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Jürgen Elsässer fordert die Bundeswehr zur Meuterei auf und träumt von einer Willkommenskultur für deutsche Grenzbeamte

Wenn es nach dem selbsternannten Wahrheitsverkünder ginge, würden die Grenzen nicht nur kontrolliert, sondern gleich ganz dicht gemacht.
Foto: Imago/IPON

Die kritische Situation in Europa bringt in der deutschen Medienlandschaft allerhand Erstaunliches hervor. Nachdem das Leid der Flüchtlinge zahlreiche deutsche Zeitungen dazu inspiriert hat, ihren Lesern hilfreiche Tipps zu geben, wie sie sich für Menschen auf der Flucht engagieren können und sogar die Bild am Wochenende einen Ratgeber für Neuankömmlinge auf Arabisch veröffentlicht hat, springt jetzt auch Jürgen Elsässer auf den Zug auf. Auf seinem Blog hat auch der Chefredakteur des Verschwörungsmediums Compact ein paar einfallsreiche Tipps für seine Leser parat. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Ratschläge, wie man den Flüchtlingen helfen kann, sondern den deutschen Grenzbeamten.

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Die Flüchtlingssituation lässt Elsässer, der in der Vergangenheit wegen seines politischen Umschwungs von links nach rechts außen auch schon Lob von der NPD erhielt und die Montagsdemos unterstützte, zu neuer Höchstform auflaufen. Sein Putin-freundliches, „Lügenpresse"-feindliches Medium Compact blüht in der Krise auf, indem der Chefredakteur Thesen in den Raum stellt, für die ihm die NPD bestimmt gerne wieder Beifall klatscht. Elsässer erklärt „Was jeder einzelne jetzt tun kann, um Deutschland vor der Überflutung zu schützen!" Gemeint ist damit bei Elsässer natürlich nicht, Sandsäcke an die Deiche zu schleppen (falls die Elbe dieses Jahr doch noch mal über die Ufer treten sollte), sondern den „Asylantenzustrom" zu stoppen. Schon dieses Wort allein würde ausreichen, um die Gesinnung des Autors unter Beweis zu stellen, weil der Begriff gleichzeitig Menschen auf der Flucht abwertet und bei den Lesern Angst vor einem möglichen Horrorszenario schürt.

Die von der Regierung am Sonntag beschlossenen Grenzkontrollen heißt Elsässer nicht gut, weil sie nur ein „Placebo" seien, um „den Unmut in der Bevölkerung zu sedieren". Statt kontrolliert sollten die Grenzen besser gleich geschlossen werden, damit nicht noch mehr „Asylbetrüger" ins Land kommen, die der deutschen Polizei dreist „ins Gesicht lachen".

Bedanken Sie sich bei den Beamten, bringen Sie Blumen und Kuchen mit!"

Um zu verhindern, dass weiterhin Menschen auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Armut auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit nach Deutschland kommen, fordert Elsässer nun alle Deutschen auf, ihren Beitrag zu leisten und fleißig mit anzupacken. Wie er sich das genau vorstellt, verrät er in fünf hilfreichen Tipps, die verstören und beängstigen, teilweise aber auch so lächerlich sind, als wolle der selbsternannte Wahrheitsverkünder dafür sorgen, dass die Leute auch in schweren Zeiten etwas zu lachen haben.

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„Wenn Sie in Grenznähe wohnen: Gehen Sie zu den Grenzkontrollposten, bedanken Sie sich bei den Beamten, bringen Sie Kuchen und Blumen mit! Zeigen Sie Willkommenskultur – aber nicht gegenüber den Grenzstürmern, sondern gegenüber den Grenzschützern. Wo viele Bürger mit diesem Ansinnen kommen, kann man einen zivilen ‚Bürgerkontrollpunkt' in Grenznähe einrichten, der den Beamten bei ihrer Arbeit den Rücken stärkt. Fraternisierung zwischen Volk und bewaffneten Organen – das muss die Losung sein. Polizei und Armee sind Söhne des Volkes, dürfen sich nicht von der Regierung missbrauchen lassen. Vor allem mit viel Liebe und Zuwendung dafür sorgen, dass die Beamten auch gegen Asylbetrüger vorgehen."

Als zweiten Tipp empfiehlt Elsässer seinen Lesern, Kundgebungen von Pegida und ihren Ablegern zu besuchen:

„Besuchen Sie die Kundgebungen von Pegida (Dresden) und Legida (Leipzig), auch ähnliche Kundgebungen in Meißen und Freital diese Woche, auch -gida-Aktionen in Westdeutschland. Letztere sind bisher politisch manchmal irrlichternd gewesen – aber in der aktuellen Situation darf das kein Grund sein, NICHT hinzugehen; vielmehr muss man erstrecht dort hingehen und für ein bürgerliches Profil dieser Aktionen sorgen und das Spektrum der Teilnehmer zu verbreitern versuchen."

So weit, so schlimm. Aber schon beim nächsten Punkt wird dann klar, worum es Elsässer eigentlich geht. Der Compact-Chef und ehemals glühende Antikapitalist ist nämlich nicht nur ein gekonnter Selbstdarsteller, sondern auch ein gewiefter Geschäftsmann, der weiß, wie er aus der aktuellen Krisensituation und der Angst einiger „besorgter Bürger" Kapital schlagen kann. Wenn man Tipp 3, 4 und 5 Glauben schenkt, können die Leser die drohende Katastrophe nämlich auch dadurch abwenden, dass sie Elsässers Magazin im Laden kaufen, im Internet bestellen, abonnieren, ein Abo an Familie und Freunde verschenken, oder eine von Elsässers „wichtigen" Veranstaltungen besuchen. Besonders empfiehlt Elsässer die große Compact-Konferenz, die unter dem revolutionär romantischen Motto „Freiheit für Deutschland" im Oktober in Berlin abgehalten wird und zu der neben Elsässer persönlich unter anderen noch illustre Gäste wie der Chef-Hardliner der Neuen Rechten Götz Kubitschek und ein Vertreter der ungarischen Regierung geladen sind.

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Elsässers Traum vom Bürgerkrieg

Offenbar hat Jürgen Elsässer große Pläne für Deutschland. Schon am Sonntag rief er auf seinem Blog die Soldaten der Bundeswehr zur Meuterei auf, weil Angela Merkel sich des „Hochverrats" schuldig gemacht habe.

Träumt Elsässer tatsächlich von einem Bürgerkrieg? Müssen wir uns Sorgen machen, dass der verkannte Friedensengel mit dem Silberschopf unterstützt von der Armee einen rechten Putsch durchführt, die Grenzen abriegelt und vorher noch die Regierung, sämtliche Ausländer, Homosexuelle und Andersdenkende aus dem Land jagt? Das zum Glück wohl nicht, denn zum Glück hat Elsässer nicht den Einfluss, den er gerne hätte. Wer Jürgen Elsässer für eine wichtige Person des öffentlichen Lebens und für ein Sprachrohr der unzufriedenen deutschen Bürger hält, ist nämlich hauptsächlich immer noch Jürgen Elsässer selbst. Interessant ist außerdem, ob sich der große Agitator mit seiner öffentlichen Aufforderung zur Meuterei einer Straftat schuldig gemacht hat und seinen nächsten Putsch hinter schwedischen Gardinen planen muss.


Foto oben: Imago/IPON