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Sex

Ich wurde erst vergewaltigt, dann als Täterin verdächtigt

Ich dachte, er sei der Freund eines Freundes. Wir haben getrunken, und auch ein bisschen gekokst. Während ich draußen eine Zigarette geraucht habe, kam der Typ ebenfalls raus. Später hat er mich auf brutale Art vergewaltig. Dank aggressiver und teurer...

Ich bin vergewaltigt worden. Ich glaube nicht, dass meine Geschichte selten oder besonders außergewöhnlich ist. Es geschieht ja die ganze Zeit. Und meiner ist noch immer auf freiem Fuß. Ich würde meine Erfahrungen, wie ich die Vergewaltigung zur Anklage gebracht habe, gern mit euch teilen. Wenn ihr so etwas noch nicht durchgemacht habt, könnt ihr nun von dem ganzen Spaß, den so etwas mitbringt, erfahren. (Ich bin mir sicher, dass viele leider bereits wissen, wie das so ist).

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Ich beginne ganz am Anfang: Im Oktober 2010 habe ich ein paar Freunde in einer Bar in Brooklyn getroffen. Es war gegen 22 Uhr. Unter meinen Freunden war auch ein Typ, bei dem ich dachte, dass er der Freund eines Freundes sei. Er kam sehr gut mit der Gruppe klar—so, als ob er ein paar von uns richtig gut kennen würde. Ich habe ihn nicht weiter beachtet. Ich war betrunken. Auch war dort Kokain im Umlauf. Während ich draußen eine Zigarette geraucht habe, kam der Typ raus, ebenfalls zum Rauchen. Wir redeten. Ich habe nicht mit ihm geflirtet—ich weiß auch gar nicht so richtig, wie man flirtet und sowieso war ich nicht im Geringsten an ihm interessiert. Er war so 1,75 Meter groß, schlank und dennoch muskulös, und sah aus wie spanischen oder italienischen Ursprungs. Später habe ich ihn der Polizei genau so beschrieben.

Er war sehr zurückhaltend und zunächst dachte ich, dass er einfach schüchtern ist und verzweifelt versucht, durch den kollektiven Drogenkonsum Leute kennenzulernen—so wie viele Andere es machen. Weder flirtete er mit mir, noch zeigte er irgendein sexuelles Interesse. Er fragte mich, ob wir das Koks in seinem Auto nehmen wollen, anstatt uns drinnen für die Toilettenkabinen anzustellen. Sein Auto stand direkt vor uns und obwohl ich nervös war, stieg ich ein. Sobald die Türen zugefallen waren, verriegelte er sie und startete den Motor. Ich forderte ihn auf, mich sofort aussteigen zu lassen. Aber er fuhr los. Ich sagte ihm, dass er umdrehen soll und meine Freunde auf mich warten. Er sagte: „Mach dir keine Sorgen. Ich drehe um.“ Er drehte nicht um. Ich fragte ihn immer wieder, wohin er mich bringen würde und bald hörte er auf zu antworten.

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Er brachte mich in seine viel zu saubere, unheimliche Wohnung, wo bereits auf mehreren Bildschirmen, die überall herumstanden, Pornos liefen. Ich sagte ihm immer wieder, dass ich keinen Sex mit ihm haben will und zurück zu meinen Freunden muss. Es gab da nichts, das man hätte falsch deuten können. Ich habe immer wieder versucht, ihn von mir wegzudrücken. Er drohte mir dann damit, mich umzubringen. Er schlug mich. Er zog an meinen Haaren, wenn ich versuchte, wegzulaufen. Jedes Mal, wenn ich ihm gesagt habe, dass er aufhören soll, schlug er mir ins Gesicht. Er nannte mich immer wieder „Schlampe“ und „Hure“. Er befahl mir, meine verdammte Fresse zu halten. Es ging so weit, dass ich um mein Leben gebettelt habe. Ich habe ihm sogar Geld angeboten, wenn er mich doch bitte nicht verletzten würde. Das Schlimmste war, dass ich die ganze Zeit auf das große „666“-Tattoo auf seinem Unterleib schauen musste. Ich rannte sofort weg, als ich die Chance dazu sah. Er verfolgte mich.

