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So sieht es aus, wenn tausende Hacker ein Messegelände okkupieren

Bilder vom 35C3

Auch in diesem Jahr liefert der Chaos Computer Club wieder allen Nerds und Technikbegeisterten eine unwiderlegbare Ausrede, um den familiären Weihnachtsfeierlichkeiten frühzeitig den Rücken zu kehren: In Leipzig veranstaltet der Club vom 27. – 30. Dezember zum fünfunddreißigsten Mal seinen Jahreskongress. Für den 35C3 werden dieses Jahr 15.000 Besucher dankbar nach Leipzig pilgern. Der Kongress ist für viele nicht nur deshalb jedes Jahr ein Pflichttermin. Einige der weltbesten Hacker stellen hier ihre neuesten Entdeckungen vor. Einmalig am Chaos Communication Congress ist vor allem die Mischung aus viertägigem Rund-um-die-Uhr-Festival, hunderten Experten-Talks, Präsentation und Kunstinstallationen aus der internationalen Hacker-Community und einer überdimensionalen LAN- und Bastler-Party, für die eine ganze Messehalle mit 3D-Druckern, Laptops und sonstigen von den Gästen mitgebrachten Geräte gefüllt wird.

Wo sonst zum Fachkräftetag, zur Haus-Garten-Freizeit oder dem Deutschen Röntgenkongress geladen wird, werden in den kommenden Tagen tausende Besucher aus aller Welt durch die LED-geschmückten Gänge der Leipziger Messe spazieren – oder viel mehr auf Hoverboards und rollenden Mate-Kisten cruisen. Doch auch für alle, die dieses Jahr nicht nach Leipzig kommen können, bieten die kommenden Tage einige Highlights. Denn die meisten der über 160 Talks und Veranstaltungen auf den großen Bühnen werden vom Chaos Computer Club live gestreamt und auch später als Talks auf der eigenen Website hochgeladen. Einige der Programm-Highlights haben wir für euch weiter unten zusammengestellt. Viele der besten Talks finden übrigens nicht tagsüber, sondern am späten Nachmittag und abends zur besten Sendezeit statt.

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Außerdem haben wir uns an Tag 0 schon vor dem offiziellen Start des Kongress auf dem Gelände umgesehen und zeigen euch hier mit unserer Fotostrecke, wie sich das Leipziger Messegelände in ein Raumschiff verwandelt. Bereits seit Mitte Dezember arbeiten dutzende Freiwillige aus dem Chaos Computer Club ehrenamtlich daran, das Messegelände für den Hacker-Kongress herzurichten. (Sobald die Veranstaltung begonnen hat, werden wir den Artikel hier mit weiteren Fotos von der Veranstaltung aktualisieren.)

