Ein bayerischer Polizist hat jemanden für einen Kommentar bei VICE verklagt
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Ein bayerischer Polizist hat jemanden für einen Kommentar bei VICE verklagt

Er wollte sich nicht als „asozialer Penner" beschimpfen lassen, nur weil er einen unbewaffneten Cannabis-Dealer erschossen hat.

Erst am 28. April entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Anstecker mit der Aufschrift „FCK CPS" keine strafbare Beleidigung sei—weil das in seiner „persönlichen Ehre" beleidigte Kollektiv zu groß ist. Das heißt: Alle Polizisten auf einmal kann man schon beleidigen. Einen einzelnen aber immer noch nicht, wie womöglich mehrere VICE-Leser gerade schmerzlich erfahren haben.

Im Juli letzten Jahres berichtete VICE über den Fall eines Polizisten, der einem unbewaffneten Cannabis-Dealer von hinten in den Kopf geschossen hat. Den Artikel haben eine ganze Menge Menschen gelesen und leidenschaftlich diskutiert (eine Diskussion, die übrigens mit dem Einwurf „Cannabis heilt krebs! Ihr scheiß assis gehört vergast.." ihren dadaistischen Höhepunkt erreichte).

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Als ein Leser die etwas eigenartige Theorie entwickelte, dass „Du!" schuld daran bist, dass Dealer und Polizist sich „einfach ihrer Emotionen hingaben" (und der Dealer also sterben musste, weil er sich der eigentlich im Nachhinein durchaus gerechtfertigten Emotion „Flucht" hingab), entstand folgende Diskussion:

Wenn ihr euch jetzt fragt, was bei uns eigentlich für Leute kommentieren: Ganz ehrlich, wir wissen auch nicht, wo die alle herkommen. Es tut uns leid. Aber weiter im Text: Moritz Friedrich, der hier den Originalkommentar ziemlich treffend als „Bullshit" bezeichnet, wurde dafür zuerst einmal als „kleiner parteiischer Wichser" beschimpft.

Dummerweise hat aber nicht nur der Typ seinen Kommentar gelesen, sondern offensichtlich auch der Polizist aus dem Artikel, der den Dealer erschossen hat. Wir können nur mutmaßen, was bei der Lektüre des Artikels durch seinen Kopf ging. Bei den Kommentaren wissen wir es jetzt aber: Der Polizist war beleidigt. Und weil er das mit dem „asozialen Penner" nicht auf sich sitzen lassen wollte, zeigte er Moritz an.

Mittlerweile ist das Verfahren gelaufen, und Moritz wurde tatsächlich zu 1.200 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt. Und er behauptet, nicht der einzige zu sein, was uns bei der Münchner Staatsanwaltschaft aber niemand bestätigen oder dementieren konnte, weil sie keine Auskunft über solche Verfahren geben. Wir haben Moritz angerufen, um ihn ein bisschen zu trösten.

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VICE: Hallo Moritz. Wie geht's?
Moritz Friedrich: Joa, alles gut. Jetzt steht dann die Kohle bald an.

Wie lange hat es nach dem Kommentar gedauert, bis du Ärger bekommen hast?
Ein halbes Jahr später ist ein Brief von der Polizei gekommen. Ich werde angezeigt—wegen Beleidigung. Dann wurde ich vorgeladen, durfte meine Meinung dazu abgeben und habe einen Strafbefehl bekommen. Und das war's eigentlich.

Du musstest dafür auf die Wache gehen?
Mm-hm. Da habe ich dann auch erfahren, dass alle anderen, die unter dem Artikel im Netz irgendwie beleidigend kommentiert haben, genauso angezeigt wurden. Ich habe mir die Kommentare dann noch mal angeschaut—das sind schon fünf, sechs Leute, die ähnlich oder noch ausfallender geschrieben haben.

Wer hat dich denn angezeigt?
Der Anzeigende war der Polizist aus dem Artikel selber, der den unbewaffneten Dealer erschossen hat.

Interessant.
Dachte ich mir auch.

Hast du dir einen Anwalt genommen?
Ich habe mit einem gesprochen, ja. Aber der meinte, im Prinzip brauchst du's gar nicht versuchen, weil „dieser Staat seine Leute schützt". Das wird nur noch teurer.Dementsprechend habe ich es gelassen. Aber vielleicht macht es ja einer von den Anderen, ich bin mal gespannt.

Wie findest du das?
Ziemlich beschissen, ehrlich gesagt. Ich meine, ja, meine Wortwahl war nicht unbedingt sehr höflich. Aber ich überlege mir halt: Was ist das für ein Mensch, der jemanden erschießt und sich dann ein paar Tage später ans Netz setzt und Leute verklagt, die ihn dafür beleidigen. Na ja.

Kannst du das überhaupt bezahlen?
Nicht so wirklich. Ich war noch in der Ausbildung, als ich das gemacht habe. Ich schau halt jetzt, dass ich's irgendwie vertagen kann, weil die Kohle habe ich natürlich nicht.

Tut mir leid für dich.
Na ja, ich bin selber schuld.