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Die German Defence League marschiert durch Köln

Die GDL ist eine islamfeindliche Gruppe, die, nach dem Vorbild der „English Defence League“, versucht, sich mit rechtem Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Dieses Wochenende marschierte sie durch Köln.

11. August 2012, Köln, 14:00. Theo und ich laufen an etlichen Polizeitransportern und Polizisten in ihren grünen und schweren Anzügen vorbei, bewegen uns zur Demonstration der „German Defence League“ (GDL), zu ihrem so genannten „Marsch der Patrioten“. Angekommen am Quatermarkt sehen wir etwa 35 „Patrioten“, die, von der Polizei geschützt, inmitten einer Horde Gegendemonstranten stehen, die Schilder mit Aufschriften wie „Deutsche! Kauft deutsche Bananen!“, „Marsch der Idioten!“ und natürlich „Arsch der Idioten“ hochhalten.

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Die GDL ist eine islamfeindliche Gruppe, die, nach dem Vorbild der „English Defence League“, versucht, sich mit rechtem Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Sie sind die „neue Rechte“. Die GDL will die „Demokratie und das jüdisch-christliche Erbe und die griechisch-römisch-germanischen Wurzeln“ verteidigen. Weil sie so freiheitlich ist, arbeitet die GDL mit der rechtsgesinnten „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ zusammen. Auf der Homepage der GDL erfährst du, dass sie sich von der NPD und ähnlichen Organisationen distanziert. Beim Vorbild EDL stammt ein Großteil der Anhänger aus dem rassistischen Teil der englischen Hooliganszene. Das „Board of Deputies of British Jews“ nennt die pro-jüdische Ausrichtung heuchlerisch. Die Botschaft der Defence Leagues ist Islamophobie.

Welche Folgen dies hat, sieht man daran, dass der norwegische Massenmörder Anders Breivik in der EDL ein Vorbild für eine noch zu schaffende anti-islamische Massenbewegungen in ganz Europa sieht. Etliche seiner Thesen übernahm Breivik direkt von Paul Ray, Mitbegründer der EDL, der wegen Rassenhasses vorbestraft ist.

Wir wollen uns beim Marsch einschleichen und mitmarschieren. Aber unser Versuch scheitert, als uns ein Polizist an der Absperrung nicht reinlassen will. Er stellt uns die Frage: „Seid ihr Nazis? Das glaub ich euch nicht!“ Die Polizei können wir leider nicht davon überzeugen, dass wir doch natürlich Nazis oder zumindest stark rechts gesinnt seien und deswegen auch endlich mitmarschieren möchten. So können wir erst nur die Gegendemonstranten befragen.

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Es wundert mich, warum so wenige Gegendemonstranten da sind und vor allem so wenige Türken und Muslime. Oder rechtsextreme Islamisten. Wo doch Deutschland voll davon ist. Jedoch wurde der Marsch anscheinend „nicht öffentlich bekannt gegeben, sondern war nur den Untergrundlern bekannt“, sagt mir ein Herr, der sehr bunt gekleidet gegen den Aufmarsch in Erscheinung tritt. Auf Facebook hatten wir trotzdem alles erfahren. Dort rotten sich die Defence Leagues ganz Europas zusammen. Luxemburg war auch in Köln dabei.

Der Marsch beginnt. Der erste Sprecher der „Patrioten“ brüllt ins Megafon, aber wir hören nur die Gegenseite: „Nazis raus! Nazis raus! Halt‘s Maul! Ohne Verfassungsschutz wärt ihr nur zu dritt! Nie wieder Deutschland!“ Wir bewegen uns vom Quatermarkt Richtung Kölner Dom. 10 Minuten Fußweg. Jetzt die Durchsage der Polizei: „Ein Hinweis an die Linken: Sie stören die Versammlung einer angemeldeten verfassungsrechtlichen Demonstration. Aus diesem Grund wird die Gegendemonstration aufgelöst!“ Die Antifa sucht sich einen anderen Weg zum Dom. Die Polizei rennt hinterher. Der Marsch ist stark von der Polizei abgeschirmt. Die Massen rennen. Polizisten, Demonstranten, einige Passanten scheinen verwirrt, ein Hubschrauber in der Luft. Viel Aufwand für den kleinen Haufen an Patrioten.

