Sarah Peters ist so etwas wie die seriöse Version von Uri Geller. Sie hypnotisiert ihr Publikum nicht auf der Bühne zu gackernden Hühnern, sondern ist staatlich anerkannte Hypnosetherapeutin in Berlin. Sie ist 33 Jahre alt und kommt eigentlich aus dem Rheinland, aus Neuss bei Düsseldorf.
In Berlin-Moabit hat sie nun eine eigene Praxis für Hypnotherapie. Während viele bei Hypnose zuerst an Filme wie Get Out, Die Unfassbaren oder Das Dschungelbuch denken, in denen Hypnose Menschen zu willenlosen Zombies macht, besteht Sarahs Job eher daraus, tief in die Psyche zu kriechen und da Ordnung zu schaffen. Die Idee hinter ihrer Arbeit ist, Klientinnen und Klienten in einen Trance-Zustand zu versetzen und zu versuchen, tiefliegende Emotionen zu erklären, um psychische Probleme zu lösen.
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Hypnose ist als Therapieform umstritten. Die Wirksamkeit bei psychischen Störungen wie Depressionen oder Angststörungen ist nicht eindeutig belegt. Es gibt aber Studien, die zumindest einen mittelstarken Effekt bei Angststörungen nahelegen. Trotzdem erkennt der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie sie nur für die Behandlung von psychischen und sozialen Faktoren psychosomatischer Krankheiten an – also Krankheiten, deren Ursache nicht im Körper vermutet wird. Außerdem erkennt er die Behandlung bei Abhängigkeit und Missbrauch an – wobei er nur Belege für Raucherentwöhnung und Methadonentzug findet. Der Beirat empfiehlt die Hypnosetherapie-Ausbildung deswegen auch nicht für die vertiefte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten.
Und doch gibt es einige Bereiche, in denen die Wirkung unumstritten ist. Zum Beispiel bei Schmerzbehandlungen, chronischem Reizdarm etwa. Einige Anästhesistinnen oder Zahnärzte ergänzen ihre Behandlung durch Hypnosetechniken. Viele Heilpraktiker bieten die Behandlung an. “Hypnosetherapeut” darf sich aber eigentlich jeder nennen.
Sarah sagt, dass sie Hypnosetherapeutin geworden sei, weil die Therapie sie von ihrer Angststörung befreit habe. Sie studierte gerade Wirtschaftsrecht, als sie an einer schweren Platzangst erkrankte. Nach einer Hypnosetherapie schmiss sie ihr Studium, lieh sich Geld von ihrer Familie und entschied sich, eine Ausbildung zur Hypnosetherapeutin zu machen.
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VICE: Gibt es Menschen, die immun gegen Hypnose sind?
Sarah Peters: Jeder Mensch ist hypnotisierbar. Zumindest wenn man verstanden hat, was Hypnose ist. Wir alle befinden uns jeden Tag mehrfach in Hypnose, in Trance. Beim Einschlafen und Aufwachen zum Beispiel, der Zustand zwischen Schlaf und Wachsein. Das ist einfach ein natürlicher Bewusstseinszustand, bei dem das Bewusstsein in den Hintergrund und das Unterbewusstsein in den Vordergrund tritt.
Wenn du im Auto eine Strecke fährst, die du kennst, und nach der Ankunft nicht mehr weißt, ob die letzten Ampeln rot oder grün waren oder ob du zuletzt links oder rechts abgebogen bist – das ist Hypnose. Das Drumherum ist unwichtig, und die ganze Aufmerksamkeit ist auf die Tätigkeit gerichtet. Körperlich tief entspannt, geistig hoch fokussiert. Und jeder, der sich darauf einlässt und den Worten eines Hypnotiseurs folgt, ist demnach auch hypnotisierbar.
Glaubst du wirklich, du kannst Menschen mit Hypnose von psychischen Störungen heilen?
Ich kann Menschen zeigen, wie sie einen Zugang zu verdrängten Gefühlen bekommen und wie sie diese heilen können. In der Hypnose sucht man nach der Ursache für eine Störung, zum Beispiel einer Angststörung, einer depressiven Symptomatik. Ich schaue mit den Klienten, welche unverarbeiteten Erfahrungen sie so belasten, und welche emotionale Belastung mit der Symptomatik im Zusammenhang steht.
Es gibt noch eine andere Arbeitsweise, bei der eher die Symptome direkt behandelt werden. Da wird viel mit Assoziationen und Bildern gearbeitet, eine schöne Zukunft ausgemalt, in der die Klientin das jeweilige Symptom nicht mehr hat. Der Geist kann nicht unterscheiden, ob er das nun in der Realität erlebt oder in der Hypnose. So lassen sich neue Reize verknüpfen. Davon halte ich aber nicht so viel. Das ist, als würde man eine Wunde, in der ein dicker Stachel steckt, nur mit Schmerzsalbe einreiben, ohne den Stachel zu ziehen. Ich ziehe den Stachel lieber. Wenn man ein Symptom nur unterdrückt, kann es sein, dass es sich auf Dauer auf neue Weise zeigt. Flugangst wird dann zum Beispiel zu Platzangst. Deshalb arbeite ich nur ursachenorientiert.
Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hat die Wirksamkeit der Hypnotherapie bei den meisten psychischen Problemen nicht wissenschaftlich anerkannt. Warum bietest du also Hilfe dafür an, obwohl es umstritten ist?
Es gibt durchaus mehrere Studien, die die Wirksamkeit der Hypnose im Bereich der Ängste nachweisen.
Was für mich aber letzten Endes zählt, ist die Veränderung, die ich täglich bei meinen Klienten in meiner Praxis miterleben darf. Die Erfolge meiner Klienten sprechen für sich. Wie sie nach und nach zurück in ihre Freiheit laufen. Und das, obwohl die meisten bereits mehrere Jahre herkömmliche Therapien besucht haben und oft schulmedizinisch “austherapiert” waren.
Könntest du auch einem Pädophilen die sexuelle Neigung austreiben?
Hier kann die Therapie unterstützen und schauen, was emotional damit im Zusammenhang steht, was den Menschen solche Fantasien haben lässt. Das ist therapeutisches Arbeiten. Der Mensch spürt ja einen Leidensdruck. Das hat er sich ja nicht frei ausgesucht. Die Symptomatik ist für den Betroffenen mehr als belastend.
Warum macht das dann nicht jeder Raucher, jeder Dicke, jeder Pädophile?
Gute Frage. Die Hypnose ist zwar auf dem Vormarsch – auch weil immer mehr Menschen nach alternativen Behandlungsmethoden suchen –, aber leider noch nicht so weit verbreitet. Doch langsam öffnet sich die Gesellschaft dafür.
Hypnotisierst du deine Klientinnen und Klienten, indem du deine Augen kreisen lässt wie die Schlange aus dem Dschungelbuch? Oder doch mit einem Pendel?
Meine Augen drehen sich nicht, und ich habe auch kein Pendel. Ich leite meine Klienten mit der Stimme an, und wenn sie sich darauf fokussieren, gehen sie in einen entspannten Zustand, in die Hypnose. Also wenn sie sich darauf einlassen.
Kannst du Leute damit ausknocken?
Nein. Die Klienten bekommen zu jeder Zeit alles mit. Sie könnten einfach aufstehen und gehen. Sie können sich auch hinterher an alles erinnern. Insbesondere an das, was sie als wichtig erlebt haben.
Kannst du deine Klientinnen und Klienten dazu bringen, dir 1.000 Euro zu überweisen?
Die würden das mitkriegen. Man kann Menschen nicht dazu bewegen, Dinge zu tun, die ihren Wertvorstellungen widersprechen oder die sie nicht wollen. Die Klientinnen entscheiden zu jeder Zeit, ob sie in dem Zustand bleiben möchten.
Hypnose heißt nicht, dass man einmal mit dem Aufzug in die innere Gefühlswelt runterfährt und dort bleibt. Wenn die Klienten sich innerlich gegen etwas sträuben, brechen sie die Hypnose automatisch ab. Wenn du abends im Bett liegst, kurz vorm Einschlafen bist, und ich dich anrufe und sage “Überweis mir mal 1.000 Euro”, dann würdest du mir wahrscheinlich auch keinen Cent überweisen. Ich kann Vorschläge vorgeben. Aber nur die, die sich für die Klientinnen stimmig anfühlen, können Veränderungen bewirken. Immer wenn ich etwas sage, was sich nicht stimmig anfühlt, ist sofort der Verstand da – denn der passt die ganze Zeit auf.
Und doch kenne ich genug Videos von Leuten, die nach der Hypnose plötzlich bellen wie Hunde. Was ist da los?
Das sind Party- oder Bühnen-Hypnotiseure. Deren größte Aufgabe besteht darin, im Publikum den Menschen zu finden, der bereit ist, sich zum Affen zu machen – beziehungsweise zum Hund. Wir kennen ja alle diese Leute, die gern im Mittelpunkt stehen, die Klassenclowns. Denen tut das gut. Wenn sie prinzipiell Lust auf so etwas haben, dann klappt das.
Zu diesen Bühnen-Hypnotiseuren habe ich aber ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits bekommt die Hypnose durch sie viel mehr Aufmerksamkeit, andererseits vertreten sie halt überhaupt nicht das, was ich in meiner Arbeit mache. Sie unterhalten, ich therapiere Menschen.
Kannst du in der Psyche eines Menschen nicht auch Schaden anrichten? Beispielsweise indem du Erinnerung hochholst, die aus einem guten Grund versteckt sind.
Wenn ein Kollege nicht sauber arbeitet, kann es passieren, dass er den Klienten schadet. Dann geht es denen nach der Behandlung schlechter. Das ist letzten Endes wie in jedem Berufszweig. Es gibt Menschen, die gut ausgebildet sind und Hypnosetherapie qualifiziert mit viel Liebe und Leidenschaft ausüben. Und dann gibt es auch immer schwarze Schafe.
Belastende Erinnerungen bewusst werden zu lassen, ist aber nichts Schlechtes. Ein qualifizierter Therapeut kann das auffangen, gemeinsam mit den Klientinnen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass Menschen sich vor der Behandlung informieren und sich anschauen, welche Ausbildung ein Therapeut hat. Hypnose lebt von Vertrauen zwischen Therapeut und Klient, deswegen sollte man bei der Auswahl auf die innere Stimme hören – schon vor der Behandlung.
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