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Musik

Kranke Fledermaus

Fruchtfledermäuse werden höchstens 10 Zentimeter groß und besitzen keinen Schwanz. Fruit Bats heißt auch das Projekt von Eric D. Johnson, der (ziemlich sicher) einen Schwanz besitzt.

Fruit Bats ist das englische Wort für Fruchtfledermaus. Fruchtfledermäuse leben auf dem amerikanischen Kontinent, werden höchstens 10 Zentimeter groß und bis zu 90 Gramm schwer. Sie besitzen keinen Schwanz, dafür aber ein Nasenblatt, mit dem sie ihr Echo aufnehmen können. Fruit Bats heißt auch das Projekt von Eric D. Johnson. Seit über zehn Jahren macht er unter diesem Namen sein Folkrock-Country-Singer-Songwriter-Ding, bei dem man nach kurzem Hören anfangen will, über die „(guten,) alten Zeiten“ zu sinnieren. Als Musiker bei den Shins, Califone oder Iron & Wine wusste er bereits, wie gutes Songwriting funktioniert, bevor er sich dazu entschied, mit Fruit Bats solo unterwegs zu sein. Auch Johnson stammt aus Amerika, ist aber größer und schwerer als sein Namensgeber. Dafür besitzt er (ziemlich sicher) einen Schwanz und (ganz sicher) eine komplette Nase, die er während des Interviews immer wieder hochziehen muss, weil der arme Kerl sich erkältet hat.

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VICE: Du bist bereits ziemlich lange als Fruit Bats unterwegs. Schon mal ans Aufhören gedacht?

Eric D. Johnson:

Jeden Tag! Ich hatte nie vor, ein Soloprojekt zu machen, aber es hat sich eben entwickelt und jetzt kann ich nicht mehr aufhören. Würde ich es aufgeben, würde ich irgendwie auch mich selbst aufgeben. Ich bin Fruit Bats.

Aber für das neue Album hast du offiziell andere Musiker in die Band aufgenommen.

Ja, ich hatte sowieso seit drei oder vier Jahren meine Stammband. Ich bin eigentlich aber trotzdem der Einzige, der die Entscheidungen trifft. Ha ha.

Also sind die anderen deine Sklaven.

Nein nein. Ich habe bei den Shins und noch in anderen Bands gespielt. Deswegen habe ich eine genauere Vorstellung als viele Songschreiber davon, wie es ist, Mitglied einer Band zu sein und nicht die zentrale Figur. Meine Musiker werden dir was anderes erzählen, aber ich finde, ich halte die Balance ganz gut.

Ich frag sie mal eben, OK?

Nein, das wirst du nicht, ha ha ha. Ich kenne beide Seiten, aber im Grunde genommen sehe ich es so: Wenn du im Mittelpunkt stehst, widerfahren dir die Höhenflüge und die Freuden, aber auch das Schlechte. Du bekommst das Beste vom Besten und das Schlimmste vom Schlimmsten. Macht das Sinn?

Was war die schlimmste Erfahrung in diesen zehn Jahren?

Es ist kompliziert. Wir sind eine Band, die genug Erfolg hat, um bereits seit zehn Jahren bestehen zu können—aber es ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Wir arbeiten uns Schritt für Schritt weiter vor. Ich war bei den Shins oder Iron & Wine und bin mit Bands wie Fleet Foxes befreundet. Ich habe also miterlebt, wie andere Leute durchstarteten. Fruit Bats hingegen plätscherte immer vor sich hin.

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Und so soll es auch sein?

Ich will nicht berühmt sein. Ganz ehrlich: Ich könnte auch viel kommerziellere Musik schreiben—ich werde jedoch immer nur mein Ding durchziehen. Aber wir machen unsere Sache ganz gut: Wir spielen in großen Städten, werden zu Festivals eingeladen. Da haben die anderen Bandmitglieder Glück: sie müssen sich nicht um Sachen wie Karriere, Geld, Touren und so weiter kümmern. Ich muss mich mit allen Aspekten allein rumschlagen. Das klingt jetzt total verzweifelt, dabei bin ich es doch gar nicht. Lass uns über lustigere Sachen reden.

Dein Album heißt „Tripper“.

Ha ha. Oh man, ich weiß inzwischen, dass das auf Deutsch eine andere Bedeutung hat. Auf Englisch jedoch ist „Tripper“ ein Slangwort an der Westküste. Einerseits kann es ein Urlauber sein oder aber eine abgedrehte Person.

Ein Junkie, richtig?

Nicht unbedingt. Es ist eine seltsame Person mit einem einzigartigem Charakter, die ihr eigenes Ding durchzieht—egal ob auf Drogen oder nicht. Es kann ein Hippie sein, muss aber nicht. Eben jemand, der auf seinem ganz eigenen Trip ist.

In Songs wie „Tangie And Ray“ oder eben „Tony The Tripper“ singst du von solchen Typen. Dir gefällt das Thema Trips?

