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10 Fragen an eine Brustkrebsüberlebende, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

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Im Oktober 2021 entdeckt die 38-jährige Rebecka Heinz einen Knoten in ihrer Brust. Zuerst hält sie den Knoten für einen Milchrest, der vom Abstillen ihrer kleinen Tochter herrührt. Von ihrem Gynäkologen erfährt sie, dass es Krebs ist. Im November 2021 beginnt ihre Chemotherapie, die im März 2022 endet. Einen Monat später werden ihr beide Brüste entfernt. Heute gilt Rebecka als geheilt. Trotzdem wird ihr Leben nie wieder so sein wie vor ihrer Erkrankung. 

Jährlich erkranken etwa 70.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs, 18.000 von ihnen sterben. 

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Wir haben Fragen.


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VICE: Warum wurden dir deine Brüste abgenommen?
Rebecka Heinz:
Wenn man Brustkrebs hat, ist manchmal so viel Gewebe befallen, dass die Brust nicht mehr zu retten ist. Bei mir wurde eine Mastektomie gemacht, in der sowohl der Tumor, als auch beide Brüste abgenommen wurden. Die eine Brust musste weg und dann habe ich beschlossen, dass die andere auch abgenommen werden soll. Mir wurde vorgeschlagen, die Brüste mit Eigenfett oder Silikon wieder aufzubauen. Das wollte ich aber nicht. Ich habe mich für meinen neuen Körper ohne Brüste entschieden und der bleibt jetzt auch so. Mein Oberkörper ist komplett platt. Ich habe zwei große Narben quer über dem Brustkorb, die mich daran erinnern, was für eine Schrott-Zeit ich hinter mir habe.

Krass. Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du dich auf den Weg zu dieser Operation gemacht hast?
Für mich war das ein notwendiger Schritt in der Therapie und es führte kein Weg an der Operation vorbei. Ich hatte an dieser Stelle Zellen in mir, die mich umbringen konnten. Wenn man vor der Frage steht, “Brüste oder Leben?”, fällt die Entscheidung nicht schwer. Vor dem Eingriff war ich relativ ruhig und aufgeräumt. Es war aber schon komisch, als an meinem Oberkörper angezeichnet wurde, was alles weggeschnitten wird. 

Wie fühlt sich Todesangst an?
Das kann man nicht erklären und das kann man sich auch nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Es ist die Hölle. Nachdem der Tumor entdeckt wurde, musste erst einmal geklärt werden, ob ich Metastasen habe. Ist der Krebs schon in den Knochen, in der Lunge, Leber oder sonst wo? Metastasen bedeuten nicht heilbar. Die Therapien sind dann anders. Da geht es dann in erster Linie um die Erhaltung der Lebensqualität und um eine Lebensverlängerung. Ich wusste zwei Wochen lang nicht, ob mein Brustkrebs gestreut hatte. Und das ist eine vergleichsweise kurze Zeit, ich hatte Glück. Manche Patientinnen müssen viel länger auf ihre Ergebnisse warten. Ich habe mich in der Zeit viel mit Arbeit abgelenkt.

Wie hast du deinem Kind erklärt, dass du vielleicht stirbst?
Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt erst anderthalb Jahre alt, weshalb ich es ihr nicht direkt erklären konnte. Ich habe sie aber im ganzen Prozess mitgenommen, um ihr zu vermitteln, dass das jetzt mein normales Leben ist. Auch jetzt muss ich noch alle paar Wochen zu meiner Ärztin, um Spritzen zu bekommen. Bei diesen Terminen ist meine Tochter oft dabei und für sie sind Spritzen das Tollste. Sie guckt dann zu und bekommt danach eine Spritze zum Spielen geschenkt.

Wie war es für dich, als deine Haare ausgefallen sind?
Das war ein seltsamer Moment, da wurde es irgendwie ernst. Erstaunlich war, dass mir im Krankenhaus auf den Tag genau gesagt werden konnte, wann meine Haare ausfallen würden. Nämlich am 17. Tag nach der ersten Dosis. An diesem 17. Tag konnte ich mir die Haare tatsächlich büschelweise aus meinem Kopf ziehen. Da habe ich auf eine komische Art und Weise viel Vertrauen in die Medizin entwickelt, weil mir so genau vorausgesagt wurde, was wann mit meinem Körper wie passieren würde. Ich fand es schlimmer, als ich meine Wimpern und Augenbrauen verloren habe. Erst dann sah ich richtig krank aus.

