Die c-base in Berlin-Mitte, das sind die Überreste einer abgestürzten, 4,5 Milliarden Jahre alten Raumstation, zumindest, wenn man der Pressemappe glaubt. Nur die Antenne der unterirdischen, scheibenförmigen Station ragt noch am Alexanderplatz aus der Erde, so die Legende—Amateure nennen sie „Fernsehturm”.
Vielleicht ist die c-base aber auch die futuristische Zentrale eines Vereins namens c-base e.V., oder das „Mutterschiff” aller Hackerspaces. Eine Werkstatt, eine Bar, ein Seminarraum und ein Freiraum, eng verwandt mit dem CCC. Auf der Website wird man nicht viel schlauer.
Du kannst die Station in der Rungestraße durch eine Schleuse betreten und dich umsehen, nichtsdestotrotz passiert so viel gleichzeitig an diesem Ort, dass es immer ein wenig überwältigend ist. Hier ein Ubuntu-Stammtisch, dort der Stationsfunk-Podcast, hier erzählt Markus-Beckedahl Interessierten den aktuellen Stand in Sachen #Landesverrat, drüben treffen sich Wikipedia-Autoren beim Bier und in der Nerdarea basteln, löten, schrauben und tippen Technik-Enthusiasten an neuen Projekten, die blinken. Doch das ist längst nicht alles.
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Was ist dieses Ding, das sich hier zwischen Spree und Hinterhof-Büros in der Rungestraße eingenistet hat?
Nun hat die c-base Geburtstag und wird 20 Jahre alt. Höchste Zeit, sich diesem Phänomen mal etwas zu nähern. Ich habe deshalb Mirko Fichtner alias macro angerufen, der von der ersten Stunde an dabei war, und ihn gebeten, mit mir gemeinsam in die Geschichte der c-base einzutauchen und mir zu erklären, was das alles soll.
Motherboard: Hallo Mirko, kannst du mir mal eine Tour durch die c-base geben und beschreiben, was ich dort finden kann?
macro: Klar. Also nachdem man die Schleuse passiert hat, betritt man als erstes die Main Hall mit der Bar—das ist der universellste aller Bereiche, gut für Events und da dürfen auch alle rein. Hinten gibt’s noch einen Seminarraum, in dem sich fast jeden Tag Kleingruppen treffen.
Unten haben wir das C-Lab. Da wird eher nicht gespielt, das ist ein Arbeits- und Bastelbereich. Dann haben wir eine Studio-Infrastruktur für unsere Podcasts und einen Videoschnittplatz, 3D-Animationsplätze, Rechner und natürlich einen Serverraum. Im Vorstandsraum machen wir die öffentlichen Kommunikationssachen. Es gibt die Werkstatt, ein Materialager, das Robolab und einen 3D-Drucker.
Das Herzstück der c-base ist die Nerdarea. Da dürfen ausschließlich Mitglieder rein und können dort basteln, spielen, planen und Material ablagern, das wir für die Konstruktion der Raumstation nutzen.
Wieso wird die c-base eigentlich immer als Raumstation bezeichnet?
Unser Grundprinzip in der Kommunikation ist es, zu verwirren. Wir möchten anregen, alternative Realitäten zu akzeptieren und diese auch kommunizieren. Ich gebe mal das Beispiel unserer Website: Noch nach Stunden kann man da irgendwelche Links entdecken, aber richtig informativ ist sie nicht. Dafür kann man sich richtig darin vergraben—so wie in der c-base.
Wir fanden, die Raumstation-Analogie wäre ein guter Bereich, um sich Freiheiten zu schaffen. Man kann es auch wörtlich sehen: Als Raumstation bieten wir Raum. Freiraum. Wenn du auf unsere Homepage gehst, dann siehst du, dass wir die C-Base in sieben Ringe eingeteilt haben. Jeder Ring hat eine Bedeutung. Sie stehen zum Beispiel für Kreativität, Wissenschaft, Schulungen und Kommunikation. Wir haben dann schnell gemerkt, dass das ein ziemlich cooles Konzept war, um jegliche Aktivitäten einzuordnen.