Blick in die Assembly Hall auf dem Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs in Leipzig
Beim 35C3 gibt es zwei sogenannte Assembly Halls, in denen sich die Ortsvereine des Chaos Computer Club und viele andere Gruppen treffen, um an ihren mitgebrachten Gadgets herumzuwerkeln und sich auszutauschen. Die hier abgebildete große Assembly Hall wurde dieses Jahr noch einmal um 25 Prozent vergrößert. Beide Hallen bieten Arbeitsplätze für tausende Besucher. Hier an Tag 0 sind die vorbereiteten Tische noch verhältnismäßig leer, doch während des Kongresses werden sie mit 3D-Druckern, Lötkolben, Laptops, Synthesizern und diversen anderen Gerätschaften vollgestellt und alle Arbeitsplätze belegt sein | Alle Bilder: Rebecca Rütten | Motherboard
Projection Mapping auf dem 35C3
Links: Der Hacker Blausand repariert noch schnell einen unter der Decke installierten Beamer für seine Rekten-Projektion, die am Rande der kleineren Assembly Hall aufgebaut ist. Noch ist die Installation aber noch nicht ganz fertiggestellt an Tag 0 | Rechts: Das Projection Mapping von Oktoskop.
Der Belegungsplan der großen Bastlerhalle auf dem 35C3 in Leipzig.
Die Belegung der großen Bastlerhalle wurde vorher penibel geplant und auf einer Karte verzeichnet. Alle Bilder: Rebecca Rütten | Motherboard
Ein Mitarbeiter der Messe Leipzig vor den Installationen im Leipziger Messegelände. Er überwacht den Aufbau des 35C3.
“Die Hacker-Szene muss es schon geben, das ist wichtig”, sagt Hanno Struve. Er arbeitet für die Messe Leipzig in der Halleninspektion. Von seinem Arbeitsplatz aus hat er einen perfekten Überblick über die riesige Assembly Hall (siehe oben). Struve war auch schon letztes Jahr dabei und freut sich über den Besuch des Chaos Communication Congress: “Sonst haben wir hier Ärztekongresse, das hier ist schon ein Highlight jedes Jahr.”
Kisten mit Club Mate dienen auf dem Hacker-Kongress 35C3 auch als Fortbewegungsmittel
“Für die einen sind alte Hoverboards Wegwerf-Hardware, für uns ist es Elektro-Mobilität auf höchstem Niveau,” sagt elektrospy von der Essener “Chaospott”-Gruppe. Zusammen mit seinen Kollegen war er einer der Ersten, der rollende Getränke-Kisten auf den Chaos Communication Congress gebracht hat. “Die Kiste feiert jetzt ihr 3-jähriges Jubiläum. Dafür war das Ding echt Wartungsarm.” Sein Mate-Exemplar, das mit per Joystick verstellbarer Unterbodenbeleuchtung auskommt und mit Motoren aus alten defekten Hoverboards betrieben wird, komme auf eine gemessene Höchstgeschwindgkeit von 35km/h, erzählt elektrospy. Wenige Meter von den Essenern entfernt befindet sich auch in diesem Jahr wieder eine Rennstrecke (inklusive Blitzerfalle) für die selbstgebauten Gefährte aller Art, die die Besucher auf den Kongress mitbringen.
Das Leipziger Messegelände wird von den Veranstaltern des Chaos Communication Congress festlich von außen beleuchtet
Außenansicht des Leipziger Messegeländes am Abend des Tag 0
Blick in die Assembly Hall des 35C3 in Leipzig
Dutzende Lötkolben-Arbeitsplätze erwarten den Ansturm der Besucher am Tag 0. Spätestens ab dem Tag 1 wird hier rund um die Uhr gebastelt.
Kunstinstallationen mit Geräten auf dem 35C3 in Leipzig
Roboter und Installationen dürfen auch in diesem Jahr nicht fehlen.
Fahrräder und andere Gefährte auf dem Hacker-Kongress 35C3 in Leipzig.
Weil das Veranstaltungsgelände so riesig ist, sind zahlreiche Besucher mit mitgebrachten Kickrollern, Fahrrädern und diversen selbstgebastelten Gefährten unterwegs. Hier der Parkplatz des Arbeitsbereichs vom Berliner Hacker-Club c_base.
Hüte auf dem Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs.
Links: Beim Hackerspace c_base haben einige Besucher beim Aufbau aus dem Teppich, der eigentlich auf dem Boden verlegt werden soll, Hüte und anderen Utensilien gebastelt. “Man muss auch Prioritäten setzen”, sagt das verantwortliche c_base-Mitglied, das sich als Hutmacher verdingt hat | Rechts: Die ersten Ergebnisse aus einem am Tag 0 bereits aufgebauten 3D-Drucker
Ein Schild am Ausgang mit der Aufschrift
Am Ausgang des Hacker-Kongress warnt ein Schild vor dem Verlassen des Geländes, dass vier Tage lang 24 Stunden geöffnet sein wird.

