1.000 Euro – so viel hat Hakim einem Justizvollzugsbeamten gezahlt, damit er ihm fünf Handys in den Knast schmuggelt. Die Smartphones hat der 29-Jährige im Gefängnis weiterverkauft. Bis auf eins, das Hakim selbst in seiner Zelle versteckt. Wir schreiben uns Nachrichten, er schickt Fotos – von seiner Anklageschrift, Anwaltspost und seinem Vorratsschrank, der unter anderem mit Mehl, Aufbackbrötchen und Curry-Ketchup gefüllt ist.
Hakim kam wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für rund ein Jahr in Untersuchungshaft. Schließlich wurde er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Deshalb sitzt Hakim seit rund einem Jahr in einer geschlossenen Vollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es bundesweit die meisten Justizvollzugsanstalten, insgesamt sind es 36 JVAs mit über 18.000 Plätzen. Hakim ist einer von rund 40.000 männlichen Strafgefangenen in Deutschland. Aber Hakim heißt eigentlich anders. Er möchte seinen Namen und genauere Angaben zu seiner Tat und Haftstrafe nicht öffentlich machen, um seine Resozialisierung nicht zu gefährden und, um Konflikte mit Justizbeamten und der Anstaltsleitung zu vermeiden.
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Hakim wurde bereits ein Mal mit einem Handy in seiner Hand erwischt. Als Strafe hat er seinen Job verloren und eine zweiwöchige Freizeitsperre bekommen. Er durfte nicht mehr in den Fitnessraum und sich wochentags auch nicht mehr für 90 Minuten auf die Zelle eines anderen Gefangenen schließen lassen. “Wenn Beamte eine Zelle durchsuchen, warnen Gefangene einander über das Fenster und dann geht die Flüsterpost los”, schreibt Hakim. Welche verbotenen Gegenstände er außer dem Handy noch besitzt? “Parfüm. Man muss doch ein bisschen hervorstechen haha. Das Parfüm fülle ich in einen Deoroller um, die Flasche verstecke ich”, schreibt Hakim. Bevor sein Handy ein zweites Mal einkassiert wird, tippe ich zehn weitere Fragen ein.
VICE: Hattest du schon Sex im Gefängnis? Hakim: Nein, hatte ich noch nicht. Aber es kommt vor, dass Beamte und Inhaftierte Sex haben. Das sind auch nur Menschen. Stell dir vor, du bist fünf Jahre oder länger inhaftiert und siehst die andere Person täglich. Da ist es menschlich, dass ab und zu mal etwas passiert.
**Nimmst du Drogen?
**Ich nehme weder Drogen, noch trinke ich Alkohol. Im Knast gibt es aber jede mögliche Droge. Beim Arzt bekommt man Methadon, also Heroin-Ersatz. Und es wird auch mit Drogen wie Haschisch, Gras, Kokain oder Spice gehandelt. Die meisten Gefangenen rauchen aber Papier, das mit Chemie bearbeitet wurde und wie Gras wirkt. Das wird in kleinen Karokästchen verkauft, also auf Karopapier, das auch im Matheunterricht benutzt wird. Drei Kästchen kosten im Knast durchschnittlich 5 Euro. Außerhalb vom Knast kostet dich ein ganzes Blatt maximal 100 Euro. Das Papier zu rauchen ist zwar schädlicher als das Rauchen von herkömmlichem Gras, aber dafür ist die Wirkung intensiver und die verschiedenen chemischen Zusammensetzungen können Drogentests nicht nachweisen. Deshalb ist die Nachfrage danach besonders groß.
**Wie werden Drogen und Alkohol eingeschmuggelt?
**Drogen kommen über Besucher, Beamte oder die Post in den Knast. In der Regel bezahlen Leute von draußen die Beamten per Banküberweisung. Oder ein Gefangener bezahlt einem anderen Gefangenen den Einkauf von Lebensmitteln, Drogerieartikeln oder Tabak. Die Preise für Drogen wie Kokain oder Gras entstehen frei Schnauze. Auf der Straße bekommst du für zehn Euro circa ein Gramm Gras oder Haschisch, im Knast aber nur zwischen 0,2 oder 0,3 Gramm. Es gibt zwar keine exklusiven Strukturen für den Verkauf, aber nicht jeder kommt an Drogen ran. Du bist auf Leute von außerhalb angewiesen, die Drogen besorgen und Beamte bezahlen.
Alkohol zu schmuggeln ist komplizierter, weil die Flaschen sperrig sind und schnell auffallen. Deshalb kommt Alkohol in der Regel nur an besonderen Tagen über Beamte rein. Ein weiteres Problem ist, dass man dir Alkoholkonsum sofort anmerkt. Rote Augen vom Gras können die Leute unter einer Sonnenbrille verstecken. Und die Strafen für Drogen- und Alkoholkonsum sind in der Regel gleich. Eigentlich müssen die Zellen jeden Tag durchsucht werden, aber die Beamten lassen uns in Ruhe. Drogenkonsum wird von den Beamten häufig geduldet, weil die Leute damit ruhiger sind. Ab und zu kommt die Sicherheitsgruppe vorbei, dann wird gründlicher kontrolliert.
