab es überfüllte Öffis, sinnentleerte Arbeitsverhältnisse und farblosen Teppichboden. Das deutsche Wesen trug zwar jetzt kurzärmelige Hemden und kam in schnelleren Schnitten daher. Es war aber nach wie vor langweilig, unattraktiv, obrigkeitshörig und rücksichtslos.

Nun dürfte folgende Überleitung nicht überraschen: Es war so wie das, wofür wir die Bild-Zeitung halten. Und deswegen kann man ihren Versuch, sich über das Zitieren von Stromberg Sympathien zu erschleichen, auch nicht nur nicht schmunzeln. Es wirkt geradezu perfide. Vor wenigen Monaten erst stand Julian Reichelt unter gigantischem Druck, weil ihm von Mitarbeiterinnen Nötigung und Mobbing vorgeworfen worden war. Reichelt nahm sich eine Auszeit, wurde freigestellt, während im Rahmen eines Compliance-Verfahrens Beteiligte zu den Vorfällen befragt wurden. Am Ende blieb von den Vorwürfen wenig Handfestes übrig, trotzdem musste er einen Teil seiner Macht abgeben, die vorher fast absolut gewesen war.

Als Reichelt im Werbevideo nun den Konferenzraum betritt und von seinem Vize Paul Ronzheimer gefragt wird, was es denn mit den Kameras im Raum auf sich habe, da antwortet Reichelt: “Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.” Bild kokettiert hier mit den Verfehlungen des Chefs, der durch das Compliance-Verfahren reingewaschen wurde.

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“Die Kameras”, auf die sich Ronzheimer bezieht, sind dann auch einmal kurz im Bild. Eine Anspielung auf Stromberg. Denn die Serie war eine sogenannte Mockumentary, also eine satirische Fake-Dokumentation. Das Genre ist groß geworden durch die Serie The Office in Großbritannien, die bald in zahlreichen Staaten kopiert wurde, unter anderem in Deutschland, als Stromberg

Im Clip sehen wir die Redakteure in der Konferenz lachen, als Reichelt seinen entwaffnenden Satz gesagt hat. Allerdings in so vielen Kameraeinstellungen, dass offensichtlich wird, dass es sich hier nicht um eine spontane Begleitung des Bild-Alltags handeln kann – so viele Kameras wie es verschiedene Kameraeinstellungen gibt, würden gar nicht in den Raum passen. Bild zerstört also sein eigenes Zitat, der Witz bricht, bevor er witzig werden konnte. Aber die Gefahr bestand ohnehin nicht.

Denn immer wenn einer der Redakteure spricht, wabert dem Zuschauer die Fremdschamesgänsehaut in den Unterarm. Das ist alles so furchtbar hölzern und schlecht, dass man sich wünscht, Springer hätte seine Redakteure durch Schauspieler oder wenigstens süße Hunde ersetzt. 

Natürlich zitiert der Werbe-Clip nicht nur Stromberg, sondern auch die Amazon-Dokumentation BILD.Macht.Deutschland. Denn den Konferenzraum kennt der geübte Zuschauer bereits, die Aufnahmen des güldenen Hochhauses, die Charaktere – all das hat man schon einmal in besagter Doku gesehen. Darin begleitete ein Kamerateam tatsächlich die Arbeit der Bild, ein ganzes Jahr lang. 

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In der Doku, die eigentlich eine Transparenz-Offensive der Bild sein sollte, beziehungsweise als solche verstanden werden sollte, sieht man einen Alltag zwischen Harmonie und Stress, aber mit immer kollegialem Umgang. Dass Reichelt junge Mitarbeiterinnen verführt, ist nie zu sehen. Stattdessen die sensationsgierige, teilweise unmenschliche Verfolgung des Leids von Menschen und der Versuch politischer Einflussnahme durch die Tageszeitung. Leute, die es gut meinen, fanden Bild danach sympathischer, Leute, die ohnehin kritisch waren, fanden genug Stoff, um sich aufzuregen. Ob die Doku Bild eher genützt oder geschadet hat, kann man schwer sagen, aber wahrscheinlich gilt auch für die Bild, dass jede Art von Aufmerksamkeit schön ist.

Die Dramaturgie des Werbeclips nun ist schnell erzählt: Die Redaktion sucht einen Slogan für die Werbekampagne des Bild-Senders. Ideen werden durch den Raum geworfen, Reichelt wirkt offen, freundlich, kollegial. Seine Mitarbeiter werden dargestellt, als sei die Atmosphäre so freundschaftlich, dass man selbst die dümmsten Witze problemlos in den Raum brüllen kann. Danach immer wieder Schnitte auf das Gelächter der anderen. Wenn es nicht so krampfhaft hölzern wirken würde, man könnte es vielleicht sogar glauben. Doch die Augen über den zum Grinsen verzerrten Lippen bleiben tot. Ha.Ha.Ha.Ha.Ha.

Nein, das alles ist nicht Stromberg, das ist nicht witzig. Hier soll nichts entblößt werden, das ist keine kluge Satire und auch keine ehrliche Aufarbeitung von Kritik. Dieser Clip ist auch kein Zitat der Serie. Hier sehen wir nur hämische Koketterie von Menschen, die wissen, dass große Teile der Gesellschaft mit Verachtung auf sie blicken, und ihnen doch nichts anhaben können. Denn noch größere Teile dieser Gesellschaft finden das ja weiterhin gut, kaufen die Zeitung und den Zugang hinter die Paywall. Und sie werden auch den Sender gucken, denn, das zeigt die zweite Hälfte des etwa dreieinhalb Minuten langen Clips: Hier passiert was. 

Zu flottem Hip Hop rasen in schnellen Schnitten Bilder vorbei aus dem Krieg, vom Sport, von halbnackten Frauen und Promis. Kein Mensch mit Libido oder Langeweile will da nicht reinzappen. 

In der Konferenz einigt man sich schließlich auf den Slogan “Wählt Bild!!” – Es sei ja schließlich Wahlkampf in Deutschland.

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