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Medienkritik

So berichten österreichische Medien über den mutmaßlichen Doppelmörder von Graz

Friedrich F. montierte ein "Heil Hitler!"-Schild auf sein Auto, sprach von der "SPÖ-Mafia" und soll am Sonntag zwei Menschen erschossen haben. Für die Medien höchste Zeit, sich ein paar absurde Bezeichnungen für den Mann einfallen zu lassen.
Screenshots via oe24.at, Twitter und mein-klagenfurt.at

Am Sonntag kam es zu einem Doppelmord in Stiwoll im Bezirk Graz-Umgebung, bei der ein 66-jähriger Mann drei Nachbarn in einen Hinterhalt gelockt und schließlich aus einem Nebengebäude auf sie geschossen haben soll. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben, eine Frau überlebte schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter ist auf der Flucht, die Fahnung nach ihm wurde schnell auf den gesamten Schengenraum ausgeweitet.

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Friedrich F. ist er kein Unbekannter: Im Jahr 2016 fuhr er mit einem Kleintransporter durch Graz, auf dessen Heckscheibe ein Schild mit der nicht zu übersehenden Aufschrift "Heil Hitler!" angebracht war, mit anschließendem Hinweis auf seine Webseite, auf der er beispielsweise über die "SPÖ-Mafia" schrieb und gegen die österreichische Justiz wetterte. Auf Facebook war der Tatverdächtige außerdem mit zahlreichen FPÖ-Politikern und Personen aus dem FPÖ-Umfeld befreundet, von denen einige ihn noch am Sonntag aus ihrer Freundesliste löschten.

Nun scheint es so, als wisse niemand so recht, wie man den flüchtigen Friedrich F. tatsächlich bezeichnen kann und soll. Ist er ein Rechtsextremer? Ist er einfach nur wirr? Oder beides? Also ein wirrer Mensch, der nicht davor zurückschreckt, für seine abstruse Agenda auf Nazi-Parolen zurückzugreifen? Tatsächlich fällt es schwer, in diesem Fall die Dinge beim Namen zu nennen. Aber manchen fällt es dann doch noch schwerer als anderen.

Zeit im Bild: "skurril"

In der Zeit im Bild wurde der Wagen des mutmaßlichen Täters als "Kleinlieferwagen mit skurrilen Aufschriften" bezeichnet. Laut Duden bedeutet skurril: "sonderbar, absonderlich anmutend, auf lächerliche oder befremdende Weise eigenwillig; seltsam" Eine doch recht verharmlosende Bezeichnung für ein Schild mit der Aufschrift "Heil Hitler!", eine in Deutschland und Österreich strafbare Grußformel.

Steiermark Heute: "einschlägig"

In der Sendung Steiermark heute wurden aus "skurrilen" dann "einschlägige Aufschriften". Auch hier hat der Duden eine nähere Erklärung des Begriffs parat, der demnach "zu einem bestimmten Gebiet oder Fach gehörend" meint.

orf.at: "schwierig" und "skurril"

In einem Bericht auf steiermark.orf.at wurde die Aufschrift des Kleintransporters, mit dem Friedrich F. in Graz unterwegs war, weder erwähnt, noch gezeigt – im Gegenteil: Das Schild wurde auf einem Foto sogar verpixelt. Auch weitere Hintergründe zum mutmaßlichen Täter werden lediglich in einem Satz am Ende des Textes erwähnt, in dem steht, dass sich der 66-Jährige "dem Vernehmen nach immer wieder als Opfer des Staates und der Justiz gesehen haben" soll.

In einem weiteren Artikel zum Thema werden der mutmaßliche Täter als "schwierig" und seine "Internetauftritte" als "skurril" bezeichnet.

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oe24: "Hitler-Fan"

Auch bei oe24, dem Online-Portal der Tageszeitung Österreich, stellte man sich wohl die Frage nach der passenden Bezeichnung für den Tatverdächtigen. Eine zufrieden stellende Antwort schien man nicht gefunden zu haben und betitelte Friedrich F. auf der Startseite schließlich als "Hitler-Fan".

Screenshot via oe24.at

Im Artikel selbst findet die Redaktion noch weitere kreative (und vor allem sehr zahlreiche) Bezeichnungen für Friedrich F.: Neben "Querulant", "Prozesshansel", "Radikaler", "Extremist" und "Rechtsradikaler" wird er außerdem als "Reichsbürger" und "Staatsverweigerer" bezeichnet. Abgesehen davon schreibt oe24, dass eine der "blutüberströmten Leichen" schwer verletzt überlebt hätte.

Mein Klagenfurt: "Wutbürger", kreatives Verpixeln

Auch auf der Seite mein-klagenfurt.at wollte man die "Heil Hitler!"-Aufschrift wohl zensieren, entschied sich jedoch gegen Pixel oder schwarze Balken, sondern entschied sich für das eigene Maskottchen mit schlecht gelauntem Blick. Im Text wird Friedrich F. als "Wutbürger" bezeichnet, der "von Hetzern und Lügnern verrückt gemacht" wurde. Außerdem habe er sich "in einen Wahn hineingesteigert, der von zynischen Geldmachern und Politikern geschürt wurde".

Tiroler Tageszeitung: "Querulant"

In einem Artikel der Tiroler Tageszeitung wird über Friedrich F. geschrieben, dass er immer wieder wegen "Streitigkeiten mit Mitbürgern und Behörden aufgefallen" sein soll und ihn manche als "Querulant" beschrieben – laut Duden jemand, "der sich unnötigerweise beschwert und dabei starrköpfig auf sein [vermeintliches] Recht pocht".

Kurier: "Justiz-Querulant"

In einem Artikel des Kurier wurde der mutmaßliche Doppelmörder als "Behördenschreck" bezeichnet – und der Autor warf außerdem noch die Frage auf, ob der "Justiz-Querulant" entweder "Selbstjustiz geübt habe oder durchgedreht sei".

Natürlich ist die Aufgabe der Medien in solchen Fällen nicht die einfachste. Man versucht gleichzeitig möglichst schnell und richtig über Sachverhalte zu berichten – und dabei nicht immer dieselben ein, zwei Attribute wie die Konkurrenz (oder wie in den Sätzen davor) zu verwenden. Umso wichtiger ist es, in der Eile nicht dem Thesaurus komplett die Macht zu übergeben; Wörterbüchern und Nachschlagewerken ist es nämlich egal, wie gut Beschreibungen wirklich zu einer konkreten Situation passen und was man mit Synonymen für Bilder in den Köpfen auslöst. Medien sollte das schon viel weniger egal sein.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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