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Wir haben Neuigkeiten für Chauvinisten: Menstruieren ist immer noch keine Schande

Trotzdem gibt es immer wieder Menschen, die die Periode eklig und dreckig finden: Willkommen in der Welt des „Period Shaming".

Screenshot via Instagram

Vor drei Wochen hat Louelle Denor ein Foto auf Instagram gepostet, auf dem sie ihre eben entfernte Menstruationstasse zeigt. Die Tasse und ihre Hand sind logischerweise ziemlich blutig, da das Entfernen von Menstruationstassen eine eher unpraktische Angelegenheit ist. Dieses bisschen Menstruationsblut reicht, um das Internet zumindest stellenweise zum Durchdrehen zu bringen und Louelle für ihr Bild zu beschimpfen—bis hin zu Todesdrohungen.

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Bei Kommentaren wie „[…] Everyone knows about periods and they're gross, why the fuck would you want to touch your period blood? that's disgusting." und „Kill ya pls" muss man nicht viel zwischen den Zeilen lesen. Wenn man es doch tut, steht dort ziemlich deutlich: Manche Menschen fühlen sich immer noch bemüßigt, ihr eigenes Unbehagen in Bezug auf die (weibliche) Natur mit Aggression gegenüber Frauen zu kompensieren, die diese Natur nicht aus „Anstand" vor ihnen verstecken.

Solange sich Leute dermaßen dafür schämen, wie unsere Körper nun mal funktionieren, ist unsere Welt immer noch verklemmter, als ich dachte. Bilder von blutigen Wunden sind auf Instagram keine Seltenheit. Fotos von Unfällen oder auch nur kleinen Kratzern gehören zu unserem Alltag im sozialen Netz. Niemand hat ein Problem damit, dass wir Anteilnahme und Mitgefühl dafür wollen.

Aber sobald das Blut auf einem Bild aus einer Vagina und nicht aus einem anderen Körperteil stammt, beginnen die Aufschreie. Sowohl Männer als auch Frauen werden laut und wollen in diesem Fall Louelle vorschreiben, dass ein natürlicher Vorgang ihres Körpers etwas ist, wofür sie sich schämen und das sie lieber verstecken sollte.

Offenbar sind die Periode und das Blut, das wir dabei verlieren, für viele immer noch etwas „Dreckiges", das außerhalb des heimischen Badezimmers nur wenig zu suchen hat. Willkommen in der Welt des „Period Shaming".

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Knapp die Hälfte der Menschheit blutet einmal im Monat menstruationsbedingt aus ihrer Vagina. Diesem Umstand verdanken wir indirekt die Tatsache, dass es uns gibt. Menstruation ist vieles: beschissen, unangenehm, unter Umständen schmerzvoll und anstrengend. Vor allem aber ist sie völlig normal. Verstanden haben das zum Leid aller menstruierenden Frauen noch nicht alle. Und ich spreche hier nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen, die nicht über ihre Periode sprechen, weil sie immer noch ein Tabu für sie darstellt.

An der Tatsache, dass dieses Tabu noch existiert, sind viele Faktoren schuld. Das Ganze beginnt bei den Menschen, die einen bei der kleinsten Stimmungsschwankung fragen, ob man seine Tage hat. Dieser extrem lustige Witz wird zugegebenermaßen meist von Männern gebracht, die immer noch denken, PMS sei etwas, das wir uns als Vorwand ausgedacht haben, um einmal im Monat scheiße, launisch und unwillig zu sein.

Es gibt Neuigkeiten für euch: Menstruation ist kein Witz, PMS ist nicht die Pointe und ja, es kann tatsächlich vorkommen, dass ich schlecht gelaunt bin, wenn ich mich jeden Monat ein paar Tage lang fühle, als würde sich mein Uterus gerade von innen in mir festkrallen, während ich mich wiederum an eine Wärmflasche kralle, als wäre sie eine Rettungsboje.

Hätten die Männer, die solche Gags abfeuern, einmal im Monat ein Ziehen in ihren Hoden, als ob sich ein Hamster zu ihrem Samenleiter durchfressen würde—ich würde wetten, sie fänden es auch extrem lustig, wenn Menschen ohne Hoden sich an diesen Tagen über ihre süßen kleinen Schmerzen lustig machen würden.

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Auch die Werbeindustrie macht es uns Frauen ein wenig schwer, sich während der Menstruation wie ein normaler Mensch zu fühlen. Das liegt einerseits daran, dass wir sogar dort, wo so getan wird, als würde man die Bedürfnisse von Frauen während der Periode verstehen, mit blauen Symbolflüssigkeiten und komischen Analogien abgespeist werden. Und andererseits bin ich mir ziemlich sicher, dass die wenigsten Frauen während ihrer Periode am Morgen seelenruhig auf stehen, sich strecken und in weißer Unterwäsche durchs Schlafzimmer tänzeln, wie es die glücklichen Frauen in der Tamponwerbung machen.

In der Realität sieht es eher so aus, dass man aufwacht und überlegt, wie man es möglicherweise in waagrechter Position zur Toilette schaffen könnte, um das allseits gefürchtete morgendliche Ausrinnen zu verhindern, bevor man schließlich ins Bad sprintet und hofft, dass einem der Menstruationsgott gnädig war und man nicht gleich seine Unterwäsche im Waschbecken einweichen muss. Und ganz ehrlich: Niemand trägt während der Periode überhaupt weiße Unterwäsche.

Im Gegensatz dazu idealisieren Männer die Periode nicht so wie die Werbung es macht, sondern machen sie zur schlimmsten und abstoßendsten Sache der Welt, die nicht nur ihnen, sondern vor lauter wiederholt geäußertem Ekel irgendwann auch einem selbst unangenehm ist.

Natürlich gibt es auch die, die nicht lachen, wenn einem in der Rush Hour an der BILLA-Kassa aus Versehen gefühlte Tausend Tampons aus der Tasche fallen und die auch während der Periode Sex haben wollen, ohne einem das Gefühl zu geben, dass man sich schämen sollte, wenn danach ein winziger Blutfleck auf dem Leintuch ist.

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Aber es gibt eben auch die anderen. Immer noch. Diese Typen ziehen dich auf und sagen dir, du sollst dich nicht so anstellen, wenn du gerade wegen deinen Bauchkrämpfen gekotzt hast und lieber nicht mit ihm weggehen würdest, weil du lieber „Bleeding Love" (also den ultimativen Menstruations-Soundtrack) hören und dein Leid zelebrieren möchtest. Sie verstehen nicht, warum es vorkommen kann, dass ein türkises Bändchen versehentlich aus deiner Unterwäsche baumelt, weil es sich irgendwie seinen Weg daraus hervor gebahnt hat und warum man am ersten Tag der Periode vielleicht mal lieber keinen Sex haben möchte.

Wahrscheinlich liegt die Tatsache, dass sich so viele Frauen noch für ihre Periode und alle dazugehörigen Banalitäten schämen und viele mit ihrer „Was am Klo passiert, bleibt am Klo"-Mentalität genau dieses Denken unterstützen, ganz simpel an der fehlenden Empathie und dem ewig gleichen falschen Grundgedanken. Frauen haben „sauber" zu sein und über nichts zu sprechen, was sich nicht schickt—ähnlich wie bei der Diskussion, ob Frauen eigentlich auch eine Verdauung haben dürfen. Egal, was ein paar Chauvinisten denken: Ja, wir kacken und wir können auch nicht damit aufhören, nur weil es euch vielleicht nicht passt. Und genau so bluten wir auch gelegentlich aus unserer Vagina, findet euch damit ab.

Die blutige Hand vom Entfernen der Menstruationstasse kann man jedenfalls waschen, die versaute Unterwäsche lässt sich auch irgendwie noch retten und wenn man sein Leintuch heiß genug wascht, geht jeder Blutfleck irgendwann weg. Was nicht so einfach weg geht, sind die engstirnigen Vorurteile der Menschen, für die der weibliche Zyklus etwas Unreines ist.

Genau deshalb ist es wichtig, dass Frauen wie Louelle oder die kanadische Künstlerin Rupi Kaur ihre Bilder auf Wohlfühl-Plattformen wie Instagram posten. Oder dass es Menschen wie diese eine Frau gibt, die während ihrer Periode ohne Tampon einen Marathon gelaufen ist. Klar, es kann irritierend sein, mit so etwas in der Öffentlichkeit konfrontiert zu werden. Aber die harten Reaktionen auf Louelles Menstruationsfoto zeigen, dass es immer noch nötig ist, um denjenigen, die Menstruationsblut zum Schämen finden, den virtuellen Schlag verpassen, den sie verdienen und anderen Frauen zu einem offeneren Umgang mit ihrer Weiblichkeit zu ermöglichen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr