10 Fragen an einen Ordnungsamt-Mitarbeiter, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts

Der Schriftzug auf dem Rücken von Heinrichs blauer Uniform sorgt zuverlässig für genervte Gesichter. Heinrich läuft Streife beim Berliner Ordnungsamt. Von 6 bis 22 Uhr verteilen er und seine Kollegen Strafzettel, passen auf, dass Leute nur dort grillen, wo sie es dürfen, und dass Hundehalter die Hinterlassenschaften ihrer Liebsten entsorgen. Außerdem gibt es eine App, mit der man zum Beispiel illegal abgeladenen Müll melden kann, die manche Hilfssheriffs aber auch gerne mal missbrauchen, um gegen ihre Nachbarschaft in den Krieg zu ziehen, erzählt Heinrich. Weil er seinen Job verlieren könnte, wenn er öffentlich davon erzählt, haben wir seinen Namen geändert.

Die Ordnungsämter sind in Deutschland ein Teil der Kommunalverwaltungen und anders als viele Menschen glauben, sagt Heinrich, erhalte er keine Provision, wenn er besonders viele Strafzettel verteilt. Er glaube aber schon, dass sein Chef nachfragen würde, käme er mal nur mit fünf Anzeigen durch die Woche.

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Wir haben Fragen.

VICE: Warum zur Hölle machst du diesen Job?
Heinrich: Ich wollte immer schon in den Bereich Sicherheit und Ordnung und ursprünglich Polizist werden. Das hat leider nicht geklappt. Ich bin mit einer Angina, einer Art Mandelentzündung, zum Sporttest gegangen und durchgefallen. Später bin ich eher zufällig beim zentralen Objektschutz der Polizei eingestiegen. Das sind die Menschen, die zum Beispiel Synagogen oder Botschaften bewachen. In dieser Angestelltenlaufbahn sind die Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln, jedoch relativ begrenzt. Mit Anfang 30 musste ich sehen, wo ich reinrutsche. Dann hat sich das mit dem Ordnungsamt ergeben. Ich ärgere mich aber nicht darüber, kein Polizist geworden zu sein.


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Hat schon jemals im Dienst jemand etwas Nettes zu dir gesagt?
Etwas Spezielles fällt mir jetzt nicht ein. Ich begegne den Leuten immer mit Respekt und Freundlichkeit. Im Gegenzug freue ich mich, wenn sie mir auch freundlich entgegentreten und wirklich zuhören. Wir haben natürlich öfters ignorante Leute, die aggressiv, uneinsichtig und rücksichtslos reagieren. Deshalb ist jedes kleine positive Gespräch etwas Schönes. Vor allem wenn die Belangten verständnisvoll sind. Das bereichert meinen Tag. Wenn wir zum Beispiel in Wohngebieten auftauchen und “aufräumen”, kriegen wir viel positive Resonanz: Wenn Leute ihr Fahrzeug doof abstellen und ich denen dann erkläre, warum es sicherheitsrelevant sein kann. Man darf fünf Meter zum Schnittpunkt der Kreuzung nicht parken, damit größere Fahrzeuge von Feuerwehr und Notarzt besser rumkommen.

Was war die schlimmste Beleidigung, die du je gehört hast?
Blöde Kommentare kommen jeden Tag. Meistens geht es dann nicht gegen mich, sondern gegen die Uniform. Gegen das, was ich darstelle. Nur sehr selten wird es persönlich. Vielleicht kein “Arschloch”, aber oft spitzfindige Sprüche wie “1-Euro-Jobber” oder “Abzocker”. Das höre ich ganz oft. Viele Leute sind nicht an einer sachlichen Erklärung interessiert. Die sind in dem Moment erbost, wollen sich ein bisschen Luft machen und ihr Gesicht wahren. Dann werfen sie mir einen doofen Spruch an den Kopf und denken sich: “Ja, dem habe ich es gezeigt!” Aber das lasse ich nicht an mich ran.

Der Respekt vor dem Ordnungsamt ist niedriger als vor der Polizei, das ist einfach so. Aber mir war schon klar, was auf mich zukommt. Anfangs hat man vielleicht Probleme damit, aber man lernt damit umzugehen.

Hast du Angst, wegen deines Jobs angegriffen zu werden?
Angst habe ich nicht, aber Respekt. Wir haben in Seminaren gelernt, Gefahren zu erkennen und Körpersprache zu deuten. Dazu kommt noch die Dienst- und Lebenserfahrung. Manchmal befürchte ich schon, dass was passieren könnte. Das sollten wir aber nicht zu nah an uns ranlassen, sonst trauen wir uns gar nicht mehr, in bestimmte Situationen oder Ecken reinzugehen. Wir haben ein bestimmtes Restaurant bei uns im Bereich. Wenn wir dort Falschparker ahnden, kommen oft große breite Männer raus, die uns ein bisschen bedrängen wollen. Darüber kann ich mir aber keine Gedanken machen. Ich versuche immer korrekt und höflich zu sein, aber es gibt auch Kolleginnen die leider manchmal ein wenig provokant sind.