Das Wort Wanderlust beschreibt es ganz gut—eine romantische Reise. Als ich noch jünger war, glaubte ich, komplett frei zu sein. Ich spielte in Bands und hatte mit dem Rest der Gesellschaft wenig am Hut … dabei komme ich aus einem sehr normalen Umfeld.

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Erinnert mich an den Film „Into The Wild“.

Ja, das ist ein gutes Beispiel. Ich kenne Leute, die so was gemacht haben. In Amerika gibt es noch viele Orte, an denen du in die Wildnis abtauchen kannst. Ein guter Freund von mir ist sechs Monate lang im Wald verschwunden. Aber es geht ihm gut, er lebt noch. Solche Menschen finde ich interessant. Ich hingegen war noch nie im Wald.

Das tut mir leid für dich.

Ha ha. Ich liebe Wälder! Ich meinte: ich hab noch nie in der Wildnis gelebt. Ich würde das zur Zeit aber auch nicht wollen. In meinen Zwanzigern fuhr mit Bands in einem Van durch die Gegend—das ist natürlich auch eine schräge Lebensweise. Ich lebte zwar nicht wie ein Höhlenmensch, bin aber schließlich auch kein Anwalt oder Lehrer geworden. Jetzt bin ich 35 und habe eine andere Sicht auf die Dinge. Lange hab ich mich um nichts gekümmert—bis ich schließlich mit meiner Musik Geld verdiente.

Und jetzt gehst du ernster an die Sache ran?

Ähm … Nö. Ha ha.

Apropos seriös: Zu „You're Too Weird“ hast du ein ziemlich schräges 80er-Jahre Trash-Kitsch-Tanzfilm-Video gedreht.

Freunde von mir führten Regie—sie machen das professionell und haben normalerweise größere Projekte. Unser Budget war ziemlich gering, aber wozu hat man Freunde? Sie meinten: „Bevor wir versuchen, mit wenig Geld ein hochwertiges Video hinzubekommen, kreieren wir doch gleich einen extrem billigen Look.“ Der Text passt gar nicht dazu. Es geht um zwei Personen, die eine Horrorbeziehung führen. Ganz furchtbar! Die eine Person sagt: „Du bist so gestört und so kaputt, dass niemand sonst dich nehmen würde. Aber ich liebe und akzeptiere dich.“ Das ist eine sehr traurige Geschichte über eine sehr traurige Beziehung—zum Glück handelt der Song nicht von mir. Ich hab zwar auch schon durchgeknallte Sachen für die Liebe getan, mir aber zum Beispiel nicht mein Ohr abgeschnitten wie Vincent van Gogh.

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Bekamst du wegen des ganzen Winds nach dem Videodreh Ohrenschmerzen?

Nein, aber meine Augen waren extrem trocken.

Fruit Bats heißen im Deutschen auch Fruchtvampire. Wusstest du das? Bist du ein Fruchtfledermaus-Experte?

Ja, das bin ich wirklich! Als Fruit Bats in den USA bekannter wurden, schickte uns das Institut für Fruchtfledermaus-Forschung der Universität Florida eine Mail. Sie wollten, dass wir für sie und die Fledermäuse ein Benefiz-Konzert veranstalten. Leider hat das nicht geklappt, aber sie haben mir ein paar T-Shirts und Sticker und Infomaterial zugeschickt. Fruchtfledermäuse sind interessant, sie sind gigantisch. Und auf Deutsch nennt man sie auch Fruchtvampire?

Ja. Bist du Vegetarier?

Ich? Nein, aber meine Frau. Deswegen esse ich zu Hause oft vegetarisch.

Wann hast du das letzte Mal wie eine Fledermaus den Kopf hängen lassen?

Letzte Nacht hab ich mich in der Tat sehr schlecht gefühlt. Ich bin krank und hab meine Stimme verloren.

Du hättest dich einfach nicht stundenlang vor eine Windmaschine stellen sollen.

Ha ha, das ist schon länger her. Wir sind mit dem Boot von Göteborg nach Kiel gefahren, dort hab ich mich wohl erkältet und hatte deswegen beim Konzert gestern in Hamburg keine Stimme mehr. Die Show war lustig und die Leute sehr cool, da ging es mir noch schlechter. Wir waren Headliner und mussten nach ungefähr 30 Minuten abbrechen. Dann wollten sich die Leute nach der Show auch noch mit mir unterhalten—und ich konnte nicht. Ich versteckte mich also im Van und die Leute klopften von draußen an die Autotür. Ich saß im Inneren, es war ganz dunkel und schrieb aus dem Fenster heraus Autogramme. Es tat mir so leid um die netten Leute. Ich wollte es gut machen—es ging aber einfach nicht.

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Wie geht’s dir heute?

Besser. Ich musste in Hamburg sogar zum Arzt, es ist eine Erkältung. Bisher war ich nur zwei Mal auf einer Tour so krank, dass ich zum Doktor musste—beide Male in Deutschland.

Hat dein Körper eine Deutschland-Allergie?

Das war sicher nur Zufall. Aber hey, ihr habt eine echt gute Krankenversorgung! Deutschland macht mich also nicht krank—Deutschland heilt mich.

Dann mal weiterhin gute Besserung.