Die Chemotherapie löst bei Frauen die Menopause aus. Wie ist es, diesen Prozess schon so jung durchzumachen?
Das ist richtig ätzend, aber ich habe noch Glück. Andere Frauen haben große Probleme mit den Wechseljahren. Ich bin mit diesem hormonellen Umschwung ganz gut zurechtgekommen. Ich wusste vor meiner Erkrankung gar nicht, dass man nach einer Chemo in die Wechseljahre kommt. Mit dem Beginn dieser Therapie ist der Körper platt. Meine Eierstöcke wurden nach der Chemo künstlich lahmgelegt und ich bekomme Spritzen und Tabletten die verhindern, dass ich weibliche Hormone produziere. Das bedeutet auch, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann. Ich hätte mir für meine Tochter aber eigentlich noch Geschwister gewünscht.

Welche langfristige Folge von Brustkrebs ist besonders scheiße?
Ich habe das Urvertrauen in meinen Körper verloren. Für mich kam diese Diagnose vollkommen überraschend. Ich bin jung, treibe Sport und fühle mich gesund. Ich habe nicht gemerkt, dass ich so krank bin. Offiziell bin ich heute krebsfrei, aber dieses mulmige Gefühl, ob da wieder etwas in einem wuchert, verfolgt mich. Von anderen Ex-Brustkrebspatientinnen habe ich gehört, dass es manchmal Jahre dauert, bis dieses Gefühl weggeht. 

Wie viel hast du gekotzt, als du deine Chemo gemacht hast?
Gar nicht. Mir war tagelang kotzübel und es ging mir so schlecht wie noch nie zuvor in meinem Leben. Aber ich musste mich nicht übergeben. Ich lag tagelang im Bett, weil ich nicht aufstehen konnte. Dieses Gefühl hielt immer etwa eine Woche an, manchmal ging es mir schon nach drei Tagen wieder okay. Ich habe insgesamt 16 Chemo-Durchläufe hinter mich gebracht, so richtig heftig waren aber nur die ersten vier. 

16? Ich dachte, da muss man einmal an den Tropf und dann hat man es geschafft.
Ja, ich wusste vor meiner Erkrankung auch nicht, wie so eine Chemotherapie abläuft. Ich habe intravenös vier Mal das eine und zwölf Mal das andere Medikament bekommen. Das erste Medikament, das am schlimmsten ist, hat genau die gleiche Farbe wie Aperol Spritz. Viele Ex-Brustkrebspatientinnen ekeln sich deswegen auch Jahre später noch vor Aperol.  Man sieht, wie die orangene Flüssigkeit in den Körper tropft und man weiß, dass es einem davon schlecht gehen wird. 

Welche Krebsmedikamente sind eigentlich ganz geil?
Die Bezeichnung “geil” passt hier nicht. Ich habe während der Chemo Medikamente für die Produktion weißer Blutkörperchen bekommen. Außerdem gab man mir Mittel gegen Schmerzen und Übelkeit, um die Chemotherapie durchzuhalten. Heute mache ich noch eine Antikörpertherapie und mein Hormonhaushalt wird mit Tabletten und Spritzen gesteuert. Nichts davon wirkt berauschend oder macht, dass man sich richtig gut fühlt, sondern dass man sich weitestgehend normal fühlt. Die Medikamente haben mir das Leben gerettet und dafür bin ich sehr dankbar. “Geil” ist das aber trotzdem nicht, weil ein gesunder Körper all diese Medikamente nicht braucht. Ich habe mich mit diesem neuen Leben angefreundet, so gut es geht, aber es ist anders als das eines gesunden Menschen. Die Diagnose war für mich eine Zäsur. Es gibt ein Leben davor und ein Leben danach. Und mein Leben danach ist jetzt so, mit Tabletten und ohne Brüste. Aber ich lebe.

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