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Liebe Polizisten, warum seid ihr solche Rassisten?

Lacht die deutsche Polizei über rassistische Kalender? Wir fragten den Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, ob er solche Motive lustig findet.

Karikaturen sind oft sarkastisch und nicht immer politisch korrekt. Darüber lachen kann man trotzdem. Doch es gibt Grenzen. Ein spuckend-brüllender Schwarzer, der herablassend ins Polizeirevier gezerrt wird oder die Heiligen Drei Könige, die Kamelkacke aufsammeln müssen, dazu die polizeiliche Bemerkung: „Die Grünanlagenverordnung gilt auch für Weise aus dem Morgenland.“ Wo kann man solche Karikaturen finden?
Im Kalender 2012 der Deutschen Polizeigewerkschaft!
Das sorgt für Aufsehen. Der Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer hat seine Kollegen in Bayern dazu angewiesen, den Kalender aus den Dienststellen zu entfernen. Menschenrechtsorganisationen stufen die Bilder eindeutig als rassistisch ein.
Lacht darüber die deutsche Polizei? Wir fragten den Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, ob er solche Motive lustig findet. VICE: Was halten Sie von den Motiven des Polizeikalenders?
Rainer Wendt: Ja … die Motive sind für viele Kollegen und Kolleginnen unterhaltsam und da wird auch immer wieder herzhaft drüber gelacht. Wie bewerten Sie, dass die Kollegen darüber lachen? Wie finden Sie selber die Motive?
Über die einen habe ich auch sehr gelacht, über die anderen lache ich weniger. Wie das so ist bei einem Karikaturenkalender. Der Humor ist ja unterschiedlich. Deshalb schätzt man das auch unterschiedlich ein. Und Sie schätzen die Motive nicht als rassistisch ein?
Das ist ja wohl absoluter Quatsch. Rassistisch schätzen das nur Leute ein, die auf der Suche nach Rassismus sind.

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Ich habe nicht danach gesucht und bin erschreckt über solche Bilder! Vor allem bei der Polizei erwartet man doch ein bisschen mehr Sensibilität zu dem Thema. Es ist ja nicht zu leugnen, dass dort diffamierende Darstellungen von Schwarzen zu sehen sind.
Das muss man im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck solcher Kalender sehen. Das hat etwas mit der Kommunikation unter Polizisten zu tun. Dieser Kalender ist ja auch nicht öffentlich, sondern eigentlich nur unter den Kollegen verteilt. Deshalb auch die kleine Auflage. Der war eigentlich auch nicht im Internet veröffentlicht und ist auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Aber gerade dadurch, dass es polizeiintern ist, muss doch besonders vorsichtig mit dem Thema Rassismus umgegangen werden. Immerhin sind es die Polizisten, die tagtäglich damit in Kontakt geraten. Auch gerade nach den Skandalen der Nazi-Terror-Gruppe könnte man das erwarten.
Das tun wir! Und das alles tun wir täglich bei unserer Arbeit. Aber das alles hat überhaupt nichts mit Rassismus zu tun. Das hat damit etwas zu tun, wie Polizistinnen und Polizisten, die in ihrer täglichen Arbeit, in ihren täglichen Belastungen stecken, mit diesen Belastungen umgehen. Nämlich indem sie sie mit dieser Art von simplifizierenden Karikaturen entdämonisieren und entdramatisieren und damit überhaupt erstmal ertragbar machen. Wenn auf einer Darstellung ein schwarzer Mann, der nicht richtig deutsch sprechen kann, als spuckender Idiot in ein Polizeirevier gezehrt wird, dann finde ich das absolut herabwürdigend. Das ist doch kein witziger Umgang mit dem Thema!?
Ist das jetzt eine Frage?! Ja! Finden Sie das etwa lustig?
Also … ob ich das lustig finde, sei doch mal dahingestellt. Ich habe gesagt, die eine Karikatur finde ich lustig, die andere finde ich weniger lustig. So ist der Humor nun mal unterschiedlich bei den Leuten ausgeprägt. Ich finde es weder diffamierend und gar nicht rassistisch, nein.

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Hängt der Kalender bei Ihnen?
Bei mir im Büro hängt er und da bleibt er auch hängen! In Bayern hat der Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer ja die Anweisung gegeben, den Kalender aus den Dienststellen zu entfernen. Bleibt er ansonsten in den Polizeiämtern hängen?
Nun, in der einen oder anderen Dienstelle hat man sich darauf geeinigt, dass der Kalender gar nicht aufgehängt wird. Das war aber schon im Dezember so. Das ist alles gar nichts Neues, deshalb wundert mich sowieso die Aktualität der Debatte. Die hat im Übrigen dazu geführt—das darf man ja den ganzen Kritikern auch mal sagen—dass sich dieser Kalender, der vorher in ein paar Partykellern und Gemeinschaftsräumen gehangen hat, jetzt bundesweit großer Öffentlichkeit erfreut. Da muss die Polizeigewerkschaft aber zu stehen, ob es nun privat oder öffentlich gezeigt wird. Immerhin ist die Polizei ein öffentliches Amt. 
Sicherlich. Spiegeln diese Motive überhaupt Ihre alltäglichen Erfahrungen wider?
Ja, genau darum geht es ja. Es geht hier um Bewältigungsstrategien von besonders belastenden Einsatzsituationen. Das ist im Übrigen nichts Besonderes. Diese Art von Humor, die nicht für jeden sofort eingängig ist, finden Sie auch in anderen Berufsgruppen.

Ja, Neonazis haben auch ihre eigene Art von Humor! Und den darf man auch hinterfragen.
Ja, ganz genau! Sie dürfen auch unsere Art von Humor hinterfragen, deshalb gebe ich Ihnen ja auch Antworten. Das ist völlig selbstverständlich, dass man das hinterfragen darf. Und ich bin ja ein Freund kritischer Berichterstattung. Deshalb darf man das, um Gottes Willen, immer hinterfragen. Man darf dann aber auch Antworten geben, und die muss man dann auch ertragen. Und die Antworten wiederum kann man auch kritisch sehen.
Aber absolut. Und meine Antworten dürfen Sie auch gerne kritisch sehen. Danke.

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