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„Wir lassen uns nichts mehr gefallen, scheiß’ auf Sat1!“

In Newtopia wird der Aufstand geübt. Warum Boykott in Reality-TV-Shows allerdings absoluter Schwachsinn ist.

Etwas über zwei Monate wohnen die mal possierlichen, mal eher nervigen Aussteiger nun ihn ihren Hütten und Erdlöchern in der brandenburgischen Provinz und habe uns schon Allerhand geboten: Von Fake-Skandalen über die obligatorischen Liebesdramen bis zu verschämten Unter-der-Decke-Fummeleien in Candyland. Gestern fegte dann plötzlich ein scharfer Wind durchs Dorf und aus dunklen Ecken und Hauseingängen wurden zum ersten Mal Rufe nach einer Revolution laut: „Wir lassen uns nichts mehr gefallen, scheiß' auf Sat1!"

Was war da los? Die Newtopianer sehen es nicht ein, drei Kandidaten zu nominieren, die dann von den Zuschauern rausgewählt werden. Hans' Einwand, dass das ein bisschen respektlos gegenüber den Zuschauern—immerhin dem 16. Pionier von Newtopia—sei, wird von Derk und Conny gekonnt überhört. Die beiden diskutieren angeregt, was man wohl am besten mit dem Zuschauerzetteln machen sollte: Verbrennen, wie unehrenhaft löchrige Flaggen in den USA (fragt mich bitte nicht, wie er auf diesen Vergleich kommt), aber das könnte zu sehr an die Bücherverbrennung erinnern und die ist ja sozial ehmm, gesellschaftlich vorbelastet hier bei uns. Also einfach durchschneiden? Aber wird das dann ernst genommen? Dann doch lieber Verbrennen, oder? Feuer ist immer so ein kraftvolles Symbol …—die Köpfe der Newtopianer qualmen über dieser elementar wichtigen Entscheidung.

Und meiner über der Frage, wieso früher oder später jede Realityshow an diesen Punkt kommen muss. DSDS-Kandidaten wehren sich mit einem Sitzstreik gegen die Jury-Entscheidung und wollen eine zweite Chance. Larissa Marolt droht in die Dschungel-Kamera, nichts mehr zu essen, wenn ihrer Aufforderung nach mehr Zigaretten nicht nachgekommen wird. Und irgendeins von Heidis Meeedchen ist immer kurz davor, alles hinzuschmeißen, weil sie trotz 10 Staffeln GNTM nicht weiß, dass die Haare beim Umstyling abgeschnitten werden müssen. Diese mit viel Tränen und Rotz garnierten Szenen finde ich immer besonders befremdlich. Denken diese Menschen nach 25 Jahren Reality-TV noch immer, dass es die Showmacher auch nur im Geringsten interessiert, ob sie dabeibleiben oder nicht? Oder noch absurder: Dass sie aus der Sendung heraus die Welt verbessern können? Mir ist klar, dass sich im Vorabendprogramm von Sat1, Pro7 und RTL nicht die geistige Elite Deutschlands herumtreibt. Das ändert aber nichts daran, dass ich, wenn ich zufällig auf so einen Weltverbesserer stoße, vor lauter Fremdschämen ganz schnell umschalten muss. Eigentlich könnten sie einem leidtun, die armen Träumer. Vielleicht sollte man die Produktionsteams einfach bitten, in der Einweisung zu erwähnen, dass Boykott in Reality-TV-Shows wirklich, wirklich nichts bringt.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass solche Aufstände ganz bewusst von Produzenten inszeniert werden. Was die Sache für die Insassen auch nicht unbedingt besser machen würde, da sie sich dann noch nicht einmal aus Überzeugung, sondern nur für Einschaltquoten zum Affen machen würden. Das steht bei Newtopia aber ohnehin nicht zur Debatte, denn da ist ja alles echt, wie wir seit dem Ärger um Fake-Vorwürfe wissen.