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Heulsuse der Woche: SPD und Grüne vs. TicTacToe-Hater

Vertreter der SPD und der Grünen weigern sich, im Fernsehen mit der AfD zu diskutieren, und ein Mann zieht seine Waffe, weil jemand in der Bahn TicTacToe hört.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden. Heulsusen-Vorschläge könnt ihr übrigens gerne unter lisa.ludwig@vice.com einreichen.

Heulsuse #1: SPD und Grüne

Hat hingegen kein Problem damit, neben einem sehr skeptischen Sigmar Gabriel zu sitzen: Malu Dreyer, SPD-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz | Foto: imago | Sven Simon

Der Vorfall: Für die „Elefantenrunde" im SWR werden die Spitzenkandidaten der größten Parteien eingeladen—darunter auch Vertreter der AfD.

Die angemessene Reaktion: Diese Plattform dazu nutzen, die rechtspopulistische Wutbürger-Politik der AfD aufzudecken und sich als Alternative zu präsentieren.

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Die tatsächliche Reaktion: Ankündigen, dass man nicht an der Runde teilnehmen wird, wenn die AfD auch dabei ist, und dadurch die Ausladung der Rechtspopulisten provozieren.

Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Das bedeutet: Wenn „das Volk" (also die wahlberechtigten Einwohner Deutschlands, nicht nur die Leute, die Montags bei Pegida mitlaufen) sich zum Teil dafür entscheidet, ihre Stimme einer Partei zu geben, die gerne mal mit rechtspopulistischer Hetze von sich reden macht, dann ist das Teil des demokratischen Prozesses. So traurig man das auch finden mag. Gerade weil man derartigen politischen Gruppierungen aber kein Wasser auf ihre verschwörungstheoretischen Mühlen geben sollte, ist es wichtig, ihnen gleichberechtigt Raum in politischen Diskussionsrunden zu geben—und sei es nur, um aufzuzeigen, warum man sie eben nicht wählen sollte.

Demzufolge ist es nicht nur etwas kindisch, sondern potentiell auch ziemlich fatal, dass sich die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg (Malu Dreyer von der SPD und Winfried Kretschmann von den Grünen) geweigert haben, an der Elefantenrunde im SWR teilzunehmen, wenn die Alternative für Deutschland nicht wieder ausgeladen wird. Weil man Fernsehrunden zur Landtagswahl schlecht ohne zwei der regierenden Parteien des Sendegebiets abhalten kann, knickte der Sender schließlich ein und gab der Forderung nach. Das Ganze wird am 10. März nun lediglich mit Vertretern der CDU, SPD, FDP und der Grünen abgehalten werden.

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Im Endeffekt hätte der AfD freilich nichts Besseres passieren können. Schließlich stützt dieser Ausschluss die gerne verbreitete Annahme, dass das deutsche „Staatsfernsehen" sich gegen die wirklichen, ehrlichen Volksparteien, die kein Blatt vor den Mund nehmen und nur das Wohl des unterdrückten Bürgers im Sinn haben, verschworen hat.

„Das Einknicken des SWR und die Weigerung der Spitzenkandidaten von SPD und Grünen, Dreyer und Kretschmann, in einer ‚Elefantenrunde' mit der AfD zu diskutieren, ist ein doppeltes Desaster: Die AfD bekommt die Märtyrerrolle gratis. Wer von ‚Staatsfunk' redet, sieht sich bestätigt", kritisierte auch Ruprecht Polenz, seines Zeichens Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats, die Entscheidung des SWR. Es bleibt zu hoffen, dass Kretschmanns und Dreyers Diskussionsweigerung nicht erst recht dafür sorgt, dass die AfD zu den Landtagswahlen noch mehr Zulauf durch Protestwähler bekommt.

Heulsuse #2: Ein bewaffneter TicTacToe-Hater

Der Vorfall: Ein Mann spielt in der S-Bahn laut Musik ab. Darunter auch Songs der ehemaligen Teenie-Rap-Band TicTacToe.

Die angemessene Reaktion: Ihn zu seinem wundervollen Musikgeschmack gratulieren—oder eben freundlich aber bestimmt dazu auffordern, die Musik leiser zu stellen oder über Kopfhörer zu hören.

Die tatsächliche Reaktion: Den Mann mit einer Gaspistole bedrohen.

Ja, OK. Jeder hasst Leute, die in öffentlichen Verkehrsmitteln Lärm machen. Dazu gehört laut telefonieren, stark alkoholisiert wütende Selbstgespräche führen und eben auch, Musik so abzuspielen, dass niemand umhin kommt, mithören zu müssen. Menschen, die so etwas tun, sind ohne Zweifel ein bisschen hassenswert und gehören in ihre Schranken gewiesen. Wie sich am Montagnachmittag ein Berliner der aufgezwungenen Fremdbeschallung erwehren wollte, war dann aber doch ein bisschen sehr dramatisch.

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Wie der Tagesspiegel berichtet, ereignte sich gegen 16:45 Uhr auf Höhe der S-Bahn-Station Griebnitzsee ein Vorfall, der ebenso überzogen wie absurd ist. Nach Polizeiangaben spielte ein scheinbar unter Drogen stehender Mann „den Song ‚Verpiss Dich' der Band TicTacToe, grölte dazu herum und verhielt sich auch ansonsten laut und aggressiv." Das machte einen 48-jährigen Fahrgast so wütend, dass er eine Gaspistole zog, sie auf den 39-Jährigen richtete und ihn dazu aufforderte, die Musik „unverzüglich" leiser zu stellen. Ansonsten würde er auf ihn schießen. Da sich ein Bundespolizist im selben Abteil befand, konnte der bereits wegen Diebstählen und Drogenverstößen vorbestrafte Mann vorläufig festgenommen werden, seine (ungeladene) Waffe wurde beschlagnahmt. Er darf sich nun auf ein Verfahren wegen Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz freuen.

In Sachen vorhergehender krimineller Aktivitäten haben Opfer und Täter übrigens eine Sache gemein: Auch der TicTacToe-Fan ist der Polizei bereits wegen Eigentumsdelikten bekannt.

Letzte Woche: Carmen Geiss posiert mit Designer-Outfit im Armenviertel und versteht die Hater nicht. Der bayerische Politiker karrt Flüchtlinge nach Berlin, um gegen die Asylpolitik zu protestieren.

Der Gewinner: Peter Dreier!