Ich wusste nicht wirklich, was ich danach hätte machen können. Ich hatte Angst, zur Polizei zu gehen, da man ja im Allgemeinen weiß, dass Vergewaltigungsopfer ziemlich schlecht behandelt werden—besonders wenn man nicht so rein ist wie die heilige Jungfrau Maria. Ich wusste, sie würden mir einreden, dass ich durch meinen Drogenrausch mitschuldig bin. Ich wusste, sie würden mich zu meiner dummen Entscheidung, freiwillig in sein Auto zu steigen, durchlöchern. Und ich fühlte mich aufgrund dieser Dinge bereits schuldig und dumm. Eine Freundin überzeugte mich dann, dass es das Richtige wäre, es zu melden. Ihr Rat war, „so arm wie möglich“ auszusehen. „Trag kein Make-up und zieh dich nicht so stylisch an, wie du es sonst tust.“

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Jetzt denke ich, dass ich ohne Make-up wie eine 12-Jährige ausgesehen habe. Ich fühlte mich nackt, ging aber einen Tag später trotzdem zur Polizeiwache—ungeschminkt und traurig aussehend. Die Polizisten waren nett, als sie meinen Fall aufnahmen, und schickten mich in ein Krankenhaus, wo mögliche Spuren und Beweise aufgenommen wurden. Danach wurde ich von einem Kriminalbeamten befragt. Er wollte wissen, was ich in der Nacht angehabt habe, und sagte mir, dass dieser Fall wahrscheinlich nicht weit kommen wird, da ich unter Drogeneinfluss stand. Anstatt sich auf das, was mit mir passiert ist, zu konzentrieren, zielten seine Fragen darauf ab, weshalb ich mich nicht noch stärker gewehrt habe oder früher weggerannt bin. Die Antwort auf beide Fragen war, dass ich Angst hatte und in einer Art Autopilot-Modus war—ich hätte nie gedacht, dass mich jemand mal beschuldigen würde, weil ich es nicht geschafft habe, sofort wegzulaufen.

Ein paar Tage später habe ich den gleichen Beamten bei der Special Victims Unit (die Abteilung, die mit Vergewaltigungsfällen zu tun hat) besucht, um mir in ihrer Datenbank Fotos von verurteilten Tätern anzukucken. Ich habe Stunden damit verbracht, Foto für Foto durch zu scannen, immer auf der Suche nach meinem Täter. Der Kriminalbeamte war nicht sehr hilfreich, da er sagte, es wäre reine Zeitverschwendung. Ständig kommentierte er meine Ähnlichkeit zu anderen Opfern—ich wusste nicht, ob ich es als Kompliment oder Beleidigung auffassen sollte, aber meine Intuition sagte mir, dass es Letzteres war. Vielleicht war ich etwas zu sensibel, aber es fühlte sich nicht sonderlich gut an, dass über mein Aussehen geredet wird, während ich nach meinem Vergewaltiger suchte. Zu der Zeit konnte ich sonst nur sehr schwer auf mein Äußeres achtgeben und versuchte, nur für die Besuche bei der Polizei einigermaßen in Ordnung auszusehen. Ich sagte ihm, dass er doch bitte damit aufhören soll, über mein Äußeres zu reden. Er sagte dann, dass er mir damit nur einen Gefallen tun wollte, indem er meinen unklaren Vergewaltigungsfall mit etwas Humor angeht und er, wenn ich mich weiterhin so anstelle, die Akte einfach schließen wird.

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Ein paar Tage später bekam ich einen Anruf von einem viel netteren Kriminalbeamten, der meinen Fall übernehmen sollte—die Ermittlungen weiteten sich nun auf mehrere andere Vergewaltigungsfälle aus. Durch meine Beschreibung des Tattoos konnte die Polizei nicht nur herausfinden, wer es war, sondern ihm auch zwei weitere Fälle, in denen Frauen vergewaltigt worden waren, zuschreiben. Da die Fälle Monate auseinander lagen, war der nun für mich zuständige Kriminalbeamte davon überzeugt, dass dieser Mann ein Serienvergewaltiger war. Sein Level an Boshaftigkeit schien von Fall zu Fall zuzunehmen. Der Täter wurde festgenommen und ich habe ihn dann eindeutig identifiziert. In dieser Zeit habe ich viel mit einem der anderen Mädchen geredet. Sie sah aus wie eine dunkelhaarige Version von mir. Sie hatte sogar das gleiche Muttermal wie ich über ihren Lippen und, ebenso wie ich, wusste sie nicht seinen Namen. Sie kannte nur sein Tattoo. Zu der Zeit der Vergewaltigung hatte sie einen festen Freund und der hat mir ihr Schluss gemacht, weil er dachte, sie hätte ihn betrogen und die ganze Vergewaltigungsgeschichte nur erfunden, um ihre Unschuld zu beweisen. Das dunkelhaarige Mädchen und ich sprachen vor einem Geschworenengericht, welches genug Beweise sah, um mit einem Strafprozess fortzufahren. Das dritte Mädchen, das bereits Monate vor uns Anzeige erstattet hatte, wollte die Geschichte aus ihrem Leben verdrängen und kam nicht zum Prozess.