Erzähl doch mal, wie alles angefangen hat.
Es gab als Treffpunkt einiger Grafiker, Entwickler und Konzepter in den 90ern eine sogenannte Space-WG in Berlin, die auch schon sehr wie ein Raumschiff aussah: Drei Leute aus dieser WG und ihre Freunde, die sie durch selbstorganisierte Partys kennengelernt hatten, haben sich dann zusammengetan, um für einen Veranstaltungsraum einen Verein zu gründen.
Diese ersten Gründungsmitglieder haben von ihren Eltern damals netterweise einen nicht unerheblichen Kredit zum Verballern bekommen, und zwar zweimal 10.000 DM. Damit haben wir 1995 die ersten 170qm-Räume in der Oranienstraße bezogen, um uns einfach auszutoben, zu feiern, Ausstellungen zu machen und den Raum genauso gestalten zu können, wie wir mochten.
Die Mitgliederzahl ging ziemlich schnell nach oben und hatte bald die100er-Marke geknackt. Technik war nun ein Hobby vieler Mitglieder und natürlich haben wir auch große Schnittstellen zum CCC und viele Parallelmitglieder. Jedes Mitglied zahlt heute monatlich 17 Euro und ansonsten wurden Parties veranstaltet, für Pixelpark zum Beispiel, die die Finanzierung sichergestellt haben. Mittlerweile sind die Kredite auch alle zurückgezahlt.
Wie hat die C-Base ihren Charakter bekommen und wer zeichnet sich für die abgefahrene Inneneinrichtung verantwortlich?
Das war ein Gemeinschaftswerk, und lange Nächte am Tresen waren da nicht ganz unbeteiligt. Das ging Schritt für Schritt, und irgendwann hatte jemand die Idee, eine Schleuse zu bauen. Und dann kommt man nach einem Besäufnis am nächsten Tag wieder rein und es wurde schon losgebaut. Wenn du heute die Station betrittst, siehst du extrem viele LEDs und sogar einen Körperscanner.
So etwas gab es einfach nirgends. Auch das Wort Hackerspace gab’s nicht. Für uns war das einfach ein cool aussehender Raum, um uns zu treffen. Das hat die Leute immer total geflasht, weil die c-base von außen ganz normal und unscheinbar aussieht, aber wenn man dann die Tür aufmacht, blinkt und glitzert es überall. Das war das Konzept. So haben wir die Main Hall entsprechend gestaltet. Die Räume hatten auch einen seltsamen Schnitt—hoch und schmal, eine merkwürdige Form mit ganz vielen Winkeln. Das hatte echt sehr viel Charme.
Wir haben dann Ausstellungen und sonstige Sachen veranstaltet. Man kann sagen, zuerst waren die Kreativen da und erst später kamen die Techniker dazu. Und die C-Base ist und war dafür eine Schnittstelle, für Events, Mode, alles war sehr bunt. Die Bandbreite war sehr groß, deswegen ist der Kernpunkt der Station schwer zu beschreiben.
Ok, wie ging’s dann weiter?
1998 wurden wir zur Transmediale eingeladen und haben dort eine Art Performance gemacht: Wir haben dort eine Sonde gebaut und vor Ort zusammengestellt—da hatten die Besucher auf jeden Fall viele Fragezeichen im Gesicht und wir bekamen etwas mehr Aufmerksamkeit. So etwas gab es eben noch nicht, wir müssen schon ziemlich freaky ausgesehen haben.