**Bist du in einer Knastgang?
**Nein, hier ist es nicht wie in amerikanischen Filmen. Natürlich hast du Grüppchen, die zusammen abhängen, aber die Einzigen, die so krass unter sich bleiben, sind die Russen. Ansonsten hängt jeder mit jedem ab. Entscheidend ist Sympathie und ob man gemeinsame Bekannte hat.
**Sind deutsche Gefängnisse All-Inclusive-Hotels für Kriminelle?
**Ja, es ist ein Hotel für Leute, die außerhalb des Knasts keine Verantwortung tragen. Also zum Beispiel, wenn du keine Familie hast, um die du dich kümmern musst. Wenn du als Inhaftierter eine gute Psyche hast, dann ist es hier nicht schlimm. Aber du hast kaum Einfluss auf deine Anwälte oder andere Dinge, die außerhalb der Gefängnismauern passieren. Der Knast an sich kann dir nicht weh tun. Du bist eingeschlossen und viel mehr kann dir nicht passieren. Man kann dir nicht mehr wegnehmen als deine Freiheit. Du bekommst Essen, Trinken, ein Bett und einen Fernseher. Lern dann mit dir selbst klarzukommen.
Kackst du vor Zellengenossen? Ich hatte immer eine Einzelzelle. Im Neubau haben alle Zellen separate Toiletten. Im Altbau sind die Toiletten noch in der Zelle, direkt neben der Tür. Wenn also Beamte die Zellentür öffnen, kann es passieren, dass du beim Kacken gestört wirst.
**Ist es dir peinlich, im Gefängnis zu sein?
**Bisher verheimliche ich das nicht. Aber ich denke, dass es schwer wird, meinem zweijährigen Kind beizubringen, dass ich im Gefängnis bin. Ich sitze aber nicht wie ein mittelloser Junkie ein und ohne etwas für die Familie gemacht zu haben. Aber ich habe mein Kind bereits knapp zwei Jahre im Stich gelassen. Und die Mutter meines Kindes natürlich auch. Es ist schwer zu sagen, wie sich die Haftstrafe auf Beziehungen zu Familie und Freunden auswirkt. Man lebt sich auseinander, aber man leidet auch miteinander.
**Hast du einen Haftschaden?
**Nein, bis jetzt noch nicht. Ich reagiere aber übersensibel, wenn ich mein Handy benutze, weil ich immer das Gefühl habe, dass ich es verstecken muss. Andere Gefangene reden mit sich selbst, schreien nachts oder sind aggressiv. Aber oft nicht, weil sie schlechte Menschen sind, sondern aus Verzweiflung und weil sie hier keine Hilfe bekommen. Psychologische Hilfe bekommen meistens nur Gewalttäter, um den Rest kümmern sich Sozialarbeiter. Viele Gefangene gehen am Drogenkonsum kaputt. Und sie gewöhnen sich daran, dass sie hier keine Verantwortung tragen müssen. Deshalb kommen viele zurück.
**Was war das Schlimmste, das du im Knast erlebt hast?
**Hier passieren viele Selbstmordversuche, Leute hängen sich auf oder nehmen Pillen. Manche Gefangenen gehen wochenlang nicht duschen. Es gibt Leute, die auf Methadon sind und singen als wären sie in einer Rockband. Und ein Gefangener hat zwei Handys und Hasch in seinem Arsch versteckt. Ich habe mich gefragt, wie die da reinpassen.
**Was nervt dich am meisten an der Haftstrafe?
**Im geschlossenen Vollzug war ich anfangs 23 Stunden am Tag allein. Ich durfte nur für Sport und die Freistunde aus der Zelle raus. Das ist ein ekelhaftes Gefühl, so lange allein zu sein. Zwei Mal im Monat darfst du für eine Stunde Besuch empfangen, aber es sind in Wirklichkeit meist nur 45 Minuten. Du bekommst zwei weitere Besuchstermine pro Monat, wenn du Kinder hast. Dann gibt es noch Langzeitbesuche, bei denen zum Beispiel deine Ehefrau oder andere Familienangehörige und Kinder ein Mal im Monat für drei Stunden kommen dürfen. Beim Langzeitbesuch beaufsichtigen dich keine Beamten. Damit das genehmigt wird, musst du aber bereits länger im geschlossenen Vollzug sein und dich gut benehmen. Deinen Besuch darfst du auch nur in Knastklamotten empfangen. Das ist Teil der Politik, um dein Ego zu brechen. Mich nervt es, dass ich so wenig von meiner Familie mitbekomme. Du fühlst dich machtlos und musst alles mit dir selbst ausmachen, ohne wirklich auf die Zukunft vorbereitet zu werden.
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