Der Domplatz ist voll von Passanten und Touristen, wie jeden Samstag. Sie sitzen, essen ihr Eis, genießen den Tag und sehen zu, wie Gegendemonstranten auf den Platz rennen und die Patrioten einmarschieren, um sich vor dem Platz ihrer Kundgebung zu begeben. Eine Bande von besoffenen Typen, die Junggesellenabschied feiern, grölen einfach mal laut „DEUSCHLAAAND“. Land der Dichter und Denker. Der Domplatz wird zum Schauplatz ihrer politischen Botschaft. Als Redner sind auch Vertreter weiterer rechter Gruppen anwesend. Politisch brisante Themen wie Mindestlohn, Leiharbeit und der ESM-Vertrag werden angesprochen, um die eigentliche Botschaft plausibler zu machen. Denn schuld sind ja eh die Muslime. Irgendwie.
 
Theo entdeckt eine Gruppe amerikanischer Soldaten auf den Domtreppen, die laut „Fuck you Nazis! We kicked the shit out of you!“ und „How’s your bridge“ schreien. Damit meinen sie die Hohenzollernbrücke, die die Nazis 1945 zerstörten, damit die Alliierten nicht in Köln einmarschieren können. Theo fragt, was sie von dem Marsch halten. Ein Soldat, der schon fünfmal in Afghanistan und Irak war, meint: „Wir sind ja eher als engstirnig bekannt, aber wir sind keine Islamhasser und nicht rassistisch. Wir sind nur die Bauern in einem Schachspiel. Ich habe viele muslimische Freunde bei Facebook.“

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Die Anhänger der GDL wollen klarmachen, dass sie keine Nazis oder Rassisten sind, sondern bloß ihr Vaterland lieben und schützen wollen. Sie sind gegen Kriminalität und Islamisierung. Das eine gäbe es nicht ohne das andere. Sie fühlen sich von Muslimen diskriminiert und bedroht. Sie haben Angst, nachts auf die Straße zu gehen. Und das in ihrem eigenen Land! Sie sind Christen. Also die wahrhaftig Gläubigen. Wir erkennen kaum einen Unterschied zwischen islamistischen Hasspredigern und der GDL. Sie reden von bürgerlichen und christlichen Freiheiten in einem islamischen Land und vergleichen die Rechte der Muslime in Deutschland. Sie reden von Salafisten, die keine Demokratie wollen. Es wird ins Megafon geschrien: „Der Islam ist gefährlich! Islamisten, die Scharia, die nach einem Gottessystem leben und dies radikalisieren. Sie unterstützen den Terror. Sie sind frauenfeindlich. Die Kinder? Was für ein Land hinterlassen wir unseren Nachkommen, wenn wir uns von den Islamisten und Türken ausbeuten lassen? Unser Land wird ausgeplündert! Deutschland ist überfüllt. Übersiedler, Arbeitslose, Asylverfahren, Kettenmigration! Übersetzungskosten im Jugendamt! Unsere deutschen Kinder dürfen im Kindergarten keine Gummibärchen essen, weil es die türkischen Kinder nicht wollen. Wir Deutsche müssen uns nicht anpassen. Wir müssen uns nicht entschuldigen. Nicht in unserem eigenen Land!“ Ich bin mir schon nicht mehr ganz sicher, worum es ihnen eigentlich geht. Um den Euro, Mindestlohn, Islamisten, Moslems, Türken oder doch um Gummibärchen? Der Hass und die Wut der Redner scheinen ungebremst. Mir kommt es vor, als seien an jedem Übel Europas „die Moslems“ und vor allem „die Türken“ schuld. Hier ein paar Zitate der Redner, die sich so gerne auf die hohe Kultur Deutschlands beziehen: „Ein Deutschland mit 10.000 Moscheen wird nicht mehr das Land von Goethe und Schiller sein!“
„Multi-Kulti? Wir sind kulturell, aber wir wollen kein Multi-Kulti!“
„Unser Dank gilt Thilo Sarrazin.“
„100 Jungfrauen oder 100 Big Mäcs, das ist uns egal!“
„Ich weiß nicht mehr, ob ich in einem islamischen Land oder in Deutschland lebe!“
„Der Islam ist eine irrsinnige und absurde Ideologie!“ Dann geht es noch ein bisschen mehr um den EU-Wahn und die faulen Griechen. Und die neue Weltordnung. Hier zeigt sich, dass Verschwörungstheorien oft rechte Orientierung haben. „Die EU ist diktatorisch! Deutschland wird zu einem Land ohne Identität, ohne Kultur! Patrioten aller Parteien, verteidigt euch! Deutschland, schwenk die Fahne nicht nur während der EM!“ Am Ende brüllt Siegfried Schmitz noch: „Wir werden unser Land nicht widerstandslos aufgeben!“ Ich denke an den „totalen Krieg“.

