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Ein 'Magic: The Gathering'-Spieler über Geld, Reisen und teure Karten

Früher waren Kartenspieler als uncoole Nerds verschrien, heute räumen sie richtig ab.
Niccolò Carradori
Florence, IT
Marco Cammilluzzi, ein Pro Magic Spieler in der professione
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Marco Cammilluzzi

Als ich elf Jahre alt war, fing ich an Magic: The Gathering (MTG) zu spielen, das weltweit berühmteste Sammelkartenspiel. 1993 herausgebracht, wird MTG entweder offline oder online mit zwei oder mehr Personen gespielt. Spieler schlüpfen in die Rolle eines Zauberers und gewinnen, wenn sie ihre Gegner im Spiel töten. Die Karten stellen verschiedene Kreaturen, Zaubersprüche und Artefakte dar. Ich liebte dieses Spiel bis zur Besessenheit. 

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Als ich in zur Highschool ging, war das Spiel plötzlich als uncool verschrien. Weil ich Mädchen beeindrucken wollte, hörte ich auf zu spielen. Rückblickend war das ein riesiger Fehler. Hätte ich weiter gespielt, hätte ich vielleicht die Welt als professioneller Magic-Spieler bereist. Den Beruf gibt es nämlich. 


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Das Spiel generiert massiven Profit für Hasbro, die Firma hinter dem Spiel. Es wurde in den letzten Jahren sogar als Hasbros größte Einnahmequelle benannt. Bis 2021 wird die Zahl der registrierten User auf der Magic Arena, der Online-Plattform des Spiels, vermutlich auf elf Millionen steigen. Eine mobile Version soll Ende 2020 auf den Markt gebracht werden. Diese Zahlen zählen die Spieler, die mit echten Karten spielen, noch gar nicht mit. 

Im Dezember 2019 gewann der Pole Piotr Głogowski 90.000 Euro, als er die letzte Mythic-Meisterschaft holte. Das ist ein Wettbewerb, an dem du nur mit einer Einladung teilnehmen darfst und bei dem es insgesamt 440.000 Euro Preisgeld gibt. Aber das ist noch nicht einmal das höchstdotierte Turnier: die letzte Edition des super exklusiven MTG Arena Mythic Invitational hatte insgesamt 900.000 Euro zu vergeben. Der offiziellen Website zufolge hat der Brasilianer Paulo Vitor Damo da Rosa in seiner Karriere alleine bei großen Turnieren schon 780.000 Euro verdient. Damit ist er der Bestverdiener unter den professionellen Magic-Zockern. 

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Um herauszufinden, was ich durch meinen verfrühten Ausstieg wirklich verpasst habe, wollte ich mit einem echten Magic Pro sprechen. Marco  Cammilluzzi hat die Höhen einer erfolgreichen MTG-Karriere durchlebt, er war Teil des italienischen Teams, das 2015 die Weltmeisterschaft gewann. Wir sprachen über seinen Karriereweg, das Preisgeld und warum MTG für ihn mehr ist als nur eine Geldquelle.

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VICE: Wann hast du angefangen MTG zu spielen, und wann wusstest du, dass es dein Job werden könnte?
Marco Cammilluzzi: Ich habe mit 17 Jahren angefangen. Vorher habe ich Basketball gespielt, mich aber an der Schulter verletzt und ein Jahr lang pausieren müssen. In dieser Zeit fing ich mit MTG an. Wie alle anderen Profi-Spieler musste ich erst die kleinen Turniere durchlaufen und mich hocharbeiten. Mit 22 fiel mir auf, dass ich wirklich etwas reißen und Geld gewinnen kann, wenn ich mich genug anstrenge.  

Wie funktioniert der professionelle Kreis unter den Magic-Spielern?
Es ist kompliziert, weil sich alles vor kurzer Zeit geändert hat. Die Wizards [of the Coast] haben eine professionelle Liga (Magic Pro League, MPL) gestartet, an der 32 Spieler teilnehmen. Sie werden aufgrund ihrer Ranglistenplätze ausgewählt. Andrea Mengucci, der die Magic-Weltmeisterschaft mit mir 2015 gewonnen hat, spielt da mit. Diese Spieler verdienen ein richtiges Gehalt [2018 waren es 67.000 Euro pro Jahr], und qualifizieren sich automatisch für jedes Turnier. Alle anderen Spieler müssen erstmal Qualifikationsrunden durchlaufen. Meistens brauchst du dafür Sponsoren, um deine Kosten zu decken. Dann gibt es, je nachdem welchen Platz du schaffst, das Preisgeld. 

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Wie viele verschiedene Arten von Turnieren gibt es?
Viele verschiedene – das Ganze ist ein bisschen wie Tennis. Es gibt einen Unterschied zwischen Live-Veranstaltungen und solchen, die online abgehalten werden. Die großen Turniere sind meistens live, wo das Preisgeld dann um die  200.000 Euro beträgt. Dann gibt es mittelgroße und lokale Turniere. Für E-Sport-Veranstaltungen kann das Preisgeld noch viel höher sein. 

Je mehr du an Turnieren teilnimmst, desto mehr gewinnst du, und desto mehr Geld bekommst du. Für einen guten Spieler können das mehrere hunderttausend Euro im Jahr sein. 

Was ist mit den Spielern in der MPL? Könnten die nicht genug Geld verdienen, wenn sie nur an den Turnieren teilnehmen?
Ich arbeite als Wirtschaftsanalytiker und bin professioneller MTG-Spieler. Wenn ich wollte, könnte ich zwar vom Spielen allein leben, aber ich rede nicht gern über Geld. Das macht die Magic-Welt für mich nicht aus. Es geht darum, Spaß zu haben. 

Zwei Männer spielen an einem orangenen Tisch Magic The Gathering, ein dritter Mann sitzt mit einem Laptop daneben

Cammilluzzi bei einer Partie

Hat sich durch Corona irgendwas verändert?
Bedauerlicherweise wurden alle Live-Veranstaltungen abgesagt. Deswegen ist der Umschwung von Live-Spielen zu Online-Spielen schneller passiert: alle großen Turniere werden jetzt von der MTG Arena-Plattform gehostet. 

Das erlaubt uns zwar weiterzuspielen, aber dem Spiel wurde ein bisschen von seiner Magie genommen. Reisen ist normalerweise ein fundamentaler Teil der Erfahrung. Ich spiele online weiter, aber freue mich darauf, wieder live spielen zu können, sobald das geht. 

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Ist es ein teures Spiel, wenn man anfängt?
MTG kommt mit einigen Kosten, aber so würde ich nicht darüber denken. Ich kenne Spieler, die nicht viel Geld haben und trotzdem erfolgreich sind. Wenn du MTG spielst, wirst du Teil einer Gemeinschaft, und Spieler leihen sich gegenseitig Karten aus. Aber um ein wettbewerbsfähiges Kartendeck zu haben, musst du zwischen 200 und 300 Euro ausgeben. 

Aber manche Karten sind unfassbar teuer, oder? Ein Black Lotus wurde zuletzt für 150.000 Euro verkauft.
Dafür gibt es eine Erklärung. MTG war in verschiedene Formate aufgeteilt: Es gibt Leute, die nur Karten benutzen, die in den vergangenen zwei Jahren herausgekommen sind, was Standard ist, und andere, die ziemlich jede Karte benutzen, die jemals herausgebracht wurde. 

Die unglaublich teuren Karten sind normalerweise die Älteren. Aber die großen Turniere werden alle nur mit den Standardkarten gespielt. Widersprüchlich, aber in professionellen Kreisen benutzen wir die billigen Karten. Jetzt, wo du MTG mit Open Beta online spielen kannst, ist spielen sogar noch günstiger geworden. 

Wie oft und wie trainierst du?
Ich versuche drei bis vier Stunden pro Tag zu spielen, an fünf Tagen in der Woche. Ich spiele online, um meine Technik zu verbessern. Vor Corona habe ich andere MTG-Spieler in Rom getroffen, um neue Strategien auszuprobieren. 

Was macht einen großartigen MTG-Spieler aus?
Es gibt zwei Arten von Spielern: die mit einem natürlichen Talent und die, die sich gut verbessern können. Bei dem Spiel geht es nicht darum, wie du deine Karten zusammenstellst, sondern wie du das Spiel spielst. Es geht um Interpretation und Reaktion, und derjenige, der die wenigsten Fehler macht, gewinnt. 

Was denken Leute, wenn du ihnen sagst, dass du professioneller Magic-Spieler bist?
Die meisten reagieren überrascht. Aber jetzt ändern sich die Dinge: E-Sport hat die Wahrnehmung von Nerds radikal verändert. Es ist nicht nur das Geld, das die Leute überrascht. Wir reisen um die Welt und treffen viele Menschen. 

Ich bin durch ganz Europa, in die Vereinigten Staaten, nach Japan, Malaysia und Puerto Rico gereist. Ich habe in Hawaii gespielt, was der schönste Ort war, den ich jemals gesehen habe. Wer weiß, ob ich jemals dorthin gekommen wäre, wenn ich nicht MTG spielen würde.

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