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Währenddessen musste ich mit den Folgen meiner Vergewaltigung klar kommen, die nichts mit den Polizisten oder der Richtern zu tun hatten. Zu Beginn habe ich nur sehr wenigen, vertrauensvollen Leuten erzählt, was passiert ist—ich wollte daraus keine große Sache machen, da ich besorgt war, dass manche komisch reagieren würden, weil sie damit nicht umgehen können. Das hat jedenfalls nicht funktioniert. Innerhalb von ein paar Tagen wussten 60 oder 70 Leute davon, und niemand wollte mit mir Zeit verbringen—aus Angst, dass ich als „Vergewaltigungsopfer“ jederzeit und unvorhersehbar in Tränen ausbrechen könnte oder so. Eine meiner besten Freundinnen zu der Zeit sagte mir sogar, dass sie nicht mehr mit mir befreundet sein will, und hörte mir auch nicht zu, wenn ich über die Sache sprach. Sie sagte, es sei zu heftig, so etwas zu hören, und behauptete, dass das, was mit mir passiert ist, bei ihr ein Trauma verursacht hat.

Ein paar Verwandte sagten mir sogar, dass sie um mich trauern würden, da eine Vergewaltigung „ein schlimmeres Schicksal als der Tod ist.“ Einige erzählten mir sogar, dass sie über die Sache nicht schockiert sind, da ich von Natur aus ein Opfer sei. „Manche Menschen sind Opfer und manche sind Jäger“, sagten sie. „Und du bist ein Opfer.“ Manche Leute waren eifersüchtig, da ich nun scheinbar einen „richtigen Grund“ hatte, um depressiv zu sein. Das waren Bekannte, die generell unglücklich sind und sich wahrscheinlich dämlich fühlten, da sie nur kleinere Beziehungsstreitigkeiten und beschissene Chefs haben, die sie als Grund für ihre miese Laune benennen können.

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Es stellte sich heraus, dass der Vergewaltiger finanziell ziemlich gut situiert war—und das wurde zu einem ernsten Problem. Er leistete sich, so sagte mein neuer, netter Kriminalbeamter, einen ziemlich guten Strafverteidiger, der an das Geschworenengericht und ihre Entscheidung appellierte und behauptete, dass sein Mandant nicht genug Zeit gehabt habe, um sich vorzubereiten und vor die Geschworenen zu treten. Mir wurde gesagt, dass ich mich darauf vorbereiten soll, vor einer neuen Gruppe von Geschworenen zu sprechen. Der Fall wurde hinausgezögert. Immer und immer wieder rief ich die Staatsanwältin an, die für den Fall zuständig war, und bekam nur unklare Antworten auf die Frage, weshalb alles so lange dauerte. Ich lebte eine sehr, sehr lange Zeit mit dieser Ungewissheit. Erst im März 2012 wurde ich zu einer weiteren Aussage eingeladen. Das dunkelhaarige Mädchen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben und wollte mit der Sache nichts weiter zu tun haben.

Jetzt gab es nur noch mich. Und die Vorwürfe der anderen Frauen hatten im Gerichtssaal keinerlei Gewicht mehr. Als ich an dem Tag meiner Aussage im Büro der Staatsanwältin ankam, wartete bereits ein dicker Aktenordner auf mich. Dieser beinhaltete „belastendes Beweismaterial“ gegen meine Person. Der Anwalt des Vergewaltigers hatte das halbe Internet durchgraben, um das zusammenzusuchen: Comics, die ich im Internet gepostet hatte, „gewagte“ Artikel, die ich publiziert hatte, und Fotos von mir.