Auf Seiten der Gegendemonstration treffen wir einen Konvertiten. Er ist deutscher Staatsbürger mittleren Alters mit Vollbart. Er erzählt uns, dass er verfolgt werde. Sein Konto sei gesperrt und seine Telefonnummer sei bekanntgegeben worden, weil er konvertiert ist. Er sagt, ganz Deutschland hasse den Islam und wolle ihn verbieten. Moslems würden gezielt verfolgt. Das macht er z.B. an einem möglichen Kopftuchverbot fest und dem (jetzt hinfälligen) Beschneidungsurteil. „Deutschland ist gegen den Islam.” Hier sehe ich das andere Extrem. Doch so einfach ist es nicht. Als wir Anhänger der GDL später interviewen, sagen sie uns, der Konvertit sei ein „bekannter Terrorist!“ Wir haben noch mit zwei Antifa-Mitglieder gesprochen: „Im Grunde sind Aspekte, die politisch ansprechbar sind, wie Mindestlohn usw., gerechtfertigt, aber jede rassistische Andeutung oder Anmerkung reicht aus, diese Patrioten als Nazis zu bezeichnen, und wenn diese Gruppe weitere Stimmen bekommt und weitere Leute überzeugen kann, dass ihre Meinung und ihr Standpunkt richtig ist, dann wird es wie 1940. Wir finden es unverantwortlich, dass diese Kundgebung am Dom stattfindet. Hier werden ahnungslose Bürger direkt damit konfrontiert und hören den Teil, der ihnen positiv zugunsten kommt, wie z.B. „Freiheit für Deutschland“ und die Ideologie, das deutsche Land zu schützen und das deutsche Volk und die Kultur aufrecht zu erhalten. Das hören Deutsche gerne und ihnen wird egal sein, was mit den Türken passiert, sie haben sich nie wirklich dafür interessiert!“

Die Türken werden am stärksten angegriffen: „Keine Arbeitsplätze, keine Wohnungen, die Türken plündern unser Land!“ (GDL). Wir fragen zwei Anhänger, was das Ziel der GDL sei. Ihnen wäre es am liebsten, alle Türken und Muslime abzuschieben. Ihre Propaganda soll die Islamophobie anheizen. Das Problem ist, dass extremistische Muslime mit allen anderen in einen Topf geworfen werden. Denn alle seien gleich und werden sich irgendwann zwangsläufig auch extremisieren, denn das liege in der Natur des Islams. Eine der GDL-Damen beschwert sich, warum man nicht mehr friedlich demonstrieren könne. Sie hat zwei deutsche Gegendemonstranten angezeigt, weil sie sie als „Nazi” und “alte Schachtel” beschimpft haben. Ich habe das seltsame Gefühl, sie wollen, dass es wieder 1933 ist. Ich habe während des Interviews vorgetäuscht, italienischstämmige Deutsche zu sein, damit wir das Interview neutraler führen können. Am Ende hätte ich den beiden gerne gesagt, dass ich Türkin bin. Jede Form von Extremismus ist gefährlich. Das wird an diesem Wochenende mal wieder klar.