Meine bisherigen Gespräche mit Polizisten habe ich immer unfreiwillig geführt. Ob spät nachts auf den Kölner Ringen, nachdem ich einen Barbesitzer aus Versehen geboxt habe (sorry, kommt wahrscheinlich nicht wieder vor), oder in Situationen, in denen ich zivilen Ungehorsam für angebracht hielt.
Die Anti-Neonazi-Demo am 1. Mai in Frankfurt war eine dieser Situationen. Während mich ein Polizeibeamter mit seinen Fragen durchlöchert hat, blieb ich stumm vor ihm stehen. Dabei hatte ich auch so viele Fragen an ihn. Team Beyoncé oder Team Rihanna? Magst du Katzen oder Hunde? Ich tippte auf Hunde, weil es keine Polizei-Katzen gibt. Meine Fragen habe ich dann aber nicht laut ausgesprochen. Ich habe mich nicht getraut. Als Praktikantin bei VICE habe ich aber nach einigen Wochen jegliches Schamgefühl verloren. Es ist höchste Zeit, mein Versäumnis nachzuholen.
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Ferhat (40), der eigentlich anders heißt, ist Oberkommissar und arbeitet seit 14 Jahren als Polizist. Er will seiner Laufbahn nicht schaden, deswegen antwortet er hier anonym. Er mag Hunde lieber als Katzen und Beyoncé mehr als Rihanna. Und dann hatte ich noch zehn weitere Fragen:
VICE: Welches Angebot würde eher ziehen, damit du mal ein Auge zudrückst, Sex oder Geld?
Ferhat: Von einer älteren Dame, die an einem Sonntag in der 30er Zone mit gefühlten 80 km/h durch die Straßen gebrettert ist, habe ich das bisher beste Angebot bekommen. Sie hatte verpennt und wollte noch rechtzeitig zum Gottesdienst. Wenn ich von einer Anzeige ablasse, schenkt sie mir ihre Servietten-Sammlung. Die waren auch wirklich edel, aber ich habe natürlich trotzdem abgelehnt. Normalerweise sind die Leute vorsichtiger und versuchen es eher mit diskreten Fragen: “Geht da was? Gibt es eine andere Möglichkeit, das zu klären?” Meine Antwort ist immer: “Nein.”
Schon mal von einer Strafe abgesehen, weil dir jemand sympathisch war?
Wenn ich im Streifenwagen herumfahre und sehe, dass jemand nicht angeschnallt ist, dann halte ich die Person an. Aber wenn jemand seinen Fehler ehrlich eingesteht, dann spreche ich mit gehobenem Finger ein “Du, du, du” aus und die Sache hat sich erledigt. Früher bin ich auch unangeschnallt Auto gefahren. Wenn aber Kinder mit im Auto sitzen oder ich die Leute im Rahmen einer Verkehrskontrolle anhalte, dann kassiere ich immer ab. Egal, wie sympathisch die sind. Und im Falle einer Straftat kann ich natürlich nicht einfach mal so ein Auge zudrücken, dann würde ich mich selbst mit strafbar machen.
Würdest du gerne mal einfach mit deiner Dienstwaffe rumballern?
Das mach ich schon. Wenn ich Lust habe, gehe ich zu meinem Schießtrainer und der denkt sich am Schießstand neue Übungen für mich aus.
Fühlst du dich mächtig, weil du eine Waffe trägst?
Ich habe bisher bei zwei Einsätzen mit meiner Dienstwaffe geschossen: einmal, um einen angefahrenen Hasen von seinem Leid zu erlösen, und das andere Mal einen Fuchs. Auf Menschen habe ich zum Glück noch nie geschossen. Erst, wenn mein eigenes Leben oder das von anderen in Gefahr wäre, würde ich das tun. Meine Waffe verleiht mir auch kein Gefühl von Macht. Aber sie gibt mir ein Gefühl der Sicherheit.
Nicht, dass wir bei VICE Vorurteile haben. Aber sind viele deiner Kollegen sexistisch, Neonazis oder dumm?
Ich habe selten erlebt, dass sich jemand, sei es Mann oder Frau, durch irgendwelche Sprüche persönlich angegriffen gefühlt hat. Wenn jemand mal einen dummen Spruch sagt, dann sagt man zwei zurück und fertig. Das klingt jetzt nach einem Klischee, aber wir sind wie eine große Familie. In meinen 14 Jahren habe ich noch nie erlebt, dass jemand ein richtiger Nazi war. Nicht mal Sprüche wie “Oh scheiße, da kommt ein Schwarzkopf” musste ich mir je anhören. Da ist meine Meinung gegenüber kriminellen Ausländern weit extremer als die meiner deutschen Kollegen. Wer in dieses Land kommt, nur um Straftaten zu begehen, hat hier nichts zu suchen.
Wie erkenne ich einen Polizisten in Zivil? Ich frage für einen Freund …
Kollegen mit Migrationshintergrund sind die beste Tarnung. Dein “Freund” kann sich nie sicher sein, ob der Typ, der Drogen kaufen möchte, nicht doch ein Polizist in Zivil ist. Ich wurde selbst häufig verdeckt zur Drogenbekämpfung eingesetzt, weil mich nie jemand als Polizeibeamten wahrgenommen hat. Ich wurde während meiner Einsätze sogar oft von Leuten gefragt, ob ich Drogen verkaufe. Dass wir in dem Moment mit Vorurteilen gespielt haben, hat mich dabei überhaupt nicht gestört. Polizist in Zivil zu sein, heißt, in eine Rolle zu schlüpfen. Dann bin ich eben der Kanake, der Drogen kauft.
Denkst du, du bist ein besserer Mensch als andere?
Verglichen mit der Klientel, mit der ich tagtäglich zu tun habe, denke ich das schon. Aber ich sag mal so: Auch Polizeibeamte sind nur Menschen. Natürlich kann ich in manchen Situationen auch böse werden. Und manchmal fühle ich mich auch wirklich schlecht. Es kommt ja vor, dass ein armer Mensch Essen stiehlt und erwischt wird. Das ist dann blöd gelaufen, aber ich muss trotzdem meinen Job durchziehen und den Menschen anzeigen.
Wer ist auf Demos schlimmer, die Antifa oder Neonazis? Und wen verprügelst du lieber?
Die Antifa ist bei Demonstrationen auf jeden Fall schlimmer. Neonazis provozieren gerne, aber die laufen nur rum und haben eine große Klappe. Straftaten begehen die in der Regel selten. Die Autonomen waren da schon deutlich gewaltbereiter. Wenn polizeiliche Gewalt angewendet werden muss, dann unterscheide ich aber nicht zwischen Antifa oder Neonazis. Ich verprügel jeden, der es verdient hat.
Hast du jemals das Blaulicht benutzt, um einfach nur einem Stau zu entgehen?
Das habe ich ein Mal auf der Bundesstraße gemacht, weil ich extreme Magenprobleme hatte. Die Leitstelle hat es in dem Fall auch genehmigt.
Und Sex in deinem Polizeiauto gehabt?
Nein, im Dienstwagen sitzt ja auch immer mein Kollege neben mir.