Kampfhunde sind der Horst Seehofer unter den Hunderassen. Sie spalten die Gesellschaft. Für die einen sind sie eine Gefahr für die Allgemeinheit. Die andere Fraktion argumentiert, dass jedes Lebewesen ein Recht darauf hat, geliebt zu werden. Anna gehört in Bezug auf Hunde zu der zweiten Sorte Mensch. Ihren American Staffordshire Terrier Buddy fand sie vor acht Jahren bei dem Hilfsverein “Bullterrier in Not“, nachdem er wegen illegalen Besitzes beschlagnahmt worden war. Die 36-Jährige aus Mülheim an der Ruhr engagiert sich seitdem für ein besseres Image sogenannter Kampfhunde. Sie sagt, American Staffords seien liebevolle Familienhunde.
Seit Anfang der 2000er gibt es in Deutschland eine Liste mit als potentiell gefährlich eingestuften Hunderassen. Darauf stehen in NRW zum Beispiel American Staffordshire Terrier, Rottweiler und Argentinische Doggen. Ihre Besitzerinnen und Besitzer müssen volljährig sein, ein sauberes Führungszeugnis haben, nachweisen, dass sie den Hund kontrollieren können, ihn mit einem Mikrochip versehen und so unterbringen, dass er nicht weglaufen kann. Wer seinen Listenhund ohne Maulkorb und Leine führen will, muss mit ihm einen Wesenstest machen.
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Obwohl Annas elfjähriger Sohn gesetzlich nie alleine mit dem Hund Gassi gehen darf und manche Leute anfangs wegen Buddy nicht mehr zu Besuch kommen wollten, würde Anna sich immer wieder einen American Stafford holen. “Ich habe mich einfach in diese Hunderasse verliebt”, sagt sie.
Wir haben Fragen.
VICE: Warum hast du dir keinen Labrador, Dackel oder Border Collie zugelegt, sondern einen American Staffordshire Terrier?
Anna: Eigentlich war es die Idee meines Ex-Freunds. Am Anfang war ich dagegen. Sogenannte Kampfhunde waren auch bei mir verpönt. Mein Sohn war damals dreieinhalb, ich wollte mir kein Kinder fressendes Monster ins Haus holen. Dann habe ich mich ausgiebig über die Rasse informiert und gemerkt, dass sie gar keine blutrünstigen Monster sind, sondern liebevolle Familienhunde. Und genau so ist Buddy bisher durch mein Leben gelaufen. Das ist so ein grobmotorischer Clown, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, waren meine Bedenken sofort verschwunden.
Welchen Menschen sollte man ihren Kampfhund wegnehmen?
Leuten, die Geld machen wollen und deshalb illegal züchten. Und Menschen, die diese Hunde als Statussymbol nutzen, um sich zu profilieren. Sie erfüllen das negative Klischee, indem sie sich mit ihrem “großen, gefährlichen Hund” brüsten. Dabei kämpfen wir andere Hundebesitzer für ein positiveres Image dieser Rasse. Ich glaube, diese Menschen triggern ihre Hunde extra, damit sie aggressiver werden. Und das schadet dem Image.
Hast du Freunde, die dich aus Angst vor deinem Hund nicht besuchen?
Heute nicht mehr. Am Anfang hatte ich Probleme mit anderen Eltern. Die wollten nicht mehr, dass ihre Kinder uns besuchen, wegen unserer “Bestie”. Damit hatte ich wirklich zu kämpfen. Irgendwann reichte es mir und ich habe die Eltern auf Kaffee und Kuchen zu uns eingeladen, damit sie sich ein eigenes Bild machen können. Einige sind tatsächlich gekommen – und sie haben ihre Einstellung geändert. Wenn die Kinder spielen, liegt der Hund in seinem Körbchen. Und wenn sie mit Buddy spielen wollen, darf er ins Kinderzimmer, aber dann bin ich dabei. Verlasse ich das Zimmer, geht auch der Hund. Das finde ich aber bei jeder Hunderasse wichtig. Ich kann meine Hand zwar zu 99 Prozent für Buddy ins Feuer legen, aber er ist eben ein Tier. Ich verstehe die Ängste der Mütter, ich hatte sie ja auch.
Bist du manchmal froh, dass dein Hund einen Menschen ernsthaft verletzen könnte?
Auch wenn Buddy sich noch nie negativ gegenüber einem Menschen gezeigt hat, hat er eine gewisse Außenwirkung. Einmal war ich in der Dämmerung alleine mit ihm Gassi und da kam eine Gruppe von fünf Flüchtlingen auf mich zu – recht forsch. Buddy hielt sich zuerst im Hintergrund und als er dann vor mich lief, wurden die Männer sofort ruhig. Da habe ich gedacht: Gott sei Dank. Das Bild vom Hund hat abschreckend gewirkt und ich war froh darüber.
Hast du ein Problem mit dem Begriff “Kampfhund”?
Der Begriff kommt aus der Zeit, als diese Hunde für Kämpfe benutzt wurden. Das passiert teilweise heute noch. Buddy ist ein Kampfschmuser, er kämpft nicht mit anderen Hunden. Deswegen möchte ich den Begriff auch nicht benutzen. Das sind Listenhunde. Sie stehen auf einer Liste, weil sie einer gefährlichen Rasse zugeordnet werden. Im Gegensatz zu Schutzhunden oder Wachhunden ist der Begriff Kampfhund negativ behaftet. Ich setze mich für Anti-Rassendiskriminierung ein. Ja, die Hunde kämpfen, aber um Aufmerksamkeit dafür, dass sie keine blutrünstigen Bestien sind.
Ist es gut, dass dein Hund als Listenhund eingestuft wird?
Für den Ruf der Hunde ist es schlecht, dass sie auf der Liste stehen. Trotzdem ist es gut, damit sich nicht Hinz und Kunz diese Hunde holen können. Ich habe mit Buddy einen Wesenstest gemacht. Dabei werden verschiedene Situationen simuliert, um zu schauen, ob der Hund aggressiv reagiert. Zum Beispiel in engen Fußgängerzonen oder wenn ein Jogger vorbeirennt. Buddy darf offiziell ohne Leine und ohne Maulkorb laufen. Trotzdem muss ich mich oft vor wildfremden Menschen dafür rechtfertigen. Ich leine meinen Hund beim Gassigehen eigentlich immer an. Andere Leute, die ihren Hund selbst nicht anleinen, pöbeln mich dann trotzdem an, dass ich einen bösen Kampfhund hätte. Es stimmt, dass immer noch Schmu mit dieser Rasse betrieben wird. Neben den Kämpfen züchten manche Leute diese Hunde ohne Erlaubnis. Dabei wird ein illegal gekauftes Tier sofort beschlagnahmt. Wenn die Anschaffung nicht über den Tierschutz läuft, kann man den Hund nirgendwo anmelden. Deshalb landen viele Listenhunde in Tierheimen.
Wie sehr hasst du andere Hundebesitzerinnen und -besitzer im Wald?
Viele leinen ihre Hunde nicht an und rufen: “Meiner tut nichts.” Das finde ich nicht in Ordnung. Nicht jeder Hund möchte begrüßt werden. Nicht jeder Hund darf spielen, vielleicht wurde er gerade operiert. Einmal habe ich einem Mann auf “Meiner tut nichts” geantwortet: Meiner aber, der tötet. Stimmt natürlich nicht, aber trotzdem sollte man seine Hunde nicht einfach laufen lassen. Mein Standardspruch ist, dass mein Hund Pilz hätte. Dann rufen sie ihre Hunde sofort zurück. Buddy mag andere Rüden nicht immer und da kann es schon mal zu Raufereien kommen. Ich möchte einfach nicht, dass mein Hund in solche Dinge verwickelt wird, weil jemand seinen Hund nicht anleint. Nachher passiert dem anderen Hund was und dann heißt es, der böse Kampfhund hätte einen Australian Shepherd zerfleischt.
Wie oft reagieren Leute panisch auf deinen Hund?
Selten, aber es passiert. Letztens bin ich um 7 Uhr morgens ohne Leine mit Buddy auf die Wiese vor unserem Haus gegangen. Plötzlich schrie eine Frau panisch, dass ich meinen Kampfhund sofort anleinen solle. Ich hab mich total erschrocken. Zwei Tage später das gleiche Spiel, wieder mit derselben Frau. Da habe ich Buddy auf den Arm genommen, er wiegt 36 Kilo, und gefragt, wo der “Kampfhund” ist. Buddy ist kein Kampfhund. Die Frau hat sich verarscht gefühlt. Sie erzählte, dass sie panische Angst vor Hunden im Allgemeinen hat. Das ist auch OK, aber sie kann doch nicht durch die komplette Siedlung brüllen, dass Buddy ein Kampfhund ist. Meine Nachbarn lieben Buddy abgöttisch, die eine kauft ihm immer Fleischwurst.
Lässt du deinen Sohn mit Buddy alleine?
Nein, grundsätzlich nicht. Das hat nichts mit der Rasse zu tun, sondern damit, dass ein Hund ein Tier ist. Man kann nie wissen. Vorher hatte ich keinen Listenhund und da hatte ich auch keine Bedenken, Kind und Hund zu haben. Wieso sollte ich sie jetzt haben? Mein Sohn weiß, dass er Tiere respektvoll behandeln muss. Sie werden bei uns weder angeschrien noch geschlagen. Ich denke nicht, dass ein Hund einfach so auf ein Kind losgeht. Da muss was passiert sein.
Sollte man Hunde, die Menschen getötet haben, einschläfern?
Wenn der Hund unheilbar krank ist, wäre es vielleicht besser. Ich glaube aber, dass ein Hund resozialisiert werden kann. Es gibt Erziehungshilfen und Übungen, wie Hunde ihr Verhalten ändern können. Das erfordert viel Arbeit. Ich glaube nicht, dass ein Hund böse geboren wird. Es gibt Veranlagungen, wie bei Schutzhunden auch. Mein Hund ist ein Terrier, die haben viel Power. Das muss man verstehen und positiv umwandeln. Buddy ist zu Hause sehr ruhig, aber draußen will er gefordert werden. Er kann einige Tricks und beherrscht 24 Kommandos, auf nah und fern. Ich kann einen Ball schmeißen und Buddy dann im Laufen stoppen. Das ist mir sehr wichtig, falls mal ein Radfahrer oder ein Auto um die Ecke kommt. Wenn ich “down” rufe, legt sich Buddy auf den Boden, bis ich komme. Dann ist die Gefahr entschärft.
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