Als wir Ende Mai das Musikvideo der ersten Single vom neuen Cro-Album tru. anklickten, erwarteten wir nicht viel. Feel-Good-Pop, Ohrwurm-Hook, alles brav zurechtgeschnitten auf Radio-verträgliche drei Minuten. Doch je länger wir “baum” anschauten, umso tiefer klappte unser Unterkiefer nach unten. Denn in den fünf Minuten rappte sich Cro leidenschaftlich den Arsch ab, pfiff auf eingängige Songstrukturen und blickte kritisch auf seine Karriere. Das hatten wir nicht kommen sehen – ebensowenig, dass die folgenden Singles “unendlichkeit” und “tru” unsere Vorfreude auf das Album noch steigern würden. Gespannt auf ein Cro-Album sein – etwas, was man früher nicht hätte laut sagen dürfen, ohne abschätzig belächelt zu werden. Doch Zeiten ändern sich wie die Masken des Stuttgarters.
Marteria, Casper, Cro – sie alle haben 2017 neue Alben veröffentlicht. Da die drei vor ein paar Jahren das Genre Mainstream-technisch revolutioniert haben, liegen die Ansprüche eher so knapp über der Skyline. Roswell war ein typisches Marteria-Album, von dem leider nicht so viel hängenblieb, Lang Lebe der Tod ein epischer Schlag in den Magen, den man entweder abgöttisch liebt oder gerne mehr Songs wie das XOXO-mäßige “Keine Angst” gehabt hätte. Und tru.? Wenn der heimliche Hit des Albums ein 12-Minuten-Song namens “computiful” ist, dann sagt das so viel mehr als irgendwelche Stammplätze in der Dauerrotation. Cro tobt sich musikalisch auf den 20 Tracks komplett aus, zeigt, was für ein fantastischer Produzent er ist und schafft damit sein eigenes Cherry Bomb.
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Broadly-Video: “Wie einsame Menschen über Apps virtuelle Beziehungen führen”
Und inhaltlich? Unfassbare anderthalb Stunden rappt und singt sich Cro seinen Frust von der Seele, alles erreicht zu haben und dann trotzdem nur neben einer Frau aufzuwachen, die ihm nichts bedeutet. Eigentlich lebt er den Traum von Millionen und doch scheint es bei Cro in den letzten Jahren ordentlich gebrodelt zu haben. Vor allem die Sache mit der Liebe hat ihm anscheinend wirklich zugesetzt. Immer wieder greift er eine gescheiterte Beziehung auf, versucht die Leere mit Musik, Partys und wunderschönen, aber doch so austauschbaren Frauen zu füllen.
Selbst wenn ihr in einer Villa mit euren Freunden lebt und ein verdammter Popstar seid, dem alle Türen offen stehen, kann das Single-Leben eben manchmal verdammt beschissen sein. Wir haben die 10 besten Lines des Albums gesammelt, die diese Downs in all ihren deprimierenden Facetten perfekt aufgreifen.
“To the left, to the left, to the left … Ich hab auf Tinder kein Bock!”
Ohne Frage, Dating-Apps erleichtern das Kennenlernen von anderen Menschen, machen uns alle gleichzeitig aber auch komplett austauschbar. Da schreibt ihr dann parallel mit fünf Matches, haut immer wieder die gleichen Phrasen und Jokes raus, bis ihr euch irgendwann zum Date trefft und schon euch nach zehn Minuten fragt, wie ihr diese Sache möglichst angenehm beenden könnt. Noch auf dem Weg nach Hause das Match wieder kommentarlos auflösen, weiter wischen, viereckiges Hamsterrad.
“Sie sagt: ‘Denk jetzt bloß nicht, dass ich das hier ständig mach!’ und leckt ihr Handy ab / Ekelhaft, erzählt, dass sie es endlich schafft”
Wenn es einen Zeitpunkt gibt, seinen derzeitigen Lebensstil zu hinterfragen, dann auf der Toilette eines Clubs. Da steht man also komplett besoffen mit einer frischen Bekanntschaft, um zu ballern und starrt mit riesigen Teller-Pupillen den gierigen Spiegel des eigenen Abfucks an.
“Bin in Gedanken bei ‘nem andren Mädchen, das noch ehrlich war, das mit mir Pferde stahl / Sie lenkt ab, ich leere die Bar”
In dem Horrorfilm Shutter wird der Protagonist von einem rachsüchtigen Geist geplagt, der auf seinen Schultern sitzt und ihn quält. Ähnlich verhält es sich mit den Ex-Partnern, die sich ohne Vorwarnung in die gerade noch sorgenfreien Gedanken einnisten und mit rosa Erinnerungen nerven.
“Menschen werden Tiere wegen Drogen, Bitches, Scheine / Ich war mittendrin, daneben, aber irgendwie alleine”
Das Beschissenste am Single-Dasein? Nun … das Alleinsein.
“Und ich frag’ mich, bin ich schlecht, weil ich Mädchen nicht text’ nur, weil sie bisschen blöd’ is’ / Und ich es dann doch tu, weil sie schön ist – und ihr danach sag es wird nix”
Single zu sein heißt, sich ständig um Sex bemühen zu müssen. Dass man dabei früher oder später auch mit jemandem im Bett landet, dem man eigentlich nichts zu sagen hat, ist unvermeidbar. Genauso wie sich ab und zu wie ein Arschloch zu verhalten und den Selbsthass ein bisschen mehr zu füttern.
“Mach dein Top mal zu / No, I don’t fuck with you”
Wenn man irgendwann an dem Punkt angekommen ist, wo man nicht mal mehr Bock auf Sex hat, ist man wirklich im siebten Kreis der Hölle gelandet.
“Ist mir egal was ich verkauf mit den Songs und wenn es sein muss, geb’ ich alles auf, was ich hab’ / Denn alles was ich brauche ist Love”
Dass Notgeilheit essentiell ist, um für Fortpflanzung und damit für Nachkommen zu sorgen, haben wir schon ganz gut verstanden, aber was zur Hölle hat sich die Evolution denn bitte bei der Liebe gedacht? Und warum geht es uns so schlecht, wenn wir keine erfahren? Und warum ist die zweite Staffel Love so enttäuschend?
“Niemand ist wach, alle Homies am Schlafen / Ich würd’ es niemals so sagen, doch bin nur wirklich bei mir, wenn sie da sind”
Wer steht euch in düsteren Zeiten bei, wenn ihr verheult das Instagram-Profil des Ex-Partners anstarrt? Eure Freundinnen und Freunde, die euch stattdessen fünf Dating-Apps aufs Handy laden und einen Schnaps in die Hand drücken.
“Sie ist gut im Bett, alles was sie tut ist echt, doch zu komplex / Sie ist zu perfekt!”
Wenn man sich denn schon mal von der letzten Beziehung erholt hat, alleine super zurecht kommt und alle Freiheiten genießt, braucht es schon verflucht gute Argumente, um sich wieder zu binden.
“Und auf einmal hab ich Sex aufm Klo / 10.000 Meilen überm Himmel schick ich allen Homies Snaps von ihrem Po.”
… Wer sagt denn, dass Single sein IMMER scheiße sein muss?