Einer der schweren „Beweise“ innerhalb der Aufzeichnungen über mich war ein Comic-Blog namens „Slutclock“. Der Name ist eine mehrdeutige Hommage an das 90er-Jahre-Videospiel White Men Can't Jump, das voll von bizarren Slang-Sprüchen war. Laut meiner Staatsanwältin würden sie mir damit unterstellen, dass ich mich selbst als Schlampe sehe. Andere Sachen, die scheinbar von Relevanz waren, waren eine Zeichnung, in der ein Wassertropfen einen Anderen würgt und sagt, „Fröhlichen Gewalttag“, Fotos von mir an einem Schießstand und ein Bild von meinem Mitbewohner, auf dem er eine Spielzeugpistole an meine Stirn hält. All das bezeugt angeblich, dass ich auf harten Sex abfahre. Das Foto mit der Plastikpistole hatte ich auf Facebook gepostet, da mein Mitbewohner sich einen Spaß daraus gemacht hat, mich dazu zu zwingen, einen Bericht zu einer Ausstellung, die er damals kuriert hat, zu schreiben. Ich dachte nicht, dass das Foto auch nur ansatzweise eine sexuelle Aussage hat, aber die Staatsanwältin sagte mir, dass es „außergewöhnlich aussagekräftig“ ist. Hinzu kamen noch Fotos von mir in knappen Kostümen während der Meerjungfrauenparade und während Halloween—beides Anlässe, zu denen sich fast jeder mehr oder weniger anrüchig kleidet.

Ich wurde gezwungen, Dinge zu rechtfertigen, die ich für ziemlich normal halte und die mit der Nacht meiner Vergewaltigung nichts zu tun haben. Es ist ja nicht so, dass ich SM-Kolumnen geschrieben habe—und sogar wenn, sollte es keine Rolle spielen. Ich hätte es bevorzugt, zu meinem Drogenkonsum befragt zu werden. Dieser war zumindest ein Stück weit relevant. Während den Prozessvorbereitungen—jedenfalls gingen wir zu dem Zeitpunkt von einem Prozess aus—kommentiere die Staatsanwältin auch meine platinfarbenen Haare. Sie sagte mir, dass ich besser eine Perücke hätte tragen müssen oder meine Haare in eine „zahmere“ Farbe umfärben hätte können. Dann merkte sie noch an: „Sie haben gerade einen guten Job, der Ihnen zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen wird.“

Nachdem ich wegen all der privaten Sachen ausgequetscht worden war, wurde beschlossen, dass die Verteidigung des Täters meine Fotos und Zeichnungen nicht als Beweismaterial vor Gericht nutzen darf. Es spielte aber keine Rolle—sie ließen die ganze Sache sowieso fallen. Anscheinend waren sie der Meinung, ich hätte mich nicht genug zur Wehr gesetzt, da ich nicht verletzt genug war. Auch sei ich nicht früh genug zur Polizei gegangen. Ich war von der Entscheidung zwar nicht wirklich überrascht, aber es ließ mich mit dem Gefühl zurück, dass die Justiz und die Gesellschaft als Ganzes mich haben fallen gelassen. Ich bin ein menschliches Wesen und will alles, was das Leben zu bieten hat, erleben und ich glaube, dass ich auch das Recht dazu habe, so wie jeder Mann und jede Frau. Ich sollte mich nicht schuldig fühlen, wenn ich mich künstlerisch oder durch meinen Kleidungsstil ausdrücke. Besonders sollten mir meine eigenen Ausdrücke des Lebens nicht zu Lasten gelegt werden—als Beweis, weshalb ich es verdient habe, missbraucht zu werden. Klar, ich habe mich in eine dumme Situation begeben. Das weiß ich. Aber stellt euch vor, jemand ist dumm genug, sich vor meiner Haustür zum Schlafen zu legen und ich beschließe, diese Person abzustechen, nur weil ich den primitiven Drang dazu habe—ich wäre als Mörderin verurteilt worden, und das zu Recht. Das Privatleben des Opfers würde dann keine Rolle spielen.

Ich weigere mich, mich aufgrund meiner Vergewaltigung als gebranntmarkte und geschädigte Frau zu fühlen. Ich denke, dass so eine Einstellung gegenüber sexueller Gewalt veraltet und absurd ist. Ich denke, dass viele Leute, die vergewaltigt worden sind, Angst haben, darüber, was ihnen zugestoßen ist, zu sprechen—aber Vergewaltigungen sollten kein Tabuthema sein. Manche Leute haben mir eine Borderline-Persönlichkeitsstörung unterstellt und sagen, ich würde über die Sache reden wie über etwas Alltägliches. Für mich aber ist es kein katastrophales Ereignis. Es ist etwas, das mir passiert ist, und ich musste die Effekte runterspielen, um damit umgehen zu können—das ist das Resultat eines Traumas. Es tut mir leid, wenn es verstörend ist, das alles zu lesen, aber viele Leute müssen so etwas durchmachen. So zu tun, als ob diese Art von Dingen nicht geschehen, ist für mich viel verstörender als das offene Gespräch darüber.