Was geht in dir vor, wenn jemand in Berlin neun Fahrzeuge des Ordnungsamts anzündet?
Das ärgert mich natürlich sehr. Wir sind ja nicht immer nur die Bösen, sondern dafür da, für Ordnung zu sorgen. Leute, die solche Autos anzünden, behindern uns in unserer Tätigkeit. Mit den Autos ist das ein bisschen so wie mit der Uniform: Sie sind etwas sehr Symbolisches. Und der Sachschaden geht im Endeffekt zu Lasten des Steuerzahlers. Ein Schuss ins eigene Bein.

Wie hältst du es aus, den ganzen Tag gehasst zu werden?
Es ist ja nicht den ganzen Tag. Außerdem weiß ich, warum ich diesen Job mache, warum es bestimmte Regelungen gibt. Zum größten Teil machen sie Sinn. Dennoch passiert in Berlin auch das ein oder andere Schwachsinnige von Seiten der Verwaltung. Zum Beispiel dieser Zickzack-Radweg in Zehlendorf, aufgemalt auf einem Gehweg. Der verlief nicht bogenförmig an den Bäumen vorbei, sondern im 90-Grad-Winkel, im Zickzack an den Bäumen entlang. Das wurde wirklich so beauftragt und die Firma hat das ausgeführt.

Gibst du Luxusautos besonders gerne ein Ticket?
Ich behandle alle gleich. Ein Rolls-Royce Phantom wird bei mir genauso behandelt wie ein Renault Twingo. Ich sehe eher, dass Kollegen vor diesen Autos manchmal mehr Respekt haben. Sie denken, “Oh Gott, das ist eine Million wert” und trauen sich nicht, den Zettel an das Auto zu stecken. Es gibt auch Polizistinnen, die denken, sie können das nicht abschleppen, weil sie ein Kratzer in Teufelsküche bringen würde. Die Belangten denken wiederum, dass sie Strafzettel aus der Portokasse bezahlen. Aber wenn du als Fahrzeugführer über 55 Strafzettel in einem Jahr bekommst, kann es an die Fahrerlaubnis gehen. Dann wird es hässlich.

Wie oft machen sich Freunde darüber lustig, dass du den deutschesten aller Berufe hast?
Das ist gerade in der Anfangszeit öfter passiert. Gerade weil sie diese Stereotype im Kopf haben. Die denken dann, da werden wieder Leute aufgeschrieben, weil sie den Hundehaufen nicht weggeräumt haben. Ich habe dann eiskalt zurück gefragt, ob sie Hundekacke mögen. Dann verstehen sie mich. Klar wirkt mein Beruf sehr spießig, aber es kommt auch auf den Blickwinkel an. Seitdem ich ein kleines Kind habe, das alles angucken und anfassen möchte, fällt mir noch mehr auf, wie viel Hundekacke auf den Straßen liegt. Ich überlege dann, welche Krankheiten übertragen werden können. Wir beobachten aber, dass es besser geworden ist und die Besitzer das öfter wegräumen.

Wie befriedigend ist das Gefühl, jemanden zu zwingen, die Scheiße seines Hundes aufzusammeln?
Das ist schon ein Erfolgserlebnis. Ich muss denjenigen auf frischer Tat erwischen, weil ich den Kot dem Hund zuordnen können muss. Das muss beweissicher dokumentiert werden. Sobald jemand eine Straßenecke weiter ist, kann er sagen, dass er das nicht war. Ich muss sagen können, dass ich gesehen habe, wie der Hund sich gelöst hat.

Fühlst du dich schlecht, wenn du Obdachlose vom Platz verweist?
Sowas habe ich noch nicht machen müssen. Ich versuche, den Menschen mit möglichst viel Respekt entgegen zu treten. Es gibt in Berlin auch rumänischen Bettelbanden. Die werden teilweise an einem Ort abgesetzt, betteln, werden abends wieder eingesammelt und müssen das Geld abgeben. Das ist ein ganz sensibles Thema. Wenn der Bezirk sagt, die müssen weg, dann müssen wir das machen. Aber ich versuche dort mit ganz viel Fingerspitzengefühl und mit dem Spielraum den ich habe, ranzugehen. Um die Menschlichkeit zu bewahren. Wenn Sachen weg geräumt werden, die für mich Müll sind, ist das vielleicht für denjenigen das Einzige was er hat. Diese Menschen sind einfach total arm dran.

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