20 Jahre ‚Smash‘ von The Offspring—oder: ein untrügliches Zeichen, dass ich alt werde

Vielleicht habt ihr es ja mitbekommen, am Samstag jährte sich Kurt Cobains Todestag zum 20. Mal. Ein Grund für jede Menge 20-jähriger Blogger und spätpubertäre Großstadtkids, ihre Social Media-Feeds mit Songs von Nirvana, Bildern von Kurt und abfotografierten H&M-T-Shirts mit Nirvana-Smiley vollzuscheißen. Exakt das hätte dieser Mann nicht gewollt und exakt das zeigt mir überdeutlich, dass ich, der sich noch an einen quicklebendigen Nirvana-Frontmann erinnern kann, älter bin als die meisten, die ihn und sein musikalischen Erbe nur noch als Mythos und Coolness-Faktor verstehen, zu dem sie eigentlich gar keinen persönlichen Bezug haben.

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Noch ein Ereignis feiert gerade sein 20. Jubiläum, allerdings ist es ein sehr viel freudigeres Ereignis, das sich da jährt: Heute vor exakt 20 Jahren veröffentlichte die damals überschaubar bekannte kalifornische Band The Offspring ihr Album namens Smash.

Damit war dann schon vier Tage nach Cobains plötzlichem Ende auch die Ära des Grunge vorbei—der längst totgesagte Punkrock übernahm wieder die Macht. Das zu diesem Zeitpunkt vor allem an zwei Bands: Green Day und eben The Offspring.

Wenn man im Jahr 2014 über dieses Album schreibt, geht man ziemlich leichtsinnig die Gefahr ein, wie ein alter nostalgischer Sack zu klingen, der nicht damit klarkommt, dass seine Scheißjugend inzwischen ein für alle Mal vorbei ist. Und ja, darüber zu schreiben, dass eins der wichtigsten Alben meiner Jugend 20 Mothufuckin Jahre alt ist, führt mir deutlich vor Augen, dass die Zeiten, in denen ich nach der Schule skaten gegangen bin tatsächlich verdammt lange her sind.

Tatsächlich hält sich meine Nostalgie einigermaßen in Grenzen, ich komme sogar verdammt gut damit klar, dass wir nicht mehr das Jahr 1994 oder 1995 (ich habe das Album tendenziell etwas später entdeckt, war aber 1994 auch erst elf Jahre als und sehr großer Ace of Base-Fan) haben. Klar war es nice, nichts Besseres zu tun zu haben als Skateboards zu shreddern, bzw. den Fakt, dass es Besseres zu tun gibt, brutal zu ignorieren, diverse erste Rauschzustände noch vor sich zu haben, mal ganz zu schweigen von sexuellen Abenteuern. Trotzdem bin ich insgesamt verdammt froh, nicht mehr zwölf Jahre alt zu sein.

Viel beeindruckender ist bei diesem Jubiläum, dass ich zur Feier des Tages das Album anmachen und 90% der Songs auswendig kenne, inklusive der Intro: „Aah it’s time to relax. You know what that means, glass of wine, your favorite easy chair and of course, this compact disc playin’ on your home stereo…“

Smash von The Offspring verkaufte sich bis heute weltweit 11 Millionen Mal. Nie zuvor und nie danach verkaufte sich ein Album auf einem Independent-Label so häufig. Das allein sagt natürlich nicht aus, dass Smash ein gutes Album ist und natürlich haben sich mit dem unfassbaren Erfolg so ziemlich alle Fans der ersten Stunde Stück für Stück abgewendet. Aber nun, 20 Jahre später, wird man wohl objektiv feststellen können, dass dieses Album völlig zu Recht eines der größten der Rock-, ach was sag ich, der Musikgeschichte ist.

Erstens, es ist kein einziger schlechter Song drauf. „Genocide“ und „Bad Habit“ sind Songs, bei denen ich noch heute Bock auf einen Moshpit im Jugendzentrum hätte, „Self Esteem“ ist völlig zu Recht der ironisch-brutale Superhit geworden, der „Smells Like Teen Spirit“ von den Mixtapes der Pubertät verdrängte und als Gründungsmythos von Millionen Nachwuchs-Punkbands herhalten musste, weil selbst eine einarmige Katze das Ding auf der Gitarre spielen könnte, und der 1-Minute-17-Song „So Alone“ ist gottverdammter Punkrock. Durch die „Time To Relax“-Intro, den Skit nach „Genocide“ und den Hidden Track am Ende des Album konnte die Band um Frontmann Dexter Holland auch noch jede Menge Witz und Ironie unterbringen, ohne so albern zu werden wie auf späteren Werken wie dem 2000er Album Conspiracy of One.

Apropos Dexter Holland, der Sänger und sein Gitarrist Kevin „Noodles“ Wasserman erzählen im Interview mit dem Rolling Stone über ihre Karriere. Immerhin war Smash 1994 bereits das dritte Album der Band aus dem Orange County, sie machten zu dem Zeitpunkt schon seit zehn Jahren Punk, den Fakt vollkommen ignorierend, dass sich keine Sau mehr für Punk interessierte.

Ausgerechnet dank Nirvana waren dann Anfang der 90er Gitarren, Wut und Enttäuschung wieder angesagt—die Gründungsmitglieder verweisen einstimmig auf „Smells Like Teen Spirit“ als Einfluss und Door-Opener für ihren eigenen Mega-Erfolg. Zweiter Door-Opener war das Video für die erste Smash-Single „Come Out and Play“ deren Produktion lächerliche 5000 Dollar kostete und das bei MTV einschlug, wie eine Bombe.

Authentizität, Einfachheit und meinetwegen auch beschissene Qualität waren halt schon immer ein Markenzeichen des Punk. The Offspring machten ja nicht nur beschissene Videos, sondern spielten auch beschissene Liveshows. Also rein vom Sound her. Dass die Videos mit dem Geld immer größer, professioneller und durchproduzierter wurden, ist vielleicht sogar die einfache, aber einleuchtende Erklärung des brutalen Abstiegs der Band nach Smash.

Heute sind The Offspring noch immer eine ziemlich beschissene Live-Band, und lange Zeit wurden sie nicht ernstgenommen, „Self Esteem“ als besoffene Partyhymne verschrien und Smash als Jugendsünde von mindestens 11 Millionen Käufern. Zeit, dass sich das ändert. Klar ist es schwierig, als Punkband in Würde zu altern, aber The Offspring haben es verdient ernstgenommen zu werden. Dafür muss diese Band keine gute Liveshow liefern, es reicht, dass sie verdammt gute Songs liefert.

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