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Leninistische Luftschlösser

Als die Sowjetunion im Jahr 1991 schlussendlich zusammenbrach, wurden die ganzen Kaviar kotzenden Oligarchen aus Osteuropa fleißig und kauften alle teuer erbauten Fabriken und Raffinerien, die überall in der Sowjetunion verlassen herumstanden. Patrick...

Als die Sowjetunion im Jahr 1991 schlussendlich zusammenbrach, wurden die ganzen Kaviar kotzenden Oligarchen aus Osteuropa fleißig und kauften alle teuer erbauten Fabriken und Raffinerien, die überall in der Sowjetunion verlassen herumstanden. Patrick Lion war keiner dieser Typen, die einfach ihre Arbeit niederlegten, um im Schnee nach Wodka zu graben, aber er ist auch keiner dieser superreichen Genies. Als er endlich mit von der Partie war, gab es nur noch eine einzige stehende Kolchose im ganzen Baltikum. Aber Patrick bewies Sportsgeist. Als er also mit dem Dilemma konfrontiert wurde, was er mit diesem neu erworbenen Stück Land anfangen sollte, machte er das, was meiner Meinung nach jeder in seiner Position tun sollte: Er baute einen Themenpark, der überhaupt keinen Sinn macht.

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Was ihr hier seht, ist nicht nur eine Sammlung merkwürdiger, kleiner Kommunistenautos, baufälliger Schlachthäuser und träge grasender Nutztiere. Es ist in Wirklichkeit das Gelände, auf dem eines Tages ein gestörtes Mahnmal einer gescheiterten Ideologie stehen wird. Als ich ankam, war Patrick gut drauf. Er bot mir einen Rundgang an.

Nachdem Litauen 1991 seine Unabhängigkeit erklärte, wurden Kollektive wie dieses in der kleinen Stadt Kernavė dicht gemacht und der Besitz unter den Mitgliedern aufgeteilt. Weil das Land aber kaum das Papier wert war, auf dem die Verträge geschrieben waren, freuten sich die meisten darüber, ihren Anteil an Leute wie Patrick zu verkaufen. Damals war ein bisschen Bargeld mehr wert als ein Teilnutzungsvertrag an einem Traktorschuppen.

Nachdem Litauen 1991 seine Unabhängigkeit erklärte, wurden Kollektive wie dieses in der kleinen Stadt Kernavė dicht gemacht und der Besitz unter den Mitgliedern aufgeteilt. Weil das Land aber kaum das Papier wert war, auf dem die Verträge geschrieben waren, freuten sich die meisten darüber, ihren Anteil an Leute wie Patrick zu verkaufen. Damals war ein bisschen Bargeld mehr wert als ein Teilnutzungsvertrag an einem Traktorschuppen.

Vielleicht hatte er vergessen, dass der Weihnachtsmann im sowjetischen Litauen lange Zeit Väterchen Frost genannt wurde und in ein alptraumhaftes kommunistisches Schreckgespenst verwandelt worden ist. Glücklicherweise starb auch Väterchen Frost mit dem Tod der UdSSR und das Klima wurde etwas angenehmer.

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Vielleicht hatte er vergessen, dass der Weihnachtsmann im sowjetischen Litauen lange Zeit Väterchen Frost genannt wurde und in ein alptraumhaftes kommunistisches Schreckgespenst verwandelt worden ist. Glücklicherweise starb auch Väterchen Frost mit dem Tod der UdSSR und das Klima wurde etwas angenehmer.

Ja, das ist ein Esel. Nachdem er bereits als Erster Esel aus Frankreich nach Litauen gebracht hatte (anscheinend sind Esel doch nicht die großen Weltenbummler, für die ich sie immer gehalten habe), versucht er gerade eine Ladung Rentiere an das Klima im Baltikum zu gewöhnen. Interessant zu sehen, dass er auf seiner Gemeinschaftsfarm die Tradition von Zwangsumsiedlung fortführt.

Patrick übernahm die Farm „wie gesehen“—sie war so zugemüllt mit zurückgelassenem Zeug der ehemaligen Bewohner und all dem verrostetem technischem Equipment, dass sichergestellt wurde, dass die Farm elendig ineffizient und unprofitabel ist. Patrick zeigte mir die originale Verkehrszeichentafel des Kollektivs. Er sagt, die Männer hätten die Zeichen einmal im Monat wiederholen und aufsagen müssen, weil sie durch den Alkohol so zerstört waren, dass sie oft vergaßen, was eine rote Ampel bedeutet und ein Schaf rammten.

Ich weiß nicht, ob die Vorbesitzer auch ihre Schnapsvorräte zurückgelassen hatten, aber Patrick erzählt mir, dass er mit seinem Projekt bisher tatsächlich gut vorankommt. Mit der Hilfe einiger Arbeiter aus der Gegend und Pfadfindergruppen, die gelegentlich zu Besuch kommen, baut er das Grundstück Stück für Stück wieder auf—sie richten die Requisiten des Kommunismus wieder her, darunter eine große Anzahl von Fahrzeugen, und bauen langsam die Zimmer so aus, wie es früher einmal war, damit sie wieder hübsch aussehen. Er gräbt sogar eine unterirdische Sauna, was mich irgendwie doch sehr an die Hölle erinnert, aber ich habe ja auch nicht Jahrzehnte unter dem Joch des Kremls gelebt.

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Während wir über das Anwesen spazierten, zeigte mir Patrick stapelweise russische Papiere. „Ich hab das Zeug gesammelt“, sagte er. „Eines Tages wühle ich mich da durch und schaue mal, ob ich ein paar Geheimnisse der Sowjetunion entdecke.“ Aber momentan hat sein Themenpark Priorität.

Als wir bei der künstlich geschaffenen Insel ankamen, von der er hofft, dass sie eines Tages ein Abenteuerspielplatz für Kinder wird, erklärt mir Patrick den Haken an der Sache. Es braucht ein bisschen mehr als ein paar Weihnachtshüte auf einer alten Leninbüste, damit es funktioniert. Er braucht tatsächlich sechs Millionen Euro und keine Pfadfinder, um seinen Traum bis 2015 zu verwirklichen. Diese Deadline hat er sich für die Eröffnung selber gesetzt. „Wir suchen Investoren, also hilft uns alles, was du der Welt über uns erzählst.“ Kann sich hier jemand eine Brücke leisten?

Es gibt noch mehr ein paar Ideen über den Bau eines Minieuropas in einer Ecke des Geländes, wo all die unterschiedlichen Kulturen des Kontinents vertreten sind. Patrick hat einen alten Mercedes 508 in eine Art Hütte auf Rädern umgebaut, die er an Hochzeitgesellschaften vermietet, die glauben, dass sie eine Hütte auf Rädern am besten auf ein neues Leben monogamer Abneigung vorbereitet.

Ich persönlich stehe voll hinter Patrick. Vielleicht ist die Idee gerade verrückt genug, dass sie tatsächlich funktioniert. Das wird sie wahrscheinlich nicht, aber hey, eigentlich sind alle Themenparks, in denen ich war, kaum mehr als Relikte aus einer vergangenen Zeit. Wenigstens hat Patrick, mit seiner Abenteuerinsel ohne Brücke, seinen Stapeln mit sowjetischen Geheimnissen und Katzenbabys auf Eseln, die Zukunft noch vor sich. Und wenn sich herausstellt, dass es nichts wird, dann seht ihr mich in zehn Jahren mit meiner Kamera wieder genau an diesem Ort und ich mache ein paar erstklassige Ruinenpornos.