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Ich habe einen Tag in einem Physiozentrum für Haustiere verbracht

Ich habe gesehen, wie eine gelähmte Katze wieder gehen lernt, und erfahren, dass manche Tiere lieber aufs Unterwasser-Laufband scheißen, als zu trainieren.

Bei Alforme handelt es sich um ein Physiozentrum für Tiere, das 2013 im französischen Maisons-Alfort eröffnet wurde. Hinter dem Ganzen steckt der Tierarzt Artem Rogalev und inzwischen kümmert man sich dort täglich um bis zu 20 Patienten. Am Anfang war die Klinik noch ausschließlich auf „Arbeitstiere" wie Rettungshunde oder Polizeipferde ausgelegt, aber im Laufe der letzten Jahre ist das Interesse so stark gewachsen, dass dort jetzt alle Tiere behandelt werden.

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Im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern und Deutschland, wo ähnliche Praktiken schon seit den 80er bzw. 90er Jahren recht verbreitet sind, ist die Haustier-Physiotherapie in Frankreich bisher kaum geläufig. Dabei ist es eigentlich gar nicht mal so abwegig, dass bei Tieren auch einige der Heilungsmethoden anschlagen, die man bei Menschen anwendet. Trotzdem haben französische Haustierversicherungsmakler erst vor Kurzem ihr grünes Licht für Einrichtungen wie Alforme gegeben.

Im Grunde ist die Tier-Physiotherapie das Gleiche wie die menschliche Physiotherapie. Dort kommen genauso viele Maschinen für alle möglichen Zwecke zum Einsatz—von Ultraschall bis Elektrostimulations-Therapie. Und genauso wie bei Menschen erstreckt sich die Behandlung der Tiere ebenfalls über einen längeren (und damit natürlich auch teuren) Zeitraum.

Jede Behandlung bei Alforme fängt mit einem Beratungsgespräch an, bei dem der behandelnde Arzt das genaue Leiden des Tieres diagnostizieren und auch gleich die richtige Behandlungsmethode festlegen will, die den Gesundheitszustand des tierischen Patienten verbessern oder das Problem gleich komplett aus der Welt schaffen soll. Dinge wie Laufen, Balance-Verbesserung auf Gymnastikbällen, Dehnübungen, Elektrostimulation, Unterwasser-Laufbänder und Whirlpools sind dann geläufige Behandlungsmethoden. Doch selbst wenn deinem Meerschweinchen eigentlich gar nichts fehlt, kannst du deinem geliebten Haustier trotzdem auch einfach so eine Art Spa-Besuch spendieren.

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Ungefähr 60 Prozent der Tiere, die in Alforme eingeliefert werden, leiden an Problemen wie Arthrose, Lähmungen oder Kreuzbandverletzungen. Aber auch Fitnessprogramme für übergewichtige oder ältere Haustiere sind nichts Ungewöhnliches. 95 Prozent der Patienten sind entweder Hunde oder Katzen, aber auch Hasen, Frettchen oder ein Papagei (der fast gestorben wäre, als er zwischen den Gittern seines Käfigs steckenblieb) wurden schon in dem Physiozentrum behandelt. Nachdem die Behandlungsmethoden festgelegt wurden, bekommt jeder Patient im Durchschnitt zehn Sitzungen, bevor Rogalev eine weitere Untersuchung vornimmt, um die Fortschritte festzustellen.

Während ich mich in dem Physiozentrum umschaute, wurde dort auch ein Hund namens First behandelt. First ist ein 72 Kilo schweres Monstrum von einem Hund und leidet an Muskelschwund in den Hinterbeinen. Als Präventivmaßnahme und als Vorbereitung auf das hohe Alter bringt Firsts Herrchen den Hund einmal pro Woche zu Alforme, wo er sich in einer Muskelaufbau-Therapie befindet. Ich war bei seiner achten Sitzung dabei.

Das letzte Mal bei Alforme durfte First auf das Unterwasser-Laufband. Allerdings hatte er keine Ahnung, was vor sich ging, bekam es mit der Angst zu tun und hätte fast die ganze Maschine zerstört. Diesmal musste First zuerst 12 Minuten im Pool verbringen. Aufgrund der Größe des Hundes ist der Pool-Aufzug für ihn nicht geeignet und ein Tierarzt musste helfen, ihn ins Nass zu ringen. Hunde werden deshalb ins Wasser gesenkt, weil sie so instinktiv zu schwimmen anfangen sollen, was wiederum die Beinmuskeln stärkt.

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Ina, eine anderthalb Jahre alte Shar-Pei-Dame, war zu ihrem siebten Ultraschall da. Sie leidet an einer angeborenen Fehlstellung der Kniescheibe und an Boxenlaufen. Der Tierarzt hatte sich für diese Behandlungsmethode entschieden, weil der Ultraschall die Gelenke erwärmt und entspannt. Die kleine Hündin zitterte während der Behandlung wie Espenlaub. Es sah schmerzhaft unbehaglich aus.

Nach dem Ultraschall war Ina mit dem Unterwasser-Laufband dran und schien hier auch viel mehr in ihrem Element zu sein. Die Maschine kann auf verschiedene Geschwindigkeiten eingestellt werden, sodass sie sich auf die Fähigkeiten und den Zustand des jeweiligen Tiers anpassen lässt. Diese Behandlung gibt dem Hund mit dem Wasser einen zusätzlichen Anreiz, sich vorwärts zu bewegen—nur mit sanfteren Bewegungen als sonst.

Artem ist sehr stolz auf seine Arbeit bei Alforme und scheute sich auch nicht, seine eigenen zwei Hunde, Spok und Bémol, für eine kleine Kostprobe zu bemühen. Die zwei sprangen auf Gymnastikbällen und liefen auf dem Laufband, was letztendlich wie eine seltsame, akrobatische Hundeshow wirkte. Diese prächtig aussehenden Hunde waren offensichtlich in Topform. Das verwundert auch nicht weiter, immerhin sind dies genau die Hunde, an denen Artem all seine Therapie-Workshops ausprobiert.

Eine sechs Monate alte Katze namens Felindra wurde ins Zentrum gebracht, nachdem sie ein paar Monaten zuvor aus einem Fenster im dritten Stock gefallen war. Sie erlitt an drei Stellen eine Wirbelsäulenfraktur und ist nun im unteren Bereich der Wirbelsäule und in den Hinterbeinen gelähmt. An diesem Tag war sie zum vierten Mal bei der Elektrostimulation; Ziel der Behandlung ist es, genug Muskelmasse um die Wirbelsäule zu erhalten, um Felindra das Laufen wieder zu ermöglichen, wenn die Brüche geheilt sind.

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Nach 15 Minuten, während derer ihre Muskeln im elektrischen Strom zuckten, beschloss Artem, das Glück der Katze auf dem Laufband zu versuchen. Überraschenderweise fing sie—nach einer gefühlten Ewigkeit der Schlaffheit— langsam an, sich auf ihre Hinterbeine zu verlassen und eigenmächtig ein paar Schritte zu machen. Es war keine komplett angenehme Erfahrung, einer gelähmten Katze dabei zuzusehen, wie sie auf einem Laufband herumzappelt, doch das Ergebnis war eigentlich ein kleines Wunder.

Im Laufe des Nachmittags erscheinen immer wieder neue Patienten mit allen möglichen Leiden. Eine Sache, die sie alle gemeinsam hatten, war ihre hohe Motivation und Kooperationsbereitschaft. Das ist anscheinend nicht immer der Fall—manche verlieren vor Angst die Fassung, manche kacken in den Pool und andere weigern sich komplett, etwas zu tun.

Die tierliche Kooperation ist allerdings nicht der einzige Faktor, der die Heilungschancen beeinflusst. Es ist genau so unerlässlich, dass der menschliche Gefährte motiviert ist, dem Tier zu helfen, denn Übungen zu Hause sind ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses. Aber mal ehrlich, wenn du deine Katze in die Physiotherapie bringst, dann bist du wahrscheinlich schon mehr als nur ein bisschen motiviert.

Natürlich ist die Effektivität der Physiotherapie von Fall zu Fall verschieden, ganz wie bei Menschen, doch es lässt sich schwer abstreiten, dass es kaum goldigere Beschäftigungen gibt, als einen ganzen Tag lang Hunden beim Planschen zuzusehen.