Drogen

Warum bekomme ich Angstzustände, wenn ich verkatert bin?

Das Phänomen ist so weit verbreitet, dass es sogar ein eigenes Wort dafür gibt: "Hangxiety". Hier erfährst du, woher die Angst kommt und was du dagegen tun kannst.
Hannah Smothers
Brooklyn, US
Eine schwarze Person mit einem Drink in der Hand, ein Kater von Alkohol kann sich nicht nur körperlich schlimm anfühlen, sondern auch Angstzustände verursachen
Foto: VICE

Als ich noch jung war, also mit Anfang 20, konnte ich am Freitagabend mehrere Wodka-Shots leeren, am nächsten Morgen Sport machen und den Samstagabend mit einer Flasche Prosecco ausklingen lassen. Alles ohne Konsequenzen. Jetzt, gut zehn Jahre später, fühlen sich solche Wochenenden an wie Leistungssport. Je weiter ich mich von meinen 20ern entferne, desto schlimmer werden die Kater. Und sie werden nicht einfach nur schlimmer, sondern auch nuancierter – man könnte meinen, sie reifen wie ein edler Wein. Neben den typischen Kopfschmerzen und der Übelkeit finden sich jetzt noch Spuren allgemeiner Matschigkeit und – an besonders grausamen Tagen – ein spürbares Angstgefühl im Abgang.

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Ich bin damit keineswegs allein. Die Angst nach dem Kater ist so weit verbreitet, dass sie ihr eigenes bescheuertes Modewort bekommen hat: Hangxiety – eine Kombination aus hangover und anxiety. In einer Umfrage für eine Studie zu Katersymptomen, die 2017 in der Fachzeitschrift Human Psychopharmacology: Clincal & Experimental erschien, gaben 22 Prozent der Befragten "Angst" als negative Begleiterscheinung an. Gepaart mit dem typischen Bereuen von leider-doch-versendeten Nachrichten und anderen Peinlichkeiten, die wir unter dem Einfluss zu vieler Caipis gemacht haben, kann die Katerangst doppelt reinhauen. Aber woher kommt sie?


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Laut der Suchtmedizinerin Laura Veach hat das mit der Wirkung von Alkohol auf deinen Körper zu tun und damit, wie dieser versucht, dagegen zu steuern. Auch wenn Alkohol dir das Gefühl gibt, mehr Energie zu haben, handelt es sich dabei um "eine Art Sedativum", sagt Veach, ein Beruhigungsmittel.

"Alkohol wirkt dämpfend auf das zentrale Nervensystem", sagt Veach. Was daraufhin im Körper passiert, vergleicht sie mit einem Pendel, das zurückschwingt.

Alkohol löse nicht nur Hemmungen, sagt die Medizinerin, sondern unterdrücke auch den Teil deines Gehirns, der Sorgen und Ängste reguliert. Deswegen bist du angezündet auch eher dazu bereit, auf einem Tisch zu tanzen oder mit Fremden rumzuknutschen. Sobald der Alkohol aber deinen Kreislauf verlässt und du auf Entzug bist, dich also verkatert fühlst, versucht dein Körper, die Wirkung des Alkohol wieder auszubalancieren, und setzt eine Flut von Hormonen frei, die im Suff unterdrückt waren. Das Pendel schwingt zurück. Und das ist der Grund, warum sich manche nach einem Saufabend verunsichert und ängstlich fühlen.

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Du wirst wissen, was gemeint ist, falls es dir mal so ergangen ist. Hangxiety kann ein bisschen wie Paranoia sein. Du denkst wieder und wieder an alles, was du betrunken gemacht und gesagt hast: "Warum zur Hölle habe ich das nur getan? Ich bin so unfassbar blöd!" Mir persönlich ist es natürlich noch nie so gegangen.

Für manche Menschen kann die Hangxiety so stark sein, dass sie sogar Panikattacken auslöst – insbesondere bei denjenigen, die bereits mit einer Angststörung zu kämpfen haben. Die Suchtmedizinerin Veach sagt, weil Alkohol den Körper so abrupt verlasse, würden einige Forschende den Trink-Kater-Kreislauf sogar mit dem Konsum von Benzodiazepinen wie Xanax vergleichen. Wie auch immer, es ist ein wahrlich beschissener Kreislauf, der uns theoretisch davon abhalten sollte, jemals wieder so viel zu trinken. Sollte.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Genau wie der Kater ist auch die Katerangst nur vorübergehend. Sie nimmt über den Tag ab, wenn dein Körper langsam wieder seinen Chemiehaushalt unter Kontrolle bringt. Wenn du dich in so einer unangenehmen Gefühlslage befindest, empfiehlt Veach, mit dir selbst nachsichtig zu sein und zu versuchen, dir nicht pausenlos den Kopf darüber zu zermartern, was du in der Nacht davor angestellt hast. Vielleicht waren ein paar Aktionen tatsächlich dumm und unnötig, aber deine Gefühle sind durch den Kater extrem verstärkt.

Also entspann dich, schieb dir eine TK-Pizza in den Ofen und schalte dein Hirn vor deinem Lieblingsstreamingdienst auf Standby. Kurz gesagt: Mach einfach das, was du sonst gerne an einem Katertag machst. Veach versichert jedenfalls, dass die Hangxiety vorübergeht. Jeder Kater hat ein Ende, die Ängstlichkeit verzieht sich und viel zu bald hast du wieder Lust auf einen Drink.

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