Instagram ist toll. Filter, Tags, Likes—nirgends kann ein junges Leben mit so wenig Arbeit so #coolomatik aussehen. Doch gelegentlich kommt man als Instagram-User an uncoolen, ernsten Orten wie zum Beispiel Holocaust-Gedenkstätten vorbei. Schwierige Sache, zwischen Thai-Teller und Umkleide-Selfie eine Gaskammer zu posten. Aber es geht dummerweise. Man stemmt sich mit den New Balance-Sneakern zwischen zwei Stelen des Berliner Holocaust-Mahnmals, spannt das Duckface an und taggt, was einem gerade in den Sinn kommt: #holocaust #krieg #langweilig #hipster #instamood.
Ich erfinde das nicht, ich habe Hunderte öffentliche Instagram-Profile nach den pietätlosesten Posts zum Thema Holocaust durchsucht. Und ich habe Erschreckendes gesehen. Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass man die Würde dieser Orte, wenn man sie schon in die Instagram-Ästhetik zwängt, nicht auch noch mit belanglosen Hashtags besudelt. Und auf Selfies vor Orten des Schreckens nicht auch noch in die Kamera grinst. Aber es geschieht tausendfach.
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Nimm dir ein paar Minuten Zeit und vermeide folgende 26 Tags bzw. Tag-Kombinationen, falls du das nächste Mal eine Holocaust-Gedenkstätte besichtigen solltest:
1. #chilly #willy
Daumen runter für dieses Selfie in Auschwitz. Besonders, wenn man sich die Bedeutungen von „Chilly Willy” bei Urban Dictionary anschaut, ist das mehr als unpassend.
2. #hitler #pray #blac #style #miumiu #marcjacobs
Man muss ihr schon zugutehalten, dass ihr schwarzes Outfit vor dem Hintergrund extrem gut zur Geltung kommt.
3. #bestoftheday
Du irrst dich. Es ist nicht üblich, sich einen gelben Stern anzuheften, nur weil man eine Holocaust-Gedenkstätte betritt. Das war sicher nicht das Beste, was dir an diesem Tag passiert ist.
4. #zyklonb #feelgood
Das ist wohl die zynischste Tag-Bild-Kombination meiner ganzen Sammlung.
5. #fresh #dope
Chillen in Dachau mit frischem Gras in der Zara-Lederjacke? Wenig überzeugender Plan.
6. #fun
Von Adorno/Horkheimer gibt es das Zitat „Fun ist ein Stahlbad”. Für sie war die Spaßindustrie Hollywoods nichts Grundverschiedenes zur Tötungsindustrie von Auschwitz. Kürzlich stand ich an Adornos Grab in Frankfurt und wollte gerade ein Selfie posten (hatte die Tags schon getippt: #dead #adorno #happy #me #instagrave #fun). Da hörte ich eine Flüsterstimme: „Fun ist kein Stahlbad. Fun ist ein Betonbad.” Zur Warnung gebe ich diese Korrektur der Dialektik der Aufklärung an alle Instagram-User weiter.
7. #swag
Bevor man einen Hashtag postet, sollte man sich fragen, ob eine Kategorie wie „Swag” in einem Konzentrationslager irgendjemanden interessiert hätte.
8. #instacaust
Ein tolles Wort dafür, was man via Instagram mit etwas macht, das sich #würde nennt.
9. #weeee
Bei dieser universellen Geschmacklosigkeit wünscht man sich genauere Anweisungen auf Schildern am Holocaust-Mahnmal, welche Foto-Posen unangemessen sind. Haben nicht viele von uns schonmal ein Selfie in den Betonstelen gemacht, nicht nur als Touristen? Natürlich sieht es gut aus. Und die Diskussionen darüber, ob die Architektur nicht zu beliebig sei, sind älter als der Beton. Aber trotzdem könnte man ja mit etwas grundsätzlichem #anstand rechnen.
10. #interrailing
This comment goes out to all Berlin tourists: Please don’t even try to make sad faces on your holocaust memorial selfies. And don’t use the hashtag #interrailing either. The association trains/Europe/Holocaust is just a bit too awkward.
11. #rehabtripswaggie
Keine Ahnung, was dieser Tag bedeuten soll. Aber abgesehen davon gehören auch Stinkefinger zu den Gesten, die man schlimmstenfalls auf einem Schild verbieten müsste.
12. #crazy #germans
Wenn man einen Kommentar wie „crazy Germans!” schon bei Sachen wie dem Dosenpfand hört, passt er hier ganz bestimmt nicht.
13. #happy #holocaustmahnmal
Schalte dein Gehirn wieder an. Sonst grillst du deine Würstchen bald auf einem „Happy Holocaust”-Grill.
14. #tan
Bitte nicht.
15. #yolocaust
Man findet zu diesem Hashtag über 7000 Ergebnisse. Immerhin nur eines am Holocaust-Mahnmal. Der Spruch „You only live once” lässt angesichts von Millionen Toten ein wenig Takt vermissen.
16. #perfect #country
Womit haben wir dieses Lob nochmal verdient?
17. #bisschentouripipapo
Ein #facepalm, hart wie Beton.
18. #hungry #and #cold
Kann ich euch soviel Geschichtsbewusstsein zutrauen, dass ihr euch gerade in zwei Lagerinsassen hineinversetzt?
19. #girls #buchenwald #kz #bestes #wetter
Dass der Klassenausflug wenigstens seinen Zweck erfüllt hat, kann man an diesen Kommentaren erkennen: „wenn das die juden wüssten :p” – „die gibts nicht mehr :p”.
20. #nice
#notnice
21. #hipster #abgehen #kz #buchenwald
„Selfie” wurde gerade zum englischen Wort des Jahres gewählt. Hier präsentiere ich euch einen weiteren Tiefpunkt in der Geschichte des Selfies. „Hipstermäßiges Abgehen” kann man sich vor und in einem KZ wohl sparen.
22. #epic #ss
Epic alleine sollte schon ein verbotenes Wort sein. „Please shut up and suck my arian dick” ist dann aber schon sehr schwarzer Humor.
23. #fascism #follow4follow
Wenn Joseph Goebbels einen Instagram-Account gehabt hätte, wären genau das seine Hashtags gewesen. Ohne Follower kein Faschismus. Und folglich auch keine Verfolgung.
Wie ihr seht, scheint Instagram einigen Leuten eine Art Polaroid-Filter über ihr Hirn zu legen und jegliche Funktionen des #commonsense auszuschalten. Eigentlich sind das Grundregeln, die man jedem zutrauen kann, der in der Lage ist, einen Account einzurichten. Trotzdem bin ich gespannt, wann die erste Gedenkstätte ein Schild mit der Aufschrift „Please instagram responsibly” aufstellt. Und die Menschen bittet, nicht ihre Lieblingskaffeesorte bei Starbucks oder die Marke ihres Hoodies neben Tags wie #concentrationcamp oder #holocaust zu schreiben.
Falls ihr noch mehr Pietätlosigkeiten sucht: Es gibt einen klugen Tumblr namens „Selfies At Serious Places“, der fröhliche Menschen an ernsten Orten zeigt. Oder einen über die seltsame Angewohnheit von Grindr-Usern, für ihre Profile vor dem Berliner Holocaust-Mahnmal zu posieren.
Verglichen mit all dem war Justin Bieber, als er in Amsterdam das Anne-Frank-Haus besuchte, richtig oldschool.
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