Das sind die Programm-Highlights des 35C3

  • 27.12.; 11:30 The Precariat: A Disruptive Class for Discruptive Times : Den Eröffnungsvortrag auf der größten Bühne hält auch dieses Jahr kein Hacker im engeren Sinne, sondern der britische Ökonom Guy Standing. In seinem Talk erklärt der Professor der University of London, warum es gerade wegen der Digitalisierung ein bedingungsloses Grundeinkommen braucht. Nicht nur dieser Talk zeigt erneut, dass es beim Chaos Communication Congress eben nicht nur um Gadgets und Bastelei geht, sondern um die ganz großen gesellschaftlichen Fragen, die der technische Fortschritt aufwirft.
  • 27.12.; 17:15 Stalking, Spy Apps, Doxing: Digitale Gewalt gegen Frauen : Nachdem im vergangenen Jahr von einigen Besuchern Kritik an der Veranstaltung wegen dem Umgang mit Sexismus-Vorwürfen laut wurde, beziehen die Macher in diesem Jahr mit einem Code of Conduct und mehreren Programmpunkten noch einmal eindeutig Stellung gegen Sexismus und jegliche Form der Diskriminierung. Dem Thema digitale Gewalt gegen Frauen widmen sich dabei gleich mehrere Talks. So auch dieser Vortrag von Anne Roth, die unter anderem auch von jenen billigen Spionage-Apps wie FlexiSpy berichten wird, die von Männern genutzt werden, um ihre Ex-Partnerinnen und Partner auszuspionieren und ihnen das Leben zur Hölle zu machen.
  • 27.12.; 17:30 Wallet.Fail : Warum die Millionenbeträge in den Wallets von Krypto-Währungen nicht so sicher sind, wie die meisten denken, erklären die Sicherheitsforscher Thomas Roth, Dmitry Nedospasov und Josh Datko in ihrem Vortrag.
  • 27.12.; 19:10 Venenerkennung hacken : Die beiden Biometrie-Hacker Starbug und Julian Albrecht stellen ihre Forschung zur Venenerkennung, einem der angeblich sichersten Biometrie-Systeme der Welt, vor.
  • 28.12.; 18:50 Computer, die über Asyl (mit)entscheiden : Die Motherboard-Redakteurin Anna Biselli berichtet anhand von bisher nicht öffentlichen Dokumenten und ihrer mehrjährigen Recherchen wie das BAMF seine Probleme bei Asyl-Entscheiden mit Technik lösen wollte und kolossal scheiterte. Ein Thema, über das Anna auch schon mehrfach für Motherboard und Netzpolitik berichtet hat.
  • 28.12.; 23:30 A Deep Dive Into The World of DOS Viruses : Ein 23-jähriger Hacker berichtet von seiner Reise durch die Welt der DOS-Viren, die mehrere Jahre älter sind, als er selbst.
  • 29.12.; 00:30 Meine Abenteuer im EU-Parlament: Zum Abschluss des zweiten Tages erzählt Martin Sonneborn von seinen Abenteuern im EU-Parlament.
  • 29.12.; 18:10 Russia vs. Telegram: Der russische Hacker Leonid Evdokimov gibt einen Einblick in den Kampf zwischen der Messanger-App Telegram und dem russischen Staat und was für allgemeine Schlüsse sich daraus für das Thema Internet-Zensur ziehen lassen.
  • 30.12.; 12:30 Court in the Akten: Der Informationsfreiheitsaktivist Arne Semsrott berichtet von seinem Kampf mit der Schufa – einem Unternehmen, dessen Dienste fast jeden betreffen und das doch nur wenige Einblicke in die eigene Arbeit gibt.

Motherboard ist vom 26.12. bis 30.12. in Leipzig auf dem 35C3 und wird mit mehreren Artikeln vor Ort berichten.

Das ganze Programm findet ihr hier . Alle Talks werden hier live übertragen und sind später auch in der Mediathek des CCC verfügbar.