1999 wollte unser bisheriger Vermieter das Haus sanieren und beendete den Mietvertrag. Gerettet hat uns dann Jutta Weitz—eine Art Engel und damals bei der Wohnungsbaugesellschaft Mitte für die Gewerberäume zuständig. Sie besorgte Künstlern immer wieder vorübergehend nutzbare Räume und hat uns in die Rungestraße vermittelt, als Teil einer Genossenschaft. Zudem bekamen wir Fördermittel als Jugendmedienhaus. Als wir wegen hoher Miet- und Stromschulden knapp bei Kasse und fast bankrott waren, bekamen wir relativ viel Unterstützung von der geldsammelnden Community. Aus den Events konnten wir Geld verwenden, um die Station so umzubauen, wie wir es wollen—fertig ist es ja nie.
Später erst kam die untere Etage dazu. Wir fühlen uns da echt wohl in dem Hinterhof; es gibt einen Garten an der Spree und gleichgesinnte oder entfernt verwandte Nachbarn wie die Games Academy. Die Leute wissen, dass sie klingeln mussten. Heutzutage ist hinten durch den Garten eigentlich immer jemand da, falls man mal gucken kommen möchte. Leider sind das nicht zwingend immer die kommunikativsten Leute und auch ich weiß gar nicht mehr, was exakt alles gleichzeitig passiert. Wir sind ja mittlerweile über 500 Leute, mit allen Vor- und Nachteilen.
Die Projekte, die hier passieren, sind machmal angekündigt und mal nicht. Parallel dazu hat sich ja auch die Hackerspace- und Makerspace-Szene weltweit entwickelt und dafür war die c-base so eine Art Blaupause. Wir werden oft Mutterschiff der Hackerspaces genannt und finden das natürlich ziemlich toll. Tja, und mittlerweile kommen heute Leute aus aller Welt, um sich die c-base anzuschauen: Aus Japan, Afrika, dem arabischen Raum… es scheint sich herumzusprechen. Mittlerweile hat sich der Verein enorm verändert, ich kenn nur noch einige bei weit über 500 Mitgliedern. Wir versuchen, zu Besuchern sehr nett und aufmerksam zu sein, doch diese Exklusivität, die manche ja trotzdem herstellen, finde ich manchmal schade.
Was wünscht du dir denn für die nächsten 20 Jahre der c-base?
Ich würde mir wünschen, dass Offenheit und Kreativität und soziale Kompetenz noch stärker ausgeprägt würden. Wir haben ja diesen Wahlspruch: „Be excellent to each other”. Den zu leben, das fände ich sehr schön, wenn das noch besser und intensiver klappt. Außerdem wünsche ich mir, dass einiges genauso weitergeht: Immer wieder spannende und überraschende Projekte. Ehrlich, mich erstaunt immer wieder, auf was für Ideen die Leute kommen.
Kannst du dafür mir ein Beispiel aus den letzten Jahren nennen—irgendein Projekt, das dich besonders beeindruckt hat?
Ja, wir haben 2005 mit nur acht Leuten das Multitouch-Tool gebaut. Das war noch vor dem Iphone. Alles war offen, wir alle haben die Schaltpläne und das Löten geteilt und konnten so eine Multitouchkonsole für weniger als 3000 Euro aus dem Nichts bauen, was sehr günstig ist. Studenten kamen dann zu uns in die c-base und haben dafür Spiele entworfen, die dann darauf liefen und auch Preise gewonnen haben. Im besten OpenSource-Sinne sind alle Baupläne öffentlich zum einfachen Nachbau.
Was können wir von euch auf dem diesjährigen Chaos Communication Camp erwarten?
Wir haben ja gerade zum Jubiläum einen schönen Bildband fertiggestellt, das C-Booc. Das Buch zeichnet auf 208 Seiten die Geschichte der c-base nach, und darüber soll es auch in unserem Talk gehen. Wir haben in der Vorbereitung mal unsere vergangenen Projekte gezählt und sind auf 504 Projekte gekommen. Also zeigen wir jetzt alle 30 Sekunden ein Projekt und stellen das alles auf dem CCCamp15 vor.
Vielen Dank für das Gespräch!