Hooligans haben einen miesen Ruf. Wer sich näher mit ihnen beschäftigt, stellt fest, dass das völlig zu Recht so ist. Zumindest im persönlichen Umgang aber ist Dennis, der eigentlich anders heißt, eher ein Pitbull nach der Fütterung: potenziell gefährlich, aber gerade ziemlich ruhig. Er ist Anhänger von Dynamo Dresden, stammt ursprünglich aus dem Osten Deutschlands und ist älter als 40 – Genaueres will er hier nicht stehen sehen.
“Es ist nicht so, dass ich es geil finde, andere zu verletzen”, sagt Dennis, “aber Fäuste zu verteilen gibt mir einfach den größten Kick, den ich kenne.” Er sagt auch, dass sein Vater stolz auf ihn sei. Seine Mutter wisse nicht, dass er Hooligan ist.
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Dabei sei er das “schon seit immer”, sagt Dennis. “Unter den Ultras gibt es Muttersöhnchen und Kämpfer. Bei uns gibt es nur harte Jungs.” Viele Hooligans zählen sich selbst stolz zur “Kategorie C”. Darunter listet die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei “gewaltsuchende” Fans. Im Jahresbericht 2016/2017 zählten in Deutschland 3.643 Personen zu diesem Kreis. Ob sich wirklich alle davon auch selbst als Hooligans bezeichnen, ist unklar. Ultras dagegen fallen meist höchstens, wenn überhaupt, in die “Kategorie B”, also “gewaltbereite/-geneigte” Fans.
Bei aller Abgrenzung wolle Dennis aber keine allzu tiefen Gräben in die Anhängerschaft hineinreden, denn unter Druck seien sie beide: Ultras, die aufwendige Choreografien einstudieren und durch ganz Deutschland zu Auswärtsspielen fahren, haben Dauerstress wegen Pyrotechnik in den Stadien. Und die Hooligans wurden in den vergangenen 30 Jahren von der Polizei zuerst aus den Stadien und später in abgelegene Wälder, auf Wiesen und Felder geschickt. Dort treffen sie sich zu Prügelorgien. Wenn sie wieder weg sind, klebt ihr Blut noch im Gras.
Wir haben Fragen.
VICE: Gehst du nur zu Spielen, um dich zu prügeln?
Dennis: Wenn Dynamo spielt, schaue ich auch wirklich das Spiel. Im Stadion gibt es sowieso nur ganz selten Stress. Es ist 20 Jahre her, dass wir uns in einem Stadion so richtig geprügelt haben. Damals wurden manche Hooligans sogar von den Vereinsbossen hofiert. In der Halbzeit gab es Freibier und nach dem Spiel für den Gegner auf die Fresse. Seither haben die Bullen alles radikal dicht gemacht. Die wirklichen Kämpfe finden immer außerhalb statt, auch außerhalb der Städte. So Feld-Wald-Wiese. In Deutschland und den meisten anderen Ländern in Westeuropa hat Fußball diese Tradition. Aber in Osteuropa gibt manchmal auch beim Eishockey, beim Basketball oder sogar beim Wasserball Hooligans.
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Was war die schlimmste Verletzung, die du jemandem zugefügt hast?
Ich weiß es nicht, ich kümmere mich nicht um meine Opfer. Einmal habe ich erfahren, dass einer, auf den ich draufgeschlagen habe, einen doppelten Kieferbruch hatte. Aber ob das die schlimmste Verletzung war, kann ich nicht sagen. Wenn einer fertig ist oder am Boden liegt, ist der für mich erledigt. Auch der Ehrenkodex sagt, dass man dann von dem ablässt. Aber ich schicke dem keine Karte ins Krankenhaus und frage, wie es ihm geht. So ein Wiesen-Match ist meistens nach ein oder zwei Minuten vorbei, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Die Zeit steht.
Kam bei deinen Kämpfen schon jemand ums Leben?
Bei den Kämpfen, bei denen ich persönlich dabei war, gab es noch keine Toten. Obwohl gerade Russen und Polen übel zulangen. Da sollen auch schon einige im Rollstuhl gelandet sein. Ich selbst hatte auch schon alle möglichen Knochenbrüche. Einmal habe ich so hart auf den Kiefer eines Gegners eingedroschen, dass mein Handgelenk gebrochen ist. Da musste ich viele Monate aussetzen. Ärgerlich.
Schreibst du anderen Hools WhatsApp-Nachrichten, um eine Schlägerei zu organisieren?
Jede Gruppe hat einen Anführer. Der telefoniert erstmal mit dem Anführer einer anderen Gruppe, da wird aber nichts Verdächtiges gesagt. In Deutschland werden viele Telefone abgehört. Es gibt wohl auch Hools, die sich über das Darknet verabreden, aber wir machen das nicht. Die Anführer besprechen alles persönlich, später geben sie es mündlich an die anderen weiter. Flüsterpropaganda. So ist festgelegt, wo gekämpft wird, wie viele Leute kommen, meistens sind das 10 oder 20. Die Anführer besprechen auch, dass keine Waffen eingesetzt werden, keine Quarzhandschuhe, so Feinheiten eben. Einen Sackschutz trage ich selbst aber schon, den lasse ich mir nicht nehmen. Ich will ja nicht, dass mir die Eier explodieren. Außerdem trinke ich drei Tage vor einem Kampf keinen Alkohol und versuche, viel zu schlafen.
Merkst du, dass du dümmer wirst, wenn du so oft Schläge auf den Kopf kriegst?
Um den Weg zum nächsten Spiel zu finden, reicht es noch, und … was ist das überhaupt für eine bescheuerte Frage? Willst du mich provozieren, oder was?
Bist du eine Gefahr für die Allgemeinheit?
Vielleicht. Ich bin froh, das nicht ausprobieren zu müssen. Also, ich meine, ich bin froh, dass ich diesen Ausgleich habe. Ich weiß nicht, wie ich sonst drauf wäre. Wenn mich jemand auf der Straße dumm anmacht, sage ich ihm: “Hau mir eine rein!” Wenn er das macht, ist er fällig.
Warum hast du kein produktives Hobby?
Manche angeln. Andere schießen Nashörner in Afrika tot. Ich schlage halt gerne Menschen auf die Nuss. Aber ich habe auch entspannte Hobbys. Ich sammle Kampfhunde. Drei habe ich. Und ich gehe gerne italienisch essen.
Sind alle Hooligans rechtsextrem?
Ich bin nicht rechtsextrem. Aber ich schätze mal, dass etwa die Hälfte aller Hools das sind. Da werden dann oft die erwartbaren Witze gemacht. Gegen Juden, Muslime. Gegen Merkel. Also ich sage mal so: Ich persönlich kenne keine linken Hooligans. Dafür habe ich schon gegen Russen gekämpft, von ZSKA Moskau. Russen waren für die Nazis früher die Untermenschen, aber einige von denen hatten Hakenkreuze über ihren Herzen tätowiert.
Gibt es Frauen, die auf Hooligans stehen?
Ja. Genug. Ich stehe auf Weibchen, die irgendwas mit Schönheitskrams machen. Was gar nicht geht, sind Frauen, die sich bei der Hygiene gehen lassen.
Welche Medikamente nimmst du, um den Harten zu markieren und so zu tun, als würdest du keinen Schmerz spüren?
Medikamente sind nicht so mein Ding. Ich mag Koks.